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2. Redaktionelle Werbung/Schleichwerbung

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Ein Unterfall der getarnten Werbung ist die redaktionelle Werbung. Es wird ein neutraler oder objektiver Bericht, also ein redaktioneller Beitrag vorgetäuscht, wo es sich in Wirklichkeit um eine Anzeige handelt.[84] Redaktionelle Werbung kann weitaus wirksamer sein als eine gekennzeichnete Werbung. Der Verbraucher wird aber getäuscht, wenn ihm statt redaktioneller Inhalte bezahlte Werbung nahe gebracht wird.[85] Redaktionelle bzw. Schleichwerbung ist gem. § 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang Nr. 11 UWG bzw. § 5a Abs. 6 UWG verboten. Wenn ein Entgelt bezahlt wird, greift in der Regel schon der vorrangig zu prüfende Tatbestand des § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 11 UWG. Der Rundfunkstaatsvertrag, der das ausdrückliche Verbot der Schleichwerbung für Rundfunk und fernsehähnliche Telemedien enthält,[86] definiert Schleichwerbung als die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Unternehmens in Sendungen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und mangels Kennzeichnung die Allgemeinheit über ihren Zweck irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt. Das Wettbewerbsrecht wird relevant, wenn der Beitrag das Ziel hat, den Wettbewerb des Unternehmens zu fördern, was stets anzunehmen ist, wenn ein Entgelt gezahlt oder erwartet wird.[87] Unlauter ist es insbesondere, Anzeigen im Stil und in der Aufmachung von redaktionellen Beiträgen zu veröffentlichen, ohne den Anzeigencharakter zu verdeutlichen.[88] Verbraucher messen fachlichen Äußerungen grds. mehr Bedeutung bei als den Werbeaussagen eines Unternehmens.[89]

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Redaktionelle Werbung kann daher auch dann wettbewerbswidrig sein, wenn kein Entgelt bezahlt wird. Voraussetzung ist, dass der Beitrag ein Unternehmen oder seine Produkte über das sachlich notwendige Maß hinaus werbend darstellt. Unlauter nach § 5a Abs. 6 UWG handelt daher, wer vorgibt, sich zu einer Frage fachlich zu äußern, in Wahrheit aber für ein bestimmtes Unternehmen werben will.

Eine übermäßig werbende Berichterstattung liegt z.B. vor, wenn Namen oder Hersteller genannt werden, obwohl dies zur Informationsvermittlung nicht nötig ist.[90] Werbung erscheint so unter dem Deckmantel eines redaktionellen Beitrags. Der Rezipient erwartet im redaktionellen Teil eine objektiv-kritische, nicht von gewerblichen Interessen geleitete Information einer unabhängigen Redaktion als Beitrag zur Meinungsbildung, nicht aber eine von Eigeninteressen des Werbenden geprägte Reklame.[91] Werbung im Gewande eines redaktionellen Beitrags führt daher regelmäßig zur Irreführung des Lesers oder Zuschauers durch Verschleierung des Werbecharakters der Veröffentlichung[92] und erfüllt daher den Tatbestand des § 5a Abs. 6 UWG.

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Die übermäßige Werbung ohne sachliche Rechtfertigung wird von der Rechtsprechung anhand mehrerer Kriterien geprüft. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls wie Inhalt, Anlass und Aufmachung des Beitrags und das Vorliegen eines publizistischen Anlasses zu prüfen.[93] Ein publizistischer Anlass ist gegeben, wenn im Hinblick auf das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit sachliche Gründe für die Nennung eines Unternehmens oder Produkts bestehen. Ein solcher Anlass bestehe nicht mehr, wenn eine Unterrichtung der Leser oder Zuschauer auch ohne Nennung einer bestimmten Marke geschehen könne.[94] Hinsichtlich Inhalts und Aufmachung muss für den Leser bereits auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel erkennbar sein, dass es sich der Sache nach um Werbung für den Hersteller des ausgelobten Produkts handelt. In diesem Zusammenhang genügt es nicht, dass der Verkehr die äußerst positive Beschreibung des Produkts erkennt. Er muss vielmehr sofort und zweifelsfrei erkennen, dass diese Beschreibung der Bewerbung des Produkts dient und nicht von der Redaktion verantwortet wird.[95] Als redaktionelle Werbung wurde daher ein redaktioneller Beitrag gewertet, der das Produkt über das durch eine sachliche Information bedingte Maß hinaus werbend dargestellt hatte.[96] Wettbewerbswidrig ist nach der Rechtsprechung des BGH z.B. die Bezeichnung namentlich genannter Ärzte und Anwälte als die „500 besten Ärzte Deutschlands“[97] und die „500 besten Anwälte Deutschlands“[98]. Die Veröffentlichung sog. Bestenlisten diene der unzulässigen Förderung fremden Wettbewerbs, die von einer entsprechenden Absicht getragen sei. Es liege keine journalistische Recherche vor, sondern die Informationen beruhen auf Empfehlungen von außen. Die Wettbewerbsförderungsabsicht ergebe sich durch die übermäßig anpreisende Darstellung bestimmter Marktteilnehmer.[99] Mit der Erhöhung bestimmter Marktteilnehmer gehe eine Herabsetzung anderer einher. Unlauterkeit ist dann gegeben, wenn keine sachlichen, nachprüfbaren und aussagekräftigen Beurteilungskriterien zu Grunde liegen. Eine unzulässige redaktionelle Werbung liegt z.B. vor, wenn ein Unternehmen oder ein Produkt pauschal angepriesen wird,[100] eine Marke optisch besonders hervorgehoben wird oder der Kauf eines Produkts geradezu empfohlen wird.[101]

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Nach der Rechtsprechung des BGH (noch zu § 4 Nr. 3 UWG 2008) liegt ein Verstoß gegen das Verbot getarnter Werbung auch vor, wenn der werbliche Charakter der Veröffentlichung für einen durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Leser nicht bereits auf den ersten Blick, sondern erst nach einer analysierenden Lektüre des Beitrags erkennbar wird.[102] Für den Leser muss sofort, eindeutig und unmissverständlich erkennbar sein, dass es sich der Sache nach um Werbung für ein Produkt handelt.[103]

Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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