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Kapitel 3 – Alles im grünen Bereich

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Eric Freiburg zupfte an seinem schwarzen Spitzbart und lachte in sich hinein. An gewissen Tagen lief alles wie geschmiert, fand er, als er in seinen Maßanzug schlüpfte und die Krawatte umband. Dank umsichtiger Planung hatte er mit neununddreißig mehr erreicht, als er sich mit neunzehn vorgenommen hatte. Und das war bereits eine ganze Menge gewesen.

Er gratulierte sich erneut zu seinem brillanten Einfall, zusätzlich zum Berner Versicherungsmakler-Büro, in dessen behaglichem Wohnraum er gerade stand, noch eine Filiale in Luzern zu eröffnen. Womit er sich und seinem Juniorpartner Alexander Röhricht ganz neue Möglichkeiten eröffnete.

Ein schlauer Coup von ihm war, dass er beide Büros in unauffälligen Wohnblocks mietete. Selbstverständlich an gut erreichbarer Verkehrslage und mit ausreichend Parkplätzen. In den geräumigen Dreizimmerwohnungen ließ er je einen repräsentativen Empfangsbereich mit zwei Schreibtischen und einer Sitzecke einrichten. Einen der Räume verwandelte er in ein edles Sitzungszimmer.

Den dritten Raum jedoch gestaltete Eric nach seinen speziellen Bedürfnissen, denn diese Ausgaben sparte er anderswo locker wieder ein. Allein die Mietkosten waren bedeutend geringer als für die teuren Büroräume und die verschwiegenen Hotelzimmer, die er früher gebucht hatte. Sein Blick fiel auf die junge Frau, die dekorativ auf dem Kuschelsofa lag und aus leicht verschleierten Augen zu ihm aufsah. Sie strich ihre goldblonden Wellen nach hinten, was ihm freie Sicht auf ihre vollen Brüste bot, die keck aus dem schwarzroten Mieder ragten.

Ein Geschenk von ihm natürlich!

Nadine Huber hatte sich sichtlich darüber gefreut und es gleich für ihn angezogen, bevor sie ...

»Häschen, schwingst du mal deinen süßen Hintern vom Sofa und ziehst dich an, ja?«, murmelte er, während er einen letzten Kuss auf ihren Brustansatz drückte.

»Jetzt schon? Aber warum denn«, schmollte sie und kraulte seine schulterlangen, schwarzen Haare, die er mit reichlich Gel aus der Stirn gekämmt hatte. »Ich wüsste noch so einiges, das wir beide tun könnten!«

»Nicht, lass das!« Eric glättete seine Locken, die nie dort bleiben wollten, wo sie hingehörten, und stand auf. »Komm, beeil dich, ich habe noch einen Termin.«

Nadines Brauen zogen sich zusammen. »Du hast noch eine Besprechung, am Donnerstagabend um ...« Sie räkelte sich und langte nach der modischen Uhr, die sie auf den Salontisch gelegt hatte. »... fünf nach acht?«

»Wir müssen uns nun mal nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Kunden richten.« Eric breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus und sah sie dabei so bedauernd an, dass ihre Zweifel an seiner Aufrichtigkeit schwanden. Sie zog eine Schnute, doch selbst diese stand ihr ausgezeichnet, und er musste an sich halten, um Nadines verlockenden Lippen und Rundungen nicht gleich nochmal zu erliegen.

Ihn zog es heim zu Mona.

»Dann ziehe ich mich halt an.« Nadine sammelte ihre herumliegenden Kleidungsstücke ein und trank einen Schluck Champagner. Sie schüttelte sich, das perlende Getränk war schal geworden. »Kommst du mit runter?«

Eric unterdrückte den Ärger, der in ihm aufstieg, und zwang sich zu einer bedauernden Miene. »Du weißt doch Häschen, dass das nicht geht, weil ...«

»Weil du Schiss hast, die Nachbarn könnten dich mit mir zusammen sehen und dich für einen unseriösen Geschäftsmann halten«, spöttelte Nadine und zuckte mit den Schultern. »Okay, ich finde den Weg auch allein, gib mir fünf Minuten.« Sie eilte ins Bad, wischte die Ränder unter den Augen mit einem Kosmetiktuch weg, legte je einen Hauch Rouge und Puder auf und zog die Lippen mit einem lange haftenden Stift nach.

Was Eric nur immer hatte, nachdem sie doch köstlichen Sex miteinander genossen hatten?, fragte sie sich verwirrt. Innerhalb einer Stunde verwandelte er sich aus dem großzügigen, heißen Liebhaber zurück in den kühlen Geschäftsmann. Selbst heute, wo sie das vierte Mal zusammen waren, schaffte sie es nicht, ihn länger zu fesseln. Mit der Haarbürste strich sie ihre goldblonden Wellen rechts hinters Ohr, links graziös über die Schulter. Ein letzter prüfender Blick in den Badezimmerspiegel, und sie war zufrieden mit dem Resultat. Mehr konnte man nicht erwarten nach einer intensiven Liebesstunde. Sie strich ihren kurzen braunen Lederrock glatt und bewunderte den perfekten Sitz ihrer edlen Seidenbluse, deren obere Knöpfe sie offen ließ.

»Wie gefalle ich dir eigentlich in diesem Outfit?«

Sie drehte sich vor Eric um die eigene Achse, dessen Ungeduld sich steigerte, während er in der Küche die leeren Gläser in die Spüle räumte und die Flasche in den Kühlschrank stellte. Den Rest würden Alexander oder er morgen austrinken. Jetzt hielt ihn nichts mehr hier. Mona wartete mit dem Nachtessen auf ihn und würde sich fragen, wo er blieb. Er hatte ihr gesagt, er sei um halb neun zuhause. Das würde er wieder mal nicht schaffen. Also warf er nur einen gelangweilten Blick auf Nadine, die aufreizend vor ihm stand.

»Deine Figur hat mir schon immer gefallen«, murmelte er mehr zu sich selbst als zu ihr. Mit Daumen und Zeigefinger drehte er ihr Kinn nach allen Seiten. »Aber deine Nase nicht!«

Nadine fuhr zurück, als hätte er sie geschlagen.

Ihre Nase war das einzige, was sie an ihrem durchtrainierten Body beanstandete: sie war zu lang, zu groß, zu dick – und erst noch leicht schief! Zwar behaupteten alle, die sie darauf ansprach, bei ihrer Schönheit würde kein Mensch auf sowas achten, aber sie selbst störte sich trotzdem daran. Als Teenager hatte sie deswegen sogar Minderwertigkeitsgefühle entwickelt. Mehrmals täglich massierte sie ihre Nasenflügel zwischen Daumen und Zeigefinger, damit sie sich weniger blähten. Mit zunehmender Erfahrung erkannte sie, dass ihr Makel längst nicht so störend war, wie sie ihn empfunden hatte.

Seit ihrer Ausbildung zur Kosmetikerin kannte sie genügend Tricks und Kniffe, wie man kleine Fehler der Natur wieder ausglich. Und bald entdeckte sie bei ihren Kundinnen viel Schlimmeres als ihr kleines Nasenübel.

Mit ihren siebenundzwanzig Jahren war Nadine bis zur Chefkosmetikerin eines größeren Hauses aufgestiegen. In diesem Frühjahr hatte sie sich ihren Traum vom eigenen Kosmetikinstitut erfüllt, wofür sie bei Eric mehrere Versicherungen abschloss. So hatten sie beide sich kennen- und lieben gelernt. Und nun sprach ausgerechnet Eric das aus, was immer ein wenig an ihr nagte! Ihre großen, grünbraunen Augen schimmerten verräterisch, als sie über die leichte Schwellung an ihrer Nasenspitze tastete.

Eric, der seine vorschnelle Bemerkung bereits verfluchte, beeilte sich, deren Wirkung abzuschwächen. Er konnte und wollte hier keine Szene heraufbeschwören, sondern nur noch verschwinden.

»Also nur im Profil, von vorn fällt mir nichts auf!« Diese Affäre wurde ihm zu mühsam, er überlegte sich, wie er sie loswerden konnte, ohne sie als Kundin zu verlieren. Nadine begann bereits zu klammern.

Ich will wilden, heißen Sex, sonst nichts. Für alles andere habe ich Mona, die wunderbarste Frau der Welt.

»Also stört dich meine Nase im Profil«, griff Nadine mit ruhiger, wenn auch bebender Stimme das Thema auf und schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter.

»Ach das war nur eine Momentaufnahme, ist mir vorher nie aufgefallen«, behauptete er, ohne mit der Wimper zu zucken. »Eine sexy Frau wie du wird meine Bemerkung nicht in den falschen Hals kriegen, oder?«

Nadines Lachen klang etwas schrill, aber offenbar hatte sie es geschluckt. »Nein, natürlich nicht, schließlich zählen die inneren Werte, und mit diesen bist du ganz zufrieden, hatte ich den Eindruck!« Sie kreiste mit den Hüften und sah ihn aus schmalen Augen an.

Ein teuflisches Grinsen flog über Erics Gesicht. Er musste an sich halten, sie nicht gleich in der Küche zu nehmen. Er trat hinter sie, umfasste ihre Brüste, drückte sein Geschlecht an ihr Gesäß und raunte: »Und ob! Du kleines Luder machst mich richtig scharf!« Er versetzte ihr einen Klaps auf den Hintern und schob sie zur Tür hinaus.

»Aber ...«, rief Nadine enttäuscht, doch er rollte die Augen in Richtung der Nachbarstüren und zischte:

»Pst, ich rufe dich in den nächsten Tagen an!« Mit förmlicher Stimme fuhr er halblaut fort: »Auf Wiedersehen, Frau Huber, ich sende Ihnen die Unterlagen zu, sobald ich sie bereit habe.«

Die Tür schloss sich hinter ihr. Sie strich sich wie erwachend über die Stirn. Eric hatte ihr keinen Abschiedskuss gegeben.

Irrfahrt bis Liebe

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