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„Wach auf“, trällerte meine Mutter und rüttelte an meiner Schulter. Ich öffnete mühsam meine Augen und richtete mich auf. Mama lächelte und verließ das Zimmer, während sie rief, sie müsse jetzt das Frühstück machen. Ich steckte meine nackten Füße auf den kalten Boden und tapste ins Bad. Danach huschte ich in mein Zimmer und zog mir meine Schuluniform an. Anschließend setzte ich mich mit Mama an den gedeckten Frühstückstisch. Nachdem ich etwas gegessen hatte, schnappte ich meine Schultasche und verschwand aus der Haustür. Meistens lief ich zur Schule, doch heute beschloss ich, mit dem Fahrrad zu fahren. Ich lief in den Schuppen und zerrte es hinter ein paar staubigen Holzlatten hervor. Ich schob es auf die Straße und fuhr los. Es war Montag und die Sonne schien. Es dauerte nur kurze Zeit bis ich mein Fahrrad vor dem Schulgebäude abstellte. Ich lief auf die Türe zu, erfasste die Klinke und trat auf den Flur. Meine Augen schweiften über die Schüler, die im Flur herumstanden oder in eines der Klassenzimmer eilten, um nicht zu spät zu kommen. Ich lief auch auf meine Klassenzimmertür zu, öffnete die Türe, und als ich herein trat, sahen manche zur Tür herüber. Ich setzte mich auf meinen Platz und stellte meinen Rucksack auf den Boden. Gerade als ich den Kopf wieder hob, kam Claire zur Türe herein. Ich winkte ihr zu und erhob mich mit einem gequälten Lächeln von meinem Stuhl. Sie strahlte und kam auf mich zu, doch in diesem Moment hielt der Lehrer sie auf, der gerade in das Klassenzimmer gekommen war. Sie zuckte mit den Schultern und verzog das Gesicht. Dann huschte sie auf ihren Platz und grinste mich an. Ich konnte sie nicht leiden, aber sie war eine alte Freundin und ich kannte sie schon bevor wir eingeschult worden waren. Freundinnen, die man schon lange kennt, kann man nicht einfach die Freundschaft kündigen. Das ist nicht so einfach.

Ich versuchte, mich auf den Unterricht zu konzentrieren, doch es gelang mir nur teilweise. Ich strich gerade über die Falten meines Rockes, als eine laute Sirene des Rauchmelders uns alle aufschrecken ließ. Ich riss die Augen auf und erhob mich langsam von meinem Stuhl. Alles wurde wie in einem Traum, ich rührte mich nicht vom Fleck. Ich wäre womöglich dort stehen geblieben. Wenn nicht Claire von hinten gekommen wäre und mich in Richtung Tür geschoben hätte. Wir waren einer der ersten, die aus dem Klassenzimmer strömten, doch ich verlor Claire in den Massen meiner Mitschüler und blieb einfach stehen. Ich sah das Feuer, wie es aus dem gegenüber liegendem Gang in fünf Meter Abstand auf uns zu loderte. Es waren helle Flammen und sie züngelten die Wand hoch und leckten über den glatten Flurboden. Sie sahen aus wie lichterlohe Blätter, wie zischende Schlangen, wie flatternde Vögel. Ich starrte das Feuer an und sah es immer näher kommen. Ich sah es, doch ich konnte mich nicht rühren.

Alle rannten rechts aus dem Gebäude und ich drehte mich zu ihnen um. Ich sah sie mit müden und zugleich verschreckten Augen an. Doch dann geschah es. Damals war ich 14 Jahre alt. Ein Junge aus meiner Klasse rannte verstört und mit tränenden Augen aus dem Klassenzimmer, holte mit seinem kräftigen Arm aus und stieß mir damit versehentlich in die Rippen. Er rannte zum Ausgang, stieß die Türe auf und drehte sich nicht um. Die Türe fiel für einen kurzen Moment zu, bis sie der Nächste wieder aufstieß und sie sich für eine Weile nicht schließen würde, vor lauter Schülern, die hinausströmten. Und damit flog ich von der Wucht des Schlags rücklings in die Flammen. Ich spürte unbeschreiblichen Schmerz an meinen Fingern, im Gesicht, und meine Lunge brannte von dem scharfen Rauch. Ich hustete und krabbelte ein Stück vorwärts, lehnte meinen Kopf an die Wand und schrie gellend auf, während ich das Gesicht verzog. Der Schmerz war zu groß. Ich spürte, wie die Wärme und mit ihr die Flammen von hinten näher kamen und dann spürte ich gar nichts mehr.

Ich war einer der Letzten, die aus dem Klassenzimmer stürmten, und ich erschrak, als ich das zierliche Mädchen, zusammengerollt im Flur gegenüber, am Boden entdeckte. Ihr Gesicht war schmutzig, und eine ihrer Wangen war verbrannt. Um sie wirbelten Funken und Asche, und da zuckten ihre Hände. Ich rannte hin und hob sie auf. Ihre Haarspitzen waren verbrannt, und ich musste kurz in die Flammen fassen, um sie vom Boden aufzuheben. Ich sah kurz in ihr lebloses Gesicht und rannte zum Ausgang. Wegen des Rauches konnte ich fast nicht mehr atmen, als ich die Türe aufstieß. Wir ließen das Feuer hinter uns. Den Rauch, die Asche, die Hitze und die Funken.

Auf Wiedersehen, Noel

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