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Ich wurde 1948 am 14. April geboren. Meine Zwillingsschwester heißt Chloe. Meine Eltern lebten damals in Mussey-sur-Marne, ein kleines Dorf im Nordosten Frankreichs. Sie besaßen einen kleinen Teil des Hauses in der Rue de la Valotte. Das Haus hatte drei Etagen, wir wohnten in der Ersten und oft wohnten mehr als drei Familien in dem Haus. Es war immer etwas los, zumindest in den oberen Etagen.

Die Leute hatten Besuch oder nahmen Menschen bei sich auf, die auf der Durchreise waren. Keiner im Haus war wohlhabend und das konnte man dem Haus auch ansehen. Es war meist beige oder grau angestrichen und sämtliche Fenster und Türen waren nicht mehr die Neusten. Mussey-sur-Marne ist ein kleines Dorf, daher kannte man selten jemanden nicht, dem man auf der Straße begegnete. Auf den Fensterbrettern standen häufig Blumen und manchmal konnte man Kinderstimmen aus dem Innern des Hauses hören.

Mein Vater verließ die Familie, als Chloe und ich gerade zwei Jahre alt waren.

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, dass Mama und Papa sich gestritten haben oder dass Papa eines Tages nicht mehr da war. Und ich bin froh darüber.

Einen Vater gab es einfach nicht in meiner Kindheit. Es war damals nicht einfach für Mama und heute weiß ich das.

Sie ist eine starke Frau mit viel Mut und Optimismus. Mama hat hellbraune Haare, die aber mittlerweile ein wenig gräulich geworden sind und große ausdruckvolle Augen. Sie ist auch in Frankreich aufgewachsen und ihre Eltern sind beide Franzosen. Mama trägt manchmal Hüte und ihre schwarzen Handschuhe.

Sie besitzt nur wenig Schmuck und hat jedoch immer welchen an, auch wenn es nur eine dünne Halskette oder ein wertloser Fingerring ist. Mama ist eine sehr liebevolle Mutter gewesen, doch enge Freundschaften zu anderen Frauen hatte sie noch nie. Sie sagte früher oft, anderen Menschen traue sie nicht so gerne. Oder sie sagte, dass Menschen unberechenbar wären und es keinen durchaus guten Menschen auf dieser Welt gäbe. Nicht, dass sie Menschen nicht mochte, aber sie sagt auch heute noch „Erwachsene lügen nicht weniger als Kinder und Kinder sind nicht weniger bösartig als Erwachsene“. Und ich glaube, sie hat damit nicht ganz unrecht.

Sie kümmerte sich um uns und war gleichzeitig immer auf der Suche nach einer besseren Arbeit, um mehr zu verdienen. Arbeit hatte sie nie genug. Nie saß sie einfach nur da und tat gar nichts. Morgens weckte sie uns, bereitete das Frühstück zu, nahm ihre Tasche, setze einen Hut auf und verließ das Haus. Man hörte noch, wie die Türe scheppernd zufiel und Mamas abgetretene Absätze von unserer Türschwelle auf den Bürgersteig klackerten. Dann sah man sie, wie sie die Straße herunter lief, lächelte und uns eine Kusshand zu warf.

Wir wussten nie wohin sie ging, wir wussten nur, sie ging irgendwohin, um zu arbeiten, damit es uns nicht an Geld mangelte. Obwohl es das trotzdem manchmal tat. Doch wir kamen immer irgendwie durch. Dann gingen Chloe und ich in die Schule und kamen nachmittags wieder zurück. Mama kam erst am Abend, kochte, spülte, putzte und brachte uns ins Bett. Ich weiß noch, dass ich als kleiner Junge bei Geräuschen wie schepperndem Geschirr, laufendem Wasser oder Bürstenstriche auf dem Holzboden immer besser einschlafen konnte.

Und nie wusste ich, wann Mama damit aufhören würde. Sie sagte immer, sie wolle, wenn sie schon tagsüber nicht zuhause sein konnte, dass es wenigstens sauber war und etwas zu Essen in der Küche gab. Früher hatte Madame Renoir immer auf uns aufgepasst. Sie war eine alte Dame und wie eine Großmutter für uns.

Sie war wundervoll warmherzig und sorgfältig. Sie hatte graues Haar und tiefe Lachfalten in Stirn und Wangen. Als Chloe und ich noch kleiner waren, spielten wir täglich auf den zwei Stufen vor unserer Haustür. Daran kann ich mich auch noch erinnern.

Ein kleines Kind zu sein, ist glaube ich seltsam. Noch heute frage ich mich, wie und an was kleine Kinder denken. Ich weiß noch, wie Madame Renoir uns unser von da an geliebtes Schaukelpferd schenkte. Es war aus Holz, hatte eine struppige Mähne und Schweif, und zwei schwarze Punkte dienten als Augen.

Sie schenkte es uns zu unserem vierten Geburtstag. Sie und Mama hatten gelächelt, als sie mit ansahen, wie unsere Augen leuchteten, sobald wir das Schaukelpferd gesehen hatten. Ich habe es heute noch in meinem Zimmer stehen. Doch Madame Renoir starb im Winter 1957. Es war Ende Januar.

Auf Wiedersehen, Noel

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