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Vorwort zur 1. Auflage

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Bei meiner psychotherapeutischen Arbeit sind mir immer wieder Menschen begegnet, die ihrem Leben ein Ende setzen wollten oder einen ihnen nahestehenden Menschen durch Selbstmord verloren haben. In meiner Grundschulzeit hatte ich in jeder der vier Klassen eine neue Lehrerin, was vor über 30 Jahren unüblich und schlicht darin begründet war, dass zwei von ihnen sich umbrachten. So sehr mich diese für ein Kind unfassbaren Todesfälle erschreckten, lösten sie doch ein erstes Interesse am Thema Selbstmord aus. Dieses sollte mich auch weiter beschäftigen:

Als Studentin im Psychiatrie-Praktikum auf der Psychotherapie-Station einer großen Klinik wurde ich damit konfrontiert, dass eine Patientin sich erhängte. Zudem hatte ich einen Kommilitonen, der erst seinen Hund und dann sich selbst erschoss, sowie einen Studienfreund, der durch einen ungewöhnlichen Autounfall zu Tode kam. Ich merkte, dass trotz aller Faszination bei der Beschäftigung mit Selbstmördern in Literatur und Realität mir die Austauschmöglichkeiten fehlten über dieses große Tabu-Thema, mit dem fast etwas Mystisches verbunden war. Wenn auch noch unzureichend, findet doch inzwischen eine Enttabuisierung statt hin zu einer Sensibilität für die Aktualität und Brisanz des Themas. In christlichen Gemeinden scheint dieser Themenbereich noch immer besonders stark ausgespart oder aber Selbstmord schlicht als unverzeihliche Sünde abgetan zu werden. In der psychotherapeutischen Arbeit mit christusgläubigen Patienten, die mit ihrem Leben nicht mehr zurechtkamen, wurde oft eine besonders große Erleichterung spürbar, wenn sie ihre Selbstmordgedanken im geschützten Rahmen und ohne strafende Blicke oder Bemerkungen äußern konnten.

Dieses Buch ist als Brücke gedacht, die eine Verbindung schaffen soll zwischen den Ufern von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Hintergründen zum Selbstmord einerseits und den manchmal hilflosen Helfern suizidaler Menschen andererseits. Es soll den Nebel der weitverbreiteten Mythen zum Selbstmord ein wenig auflösen, lebensmüden Menschen Hoffnung auf eine Chance in ihrer Lebenskrise vermitteln und hilfsbereiten Mitmenschen Möglichkeiten und Grenzen ihrer Hilfe aufzeigen.

Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit verwende ich nur die maskuline Form, wobei ich weibliche Personen jeweils mit einbeziehe. Ich verwende die Begriffe Patient, Ratsuchender und Suizidgefährdeter sowie Therapeut, Seelsorger und Helfer zur stilistischen Auflockerung im Wechsel und weise an den entsprechenden Stellen darauf hin, wenn ausschließlich ein Fachmann gemeint ist. Die zur Veranschaulichung gewählten Fallvignetten habe ich jeweils so entfremdet, dass sich niemand aus meiner Praxis darin wiederfinden kann. Allerdings entdeckt sich vielleicht der eine oder andere mir nicht bekannte Leser selbst darin. Dann könnte es daran liegen, dass wir Menschen uns in vielem sehr ähnlich sind und in existenziellen Notsituationen durchaus an die Frage nach dem Sinn des Lebens oder seiner freiwilligen Beendigung stoßen können.

Wenn ich das geahnt hätte

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