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8. Kapitel
Оглавление»Nichts. Kann ich jetzt gehen?« hatte Emma geantwortet – aber nun kamen ihr Zweifel. Stimmte das? Hatte sie dem Kommissar die Wahrheit gesagt?
Wieder saß sie neben Hollerbeck in dessen weißem Mercedes. Wieder war sie auf der Autobahn Richtung Hauptstadt und Norden unterwegs. Doch diesmal ließ sie die Landschaft kalt. Von Landschaft war auch nicht viel zu sehen, in der Dunkelheit. Auch nicht vom Meer, das sie auf der rechten Seite permanent begleitete. Emma hing Gedanken nach. Auch Hollerbeck schwieg. Ungewöhnlich genug für ihn.
»Hat Kommissar Madrigal Sie auch gefragt, ob Ihnen der Name Klaus Kaltenbrenner etwas sagt?« brach Emma schließlich das Schweigen.
»Ja.«
»Und: sagt er Ihnen was?«
»Allerdings. Ihnen etwa nicht?«
»Nein – obwohl: irgendwie kommt er mir vor, als hätte ich ihn schon mal gehört.«
»Vielleicht hat Ihre Großmutter den Namen mal erwähnt. Klaus Kaltenbrenner hat im La Palma gewohnt. Vor drei Jahren ist er spurlos verschwunden. Ich habe übrigens sein Apartment vermakelt.«
Emma war sprachlos. Sie hatte nicht nur eine Leiche gefunden. An einem Ort, an dem sie im Grunde nichts zu suchen hatte. Sie hatte ein Mordopfer entdeckt, das mit ihrer Großmutter bekannt war – denn das war ihr klar: wenn dieser Kaltenbrenner im La Palma gewohnt hat und nicht nur anonymer Eigentümer war, dann musste Oma Ilse ihn gekannt haben. Oma Ilse kannte jeden im Haus. Kam Emma deswegen der Name Kaltenbrenner so vage vertraut vor? Hatte ihre Oma ihn mal erwähnt?
»Das war eine große Sache damals. Hat Ihnen Ihre Großmutter davon nichts erzählt? Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass ein rüstiger, gesunder Rentner spurlos verschwindet. Ohne Abschiedsbrief, nichts. Und ohne Nachkommen, ohne direkte Erben. Wenn unser Toter Klaus Kaltenbrenner war, hätte wir ihn ruhig in Frieden lassen können – niemand sucht nach ihm. Aber Sie wollten ja nicht auf mich hören!«
»Ich hatte in den letzten Jahren keinen sehr intensiven Kontakt mit meiner Großmutter. Wir haben manchmal telefoniert, das war alles. Und ich muss gestehen, ich habe mich für diese La-Palma-Geschichten nie wirklich interessiert. Aber jetzt, wo Sie es erwähnen, glaube ich: Ja, sie muss davon gesprochen haben. Sie war ungewöhnlich aufgeregt damals. Ich glaube sogar, Sie hat gesagt, sie glaube an Mord. Ich hab das nicht ernst genommen damals. Ich hab‘s für Inselgeschwätz gehalten. Und der Name sagte mir nichts. Aber Klaus, ja, so könnte er geheißen haben, der Vermisste.«
»Aber dem Kommissar haben Sie gesagt, Sie kennen den Namen nicht?«
»Ja. In dem Moment sagte mir der Name auch nichts – und offengestanden – ich hatte die Nase voll. Ich wollte raus aus dem Präsidium. Nach Hause.«
»Nach Hause? Hätte ich Sie am Flughafen absetzen sollen? Daran sind wir schon vorbei.«
»Quatsch. Ich meine natürlich das La Palma.«
»Da schau her: das ist Ihnen aber schnell zum zweiten Zuhause geworden. Muss ich jetzt um meinen Deal fürchten?«
»Haben wir einen Deal? Sie haben noch nicht einmal einen Kaufpreis genannt, immer noch nicht. Vom Namen des potentiellen Käufers ganz zu schweigen.«
»120.000 Euro. Ich kann Ihnen 120.000 Euro anbieten. Glauben Sie mir: das ist ein sehr, sehr gutes Gebot. In der Regel gehen Apartments im La Palma für deutlich unter 100.000 weg.«
»Ich glaube nicht, Herr Hollerbeck, dass ich jetzt in der Stimmung bin, über Geschäfte zu reden. Außerdem hat der Kommissar angedeutet, er werde noch mal mit mir reden wollen.«
»Bestimmt wird er das. Sie haben sich ja schließlich verdächtig gemacht.«
»Verdächtig? Wieso?«
»Sie haben ihm – übrigens anders als wir auf Ihr dringendes Bitten hin vereinbart hatten – nicht die reine, die volle Wahrheit gesagt. Mit ein bisschen bösem Willen könnte man sogar sagen: Sie haben gelogen. Ganz eindeutig besteht eine Beziehung zwischen dem Mordopfer, dem Fundort und Ihnen.«
»Und Ihnen, oder vergessen Sie da was?«
»Die Vergessliche, mit allem Respekt, sind Sie. Sie scheinen zu verdrängen, dass ich nur auf Ihre Bettelei hin ins Tenogebirge gefahren bin. Sie haben mich dazu überredet. Ich wollte nicht wandern. Ich wandere nicht gern. Das weiß jeder. Sie haben mich bezirzt. Verhext.«
»Bezirzt? Verhext? Jetzt reicht es aber! Wenn wir nicht gerade auf der Autobahn wären, würde ich Sie bitten, auf der Stelle anzuhalten und mich rauszulassen, Herr Hollerbeck!«
»Das würde meinen Ruf nachhaltig schädigen. Das kann ich mir nicht erlauben. Ich setze keine jungen Damen in der freien Wildnis schutzlos aus.«
»Sie Held, Sie! Weiß Ihre Frau eigentlich, wo Sie stecken – und warum Sie immer noch nicht zuhause sind?«
»Oh ja, seien Sie unbesorgt. Ich habe mit meiner Frau telefoniert, vorhin, als Sie den Kommissar beschwindelt haben. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sie mir geglaubt hat.«
»Und was haben Sie ihr gesagt?«
»Die Wahrheit natürlich, was sonst? Heute ist doch unser Wahrheitstag. El día de la verdad. Ob das so klug war, ist eine andere Frage. Aber auch dabei haben Sie ja Ihren Willen durchgesetzt. Ich habe was gut bei Ihnen.« Hollerbeck grinste sein Walter-Matthau-Grinsen.
»Sie haben Ihrer Frau erzählt, dass Sie mit einer Kundin wandern gegangen sind, eine Leiche gefunden haben und jetzt von der Polizei verhört werden? Einfach so?«
»So ungefähr. Ich habe allerdings ein paar Details weggelassen. Die werde ich noch nachliefern müssen. Das wird schwer genug. Einstweilen habe ich meiner Frau nur berichtet, dass ich auf dem Präsidium in Adeje war, weil die Leiche von Klaus Kaltenbrenner gefunden worden ist, einem ehemaligen Kunden von mir. Also, einem Kunden wider Willen. An den Namen erinnerte sie sich. Hat ja auch viel in den Zeitungen gestanden damals.«
»An wen haben Sie denn Herrn Kaltenbrenners Apartment verkauft? Auch an eine Russin?«
»An eine Russin, in der Tat. Aber woher wollen Sie wissen, dass sich auch für Ihr Apartment eine Russin interessiert?«
»Haben Sie das nicht gesagt?«
»Bisher nicht. Aber ja: es ist eine Russin. Übrigens, bevor Sie danach fragen: Kaltenbrenner hatte das Apartment genau unter dem Ihren. 1011.«