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Kapitel 2 – Rosenkrieg

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Als Alexander Röhricht gegen dreizehn Uhr die Tür zu seiner Wohnung aufschloss, schnupperte er vergeblich nach dem würzigen Küchenduft. Er war hungrig wie ein Wolf, die Besprechung mit Josef Schmidt hatte sich länger hingezogen als erwartet, wodurch die folgenden Termine sich verzögerten. Alexanders Brauen zogen sich zusammen. Er schob Sonny beiseite, die freudig hechelnd an ihm hochsprang und sein Gesicht lecken wollte.

Aus dem Wohnzimmer drangen die Stimmen von Emmas Lieblings-Serie. Hatte seine Frau es nicht fertiggebracht, wenigstens das Mittagessen zu kochen? Wozu hatte er diese phlegmatische Kuh eigentlich geheiratet, fragte er sich nicht zum ersten Mal. Kalte Wut stieg in ihm hoch, während er durch den Flur marschierte, um Emma zur Rede zu stellen.

»Kannst du mir mal sagen, was hier gespielt wird?«

Seine eisige Stimme trieb Emma eine Gänsehaut über den Rücken. Sie robbte tiefer in die Polster der Wohnlandschaft. »Was wohl«, sagte sie schnippisch. »Glaubt der Herr Pascha, ich sei seine Sklavin? Stets zu Diensten, wenn es ihm gerade passt?«

Winselnd sah Sonny zwischen den beiden Streithähnen hin und her. Waren sie schon wieder böse auf sie?

»Du faule Schlampe, ich muss in einer Stunde wieder im Büro sein. Also steh gefälligst auf und koche mir mein Mittagessen, sonst ...«

»Still, sonst weiß ich nicht, wie's weitergeht!«, zischte Emma, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden.

Alexander schäumte innerlich. Er musste sich eisern beherrschen, seine Frau nicht vom Sofa hoch und in die Küche zu zerren. Mit verkniffenem Mund warf er ihr einen Blick zu, der nichts Gutes verhieß.

Emma erbebte vor seinem plötzlich aufflammenden Jähzorn, ließ es sich jedoch nicht anmerken und tat, als verfolge sie das Geschehen am Fernseher.

Mit einer Verwünschung auf den Lippen drehte er sich um und marschierte in die Küche. Die Steaks lagen noch dort, wo er sie hingelegt hatte. Was tat diese schlaffe Nudel eigentlich den ganzen Tag?

Er schnappte sich eine Grillpfanne, goss Öl hinein und stellte das Kochfeld auf die zweithöchste Stufe. Während die Steaks rösteten, schnitt er die letzten zwei Tomaten und eine kleine Zucchini hinein, legte sich einige Scheiben Brot zurecht und garnierte sein Gericht mit Kräuterbutter-Rosetten. Das Besteck zwischen den Lippen, den Teller und ein Glas Wein in den Händen balancierend, durchquerte er das Wohnzimmer und setzte sich an den Balkontisch.

Sonny trottete leise winselnd hinter ihm her. Sie legte ihren Kopf auf seine Knie und sah ihn erwartungsvoll und bittend zugleich an.

»Schon gut Sonny, es hat nichts mit dir zu tun«, murmelte er. Er streichelte über ihr zottiges Fell und warf ihr ein zäheres Fleischstück zu, das sie geschickt mit der Schnauze auffing. Sie legte sich hin und begann, daran zu nagen.

Der Fleischduft war Emma in die Nase gestiegen und hatte ihren Appetit angeregt. Da die Serie gerade zu Ende war, stellte sie sich kampfbereit vor Alexander hin. »Und wo ist mein Teller?«

Er sah sie so finster an, dass sie zusammenzuckte.

»Dein Teller, meine teure Frau, ist im Schrank!« Seine Stimme triefte vor Spott, während er genüsslich die zartrosa gebratenen Steaks verschlang und auf den Tisch deutete. »Dein Fleisch ist allerdings hier.«

»Dann gib es gefälligst her!«

Alexander schnitt einen größeren Brocken ab und warf ihn Sonny zu. »Das kannst du dir abschminken. Ab sofort kürze ich das Haushaltsgeld um die Hälfte, denn ich gehe in Zukunft über Mittag und öfter am Abend auswärts essen.«

»Das Haushaltsgeld kürzen? Lass das mal schön bleiben, sonst hast du mich gesehen!«

Ihre Blicke kreuzten sich wie scharfe Klingen.

»Das wäre ein kleiner Verlust. Du bist ja nicht mal fähig, die Wohnung sauber zu halten.« Er wies in den Wohnraum hinein. »Schau dir mal diesen Dreckstall an, überall liegen Sachen von dir herum, und heute Morgen habe ich das letzte saubere Hemd aus dem Schrank genommen.« Nach einer kurzen Pause setzte er hart hinzu: »Außerdem kürze ich dir das Taschengeld auf einen Viertel, solange du den Haushalt nicht picobello führst, wie es sich für eine verwöhnte Ehefrau gehört.«

Emma schnaubte empört. Das konnte er doch nicht machen! »Dann schlafe ich nicht mehr mit dir!«, drohte sie im Wissen, dass dieses Argument ihn zur Vernunft bringen würde.

»Keine Bange – Sex kann ich mir überall besorgen.«

Sie schnappte nach Luft. »Du ... du würdest auch mit anderen Frauen ...?«, keuchte sie entsetzt.

»Sicher, mein Püppchen, oder dachtest du, nur weil mir deine hübsche Visage gefällt, könntest du dir alles erlauben?« Er lachte freudlos auf. »Es gibt genügend Schönheiten, die nur darauf warten, dass ich sie vernasche.« Er hatte längst eingesehen, dass Emma und er sich gegenseitig kreuzunglücklich machten. Es war alles viel zu schnell gegangen. Vier Monate, nachdem er sie kennengelernt hatte, waren sie schon verheiratet, weil er so verrückt nach ihr gewesen war. Damals war der Sex mit ihr noch richtig toll, sie konnten nicht genug voneinander kriegen. Inzwischen wies Emma ihn öfter ab oder ließ ihn Ewigkeiten betteln, bis sie dazu bereit war.

»Du Scheusal«, schrie sie nun auf und wollte ihm ins Gesicht schlagen.

Alexander war schneller. Er sprang auf, packte Ihr Handgelenk und drückte ihr den Arm auf den Rücken. »Pass auf, was du tust, es kommt alles mit Zins und Zinseszinsen zurück«, warnte er, als sie vor Angst und Schmerz aufheulte.

Sonnys leises Knurren drang an sein Ohr.

Die Hündin drängte sich zwischen sie beide und sah ihn verwirrt an. Zwar war Alexander ihr Herrchen, doch sie mochte Emma und konnte nicht einfach zusehen, wie das Frauchen verletzt wurde.

Alexander ließ den Arm seiner Frau fallen, als hätte er sich daran verbrannt. »Ruhig Sonny, es ist ja nichts passiert«, redete er beruhigend auf sie ein und kraulte sie hinter den Ohren, was sie besonders gern mochte. »Komm wir gehen Gassi!«

»Eigentlich hatte ich vor, heute Abend mit dir schick auszugehen, das kannst du dir auch abschminken«, sagte er in verächtlichem Ton zu Emma, als er Sonny zurückbrachte. »Ich mache mir einen schönen Abend – ohne dich!« Damit knallte er die Wohnungstür zu und jagte zum Auto.

Emma stieß einen erstickten Schrei aus und eilte ins Schlafzimmer, wo sie sich heulend aufs Bett warf. Ihre Fäuste droschen auf Alexanders Kopfkissen ein. »Du aufgeblasener Gockel, du sturer Dickschädel! Du ... du ... fieser Angeber, du!«

Sie weinte sich in den Schlaf, getröstet von Sonny, die zu ihr aufs Bett sprang und ihr sanft die Tränen von den Wangen leckte.

Als Emma zur Kaffeezeit erwachte, kühlte sie sich die verweinten Augen und zog sich ein Sommerkleid an. Zum Glück hatte Alexander ihr zum Geburtstag den schicken Kleinwagen geschenkt. Sie fuhr mit Sonny an die Aare, wo sie am Flussufer entlang tollten. Emma warf Stöckchen in die Luft, denen die zweijährige Hündin freudig bellend nachjagte. Diese verteidigte sie wie einen kostbaren Schatz.

»Gib aus, Sonny!« Lachend versuchte Emma, ihr das Holzstück zu entwenden. Doch die Hündin knurrte sie vorwurfsvoll an. »Los, gib schon aus, sonst werfe ich dir keine mehr!«, kicherte sie, als Sonny sich wehrte und hin und her sprang, damit Frauchen sie nicht erwischte.

Bei ihrem ausgelassen Spiel rannte Emma fast in eine Gruppe junger Leute hinein. Der herrliche Spätsommertag Ende August lockte Jung und Alt ans Wasser. Die Familien kamen mit Kind und Kegel zum Picknick her oder kühlten sich in der Aare ab.

»Hoppla, das war knapp!«, hörte sie eine vertraute Stimme, als sie gegen einen jungen Mann prallte. Er hielt sie reflexartig fest und rief gleich darauf freudig überrascht: »Emma, bist du's wirklich?«

»Hallo Emma!«, klang es von allen Seiten.

Sie sah auf und erkannte einige Männer und Frauen aus ihrer Clique, mit der sie früher oft losgezogen war. Beschämt strich sie sich über die Rastazöpfe.

»Hallo Lars; hey Michelle! Tina, du hast mir echt gefehlt!« Sie umarmte ihre beste Freundin aus der Berufsschule und sah sich um. »Sind die andern auch da?«

»Sieht man dich auch mal wieder?« Forschend sah Tina ihr ins Gesicht. Emmas verquollene Augen fielen ihr auf. »Hast du Ärger?«, fragte sie leise.

»Geht so ...« Emma senkte den Blick und nagte an ihrer Unterlippe, die verdächtig zu zittern begann.

Sonny drängte sich schützend neben sie.

»Mit Alexander?«

»Ja ... er ist ein fieses Arsch!«

»Hab ich doch schon immer gesagt!« Tröstend legte Tina den Arm um sie.

»Ruhig Sonny«, sagte Emma, als die Hündin knurrte. »Das ist nur Tina, meine beste Freundin.« Sie sah der Reihe nach die jungen Frauen und Männer an, die sich nun alle um sie scharten.

Plötzlich brach sie in Tränen aus. »Ihr habt mir ja so gefehlt«, schluchzte sie und sah zu Lars hinüber, den sie besonders gerne gemocht hatte, bevor sie Alexander kennenlernte. Dieser hatte ihr nie geglaubt, dass Lars und sie nur gute Freunde waren und verlangt, sie müsse sich entscheiden, mit wem sie zusammen sein wolle.

Bestürzt nahm Tina sie in die Arme. »Kopf hoch, das wird schon wieder«, versuchte sie ihre frühere Freundin aufzumuntern.

»Nein, es ist schrecklich mit ihm«, schluchzte Emma nun noch stärker. Sie kauerte sich hin und drückte ihr verweintes Gesicht in Sonnys braunschwarzes Fell. Die Hündin drängte sich leise winselnd an sie, obwohl sie viel lieber mit Frauchen herumtollen wollte.

»He Leute, geht schon mal vor, wir kommen gleich nach«, sagte Tina zu den betretenen Gesichtern um sie herum.

»Okay, wir treffen uns in der Stammkneipe.« Lars warf Emma noch einen besorgten Blick zu, winkte die restliche Clique heran und marschierte mit ihr davon.

Tina setzte sich neben Emma ins Gras und kraulte gedankenverloren Sonnys Fell. »Deine Hündin ist süß! Hast du sie schon lange?«

»Sonny?« Die Hündin hob den Kopf und sah sie aus treuherzigen Knopfaugen an. »Sie gehört Alexander. Er hat sie nach der Hochzeit aus dem Tierheim geholt.«

»Das war doch schon mal eine gute Idee von ihm, oder?«, meinte Tina aufmunternd.

»Aber Sonny ist auch einer der Gründe, dass wir uns ständig streiten. Den ganzen Tag über versorge ich seine Hündin, trotzdem ist Alexander nicht einmal bereit, am Morgen mit ihr rauszugehen. So war's nicht abgemacht!« Sie senkte den Kopf. »Und nachts muss ich meistens auch noch mit ihr raus, weil er mit Eric – das ist sein Geschäftspartner – in den Kneipen rumhängt und sich ohne mich amüsiert.«

»Echt? Du Arme, so hast du dir die Ehe auch nicht vorgestellt, was? Ihr habt eben viel zu schnell geheiratet, sonst hättest du vorher gemerkt, ob er der Richtige für dich ist. Warum hast du dich denn nie mehr bei uns blicken lassen?«, fragte Tina verständnislos. »Wir hätten dich doch aufheitern können!«

»Weil Alexander ein eifersüchtiger, besitzergreifender Chauvinist ist«, brach es aus Emma hervor. »Er darf alles und ist der Herr im Haus. Seine Frau soll kuschen und sich allein langweilen, während er sich auswärts vergnügt.« Sie schniefte und warf den Kopf zurück. »Aber das lasse ich mir nun nicht mehr bieten, und den Umgang mit euch lasse ich mir erst Recht nicht mehr verbieten!«

Wider Willen musste Tina lachen. »Na also, das ist die richtige Einstellung!« Sie zog Emma hoch und rief übermütig: »Das müssen wir feiern! Komm, wir gehen zu den andern, Lars wird sich freuen.«

Emma reckte trotzig das Kinn und nahm Sonny an die Leine. Doch dann wurde ihr auf einmal bange, sie nagte an ihrer Unterlippe und sagte: »Hoffentlich sind die mir nicht böse.«

»Ach wo, wir sagen ihnen einfach, warum du dich nicht mehr gemeldet hast, die verstehen das, wetten?« Tina hakte sich bei ihrer wiedergefundenen Freundin unter, die dankbar ihre Finger drückte.

Irrfahrt bis Liebe

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