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NÅCH DA SCHREIBE – WIA DA SCHNÅBE GWÅKSN IS

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In Wien wird man durch seine Sprechweise einer bestimmten sozialen Schicht zugeordnet. Intellektuelle sprechen nåch da Schreibe, das heißt Deutsch mit österreichischer Klangfarbe. Bürger und Aufsteiger vermeiden Dialekt, um als Gɫernde zu gelten. Nostalgiker sprechen oft einen nasalen, fein geschliffenen Graf-Bobby-Dialekt, wie ihn angeblich auch der Kaiser sprach. Die sogenannte Arbeiterklasse spricht, wia da Schnåbe gwåksn is, was klaglos funktioniert, solange man unter sich ist. Gilt es aber, wo vorzusprechen oder gar einem Interviewer zu antworten, gerät der Dialektmensch in einen peinlichen Eiertanz zwischen Schnåbe und Schreibe.

Politiker haben es besonders schwer. Linke Nådɫstrāf-Proɫos, die ja oft aus bürgerlichen Familien stammen, mühen sich ab; wenn es vor Wahlen gilt, im Volk zu baden, versuchen sie mit dem charakteristischen böhmischen zu sprechen (es ist zu vermuten, dass sie zu Hause im Geheimen üben). Für den Vortragenden einer großbürgerlichen Partei hingegen ist das gelegentliche Abrutschen in den Dialekt geradezu eine Katastrophe. Der sogenannte rechte politische Flügel vermeidet Dialekt tunlichst. Man ist ja schließlich Akademiker und will keineswegs die heilige deutsche Sprache mit böhmischen, hebräischen, ungarischen und französischen Worten beschmutzen. Wer mühelos nåch da Schreibe und wia da Schnåbe gwåksn is sprechen kann, hat es in Wien ɫeiwand.

Gɫernde – Gelernte

ɫeiwand – klasse, super

nåch da Schreibe – nach der Schriftsprache

Nådɫstrāf-Proɫo – Nadelstreif-Prolet

wia da Schnåbe gwåksn is – wie der Schnabel gewachsen ist

Wienerisch für Fortgeschrittene

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