Читать книгу "Gemeinsam wachsen" - der Elternratgeber ADHS - Armin Born - Страница 8

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Vorwort

ADHS ist das häufigste kinderpsychiatrische Krankheitsbild mit weitreichenden Konsequenzen für den weiteren Lebensweg der betroffenen Kinder und Familien. Die Kernsymptome der ADHS liegen in einer Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit, einer erhöhten Impulsivität und einer Hyperaktivität. Die Symptomatik tritt bereits sehr früh, d. h. in der Regel vor dem Eintritt in den Kindergarten auf und zeigt sich in den verschiedenen Lebensbereichen der betroffenen Kinder, d. h. sowohl in Familie, Kindergarten, Schule als auch im Umgang mit anderen Kindern. Diese Erkrankung zählt zu den häufigsten Anlässen, weshalb Kinder und Jugendliche kinder- und jugendpsychiatrisch, kinderärztlich oder schulpsychologisch vorgestellt werden. Das Störungsbild der ADHS besteht häufig fort bis ins Erwachsenenalter.

Eine gründliche Diagnostik und erfolgreiche Behandlung der ADHS setzen eine Kooperation unterschiedlicher Berufsgruppen wie die der Psychologen, Pädagogen, Ärzte und Lehrer sowie eine Zusammenarbeit mit den Eltern und ihren betroffenen Kindern und Jugendlichen voraus. Da ADHS einen chronischen Verlauf aufweist, ist eine kontinuierliche Betreuung und Behandlung oft über viele Jahre notwendig, um deren Wirksamkeit zu gewährleisten.

Grundlage einer Therapie ist in der Regel die Beratung und Aufklärung von Eltern, Kindern, Erziehern und Lehrern. Von allen darauf aufbauenden Therapieverfahren ist der Erfolg verhaltenstherapeutischer Interventionen und, soweit notwendig, einer medikamentösen Behandlung sowie deren Kombination im Rahmen einer sog. multimodalen Therapie am Besten belegt.

Im Rahmen der verhaltenstherapeutischen Maßnahmen sind es vor allen Elterntrainings, deren positive Wirkung empirisch nachgewiesen werden konnte. Diese zielen auf eine Verminderung der schwierigen Verhaltensweisen der Kinder im familiären und schulischen Rahmen einerseits und auf eine Verbesserung der Eltern-Kind-Beziehung andererseits ab. Internationale und nationale Studien (MTA-Studie, Effekt von THOP) zeigen, dass sich durch Elterntrainings Verhaltensauffälligkeiten in der Familie deutlich reduzieren lassen. Nicht nur die Kinder selber können von diesen Maßnahmen profitieren, sondern auch Eltern und Geschwisterkinder. Ebenso gibt es Belege dafür, dass verhaltenstherapeutische Interventionen in der Schule und im Kindergarten Einfluss auf die hyperkinetische, aggressive und emotionale Symptomatik haben.

Wie ist dieser Elternratgeber entstanden?

Durch die jahrelange Einzel- und vor allem familientherapeutische Arbeit an den Verhaltens-, Lern- und Leistungsproblemen von ADHS-Kindern haben wir vor 25 Jahren begonnen, das Würzburger Elterntraining zu entwickeln. Es handelt sich dabei um ein halbstandardisiertes Elterntrainingsprogramm, welches aus 14 Sitzungen aufgebaut ist und in Elterngruppen von maximal 12 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt wird. Inhaltliche Schwerpunkte sind die Verbesserung der Beziehung zwischen Eltern und Kindern, die wirksame Veränderung der Verhaltensproblematik der Kinder durch ein entsprechendes Handwerkszeug, was wir Eltern mit auf den Weg geben wollen, und die Verbesserung der Lern- und Leistungsproblematik. Dieses Elterntrainingsprogramm konnten wir bisher über 60 Mal durchführen, wobei wir immer ein hohes Engagement der Eltern erlebten. Wir hatten dabei immer den Eindruck, dass gerade die Gruppensituation, d. h. das Erleben der Eltern, nicht alleine mit ihrer Problematik zu sein, eine gute Ausgangsbasis für die Veränderungsmotivation darstellte.

Aufgrund des großen Interesses vieler Kolleginnen und Kollegen entschlossen wir uns sodann, dieses Elterntrainingsprogramm weiterzugeben. Wir gründeten ein Fortbildungsinstitut, in dem wir im Zeitraum von etwa zehn Jahren zahlreiche Wochenendseminare für ärztliche und psychologische Kolleginnen und Kollegen anboten. Auch hier erlebten wir, dass das Würzburger Elterntraining auf eine große positive Resonanz stieß und heute sicher in Kombination mit den Ideen und Erfahrungen der einzelnen Kollegen in vielen Praxen in Deutschland gewinnbringend zum Wohle der ADHS-Kinder und ihrer Eltern eingesetzt wird.

Nach langer Überlegung haben wir uns nun entschlossen, Grundzüge dieses Elterntrainings und all dem, was wir in den vergangenen Jahren darüber hinaus in den Therapien von ADHS-Kindern und ihren Familien an Erfahrung und Wissen erwerben durften, in Form eines Elternratgebers zusammenzustellen.

Wenn Eltern heute die Praxis einer Ärztin oder eines Psychologen aufsuchen, stellen wir häufig fest, dass sie sich im Laufe der letzten 20 Jahre immer mehr und präzisere Kenntnisse über die ADHS-Problematik angeeignet haben. Dennoch ist, insbesondere in unserer immer komplexer werdenden Gesellschaft mit sehr hohen Anforderungen an Eltern und Kinder, die Umsetzung des Wissens im Alltag sehr schwierig. Zu diesem Zweck sind über den Buchhandel sehr viele ADHS-Elternratgeber erhältlich. Dieser hier vorliegende Ratgeber zeichnet sich insbesondere durch das Merkmal aus, dass er auf einer über 25-jährigen Erfahrung der beiden Autoren mit zahlreichen Familien beruht und somit auch sehr viel »Expertenwissen« dieser Eltern beinhaltet. Es ist – neben unserem spezifisch eigenen Fachwissen – insbesondere dieser Erfahrungsschatz, der uns als so wertvoll erscheint, dass wir ihn in Form dieses Buches anderen betroffenen Eltern weitergeben möchten.

Wenn es bei Ihnen zu Hause in der Erziehung Ihrer Kinder gut läuft, läuft es gut. Dann haben Sie für sich schon den passenden Weg gefunden, was uns sehr freut. Gibt es auf der anderen Seite im Verhaltensbereich oder auch in der Schule Schwierigkeiten, kann Ihnen dieser Ratgeber vielleicht noch zusätzliche Anregungen bieten.

Nehmen Sie sich Zeit für dieses Buch. Lesen Sie es nicht einfach »so« durch. Versuchen Sie es durchzuarbeiten – schließlich soll Ihre Lektüre Sinn machen und Sie sollen von ihr profitieren, wenn Sie sich dafür schon etwas von Ihrer sicherlich zumeist knappen Zeit nehmen. Ihre Situation soll sich ja verbessern.

Das Hauptziel dieses Elternratgebers besteht darin, Ihnen zu helfen, in Erziehungssituationen nicht bloß zu reagieren und damit »aus dem Bauch« heraus zu handeln, sondern überlegt und vorausplanend zu erziehen. Wir möchten, dass Sie in Ihrer Erziehung erfolgreich sein können, dass Sie zufrieden werden und damit auch Entlastung und Hoffnung erleben. Die Belastung durch die augenblicklichen Probleme mit Ihren Kindern soll abnehmen und Ihre Zufriedenheit im Leben mit Ihren Kindern soll wachsen.

Eltern leben heute in einer schwierigen Zeit. Die Anforderungen unserer Gesellschaft sind sehr komplex geworden, die Zeit so schnelllebig. Insofern stehen Mütter und Väter auch unter erheblichem Druck, werden ungeduldiger und suchen schnelle Lösungen, um Probleme ihrer Kinder bzw. im Umgang mit ihren Kindern rasch in den »Griff« zu bekommen. Auf Dauer liegt der Ansatz für eine dauerhafte Lösung möglicherweise jedoch genau im Gegenteil dieser Vorgehensweise: Er liegt nicht im spontanen, schnellen Reagieren, sondern zunächst im Innehalten, im Beobachten, im Festlegen von realistischen Zielen, im Vorausplanen, in der Kommunikation mit dem Kind und schließlich in der Umsetzung der angestrebten Ziele in kleinen Schritten. Stets gilt es dabei, die Fallen, die wir uns selbst und die die Kinder uns stellen, zu erkennen, zu durchschauen und entsprechende Antworten zu finden. Ein solides Erziehungshandwerkszeug, eine große Portion Gelassenheit und Hoffnung sowie erlebte Erfolge für Eltern und Kinder bilden das Grundgerüst dessen, was wir Ihnen als Mütter und Väter für Ihren Alltag mitgeben möchten.

In dieser zweiten Auflage haben wir versucht, unsere Erfahrungen und Weiterentwicklungen seit der letzten Auflage (2011) einzuarbeiten. Erneut spiegeln die Ergänzungen wider, was sich in der Therapie und in unserer tagtäglichen Arbeit mit Eltern, aber auch mit Lehrern und Lehrerinnen bewährt hat. Aufgenommen wurden auch unsere Erfahrungen aus Fortbildungen mit Therapeutinnen und Therapeuten sowie Lehrer und Lehrerinnen.

Was ist nun konkret neu in dieser zweiten Auflage?

Im Kapitel 3 »Wie kann ich das Verhalten meines Kindes effektiv verändern?« finden Sie einmal die neue Vorlage »Konflikt mit meinem Kind – die Eskalationsspirale«. Als Instrument kann sie Ihnen helfen, eine Feinanalyse der wiederkehrenden Konfliktsituationen durchzuführen und den Interaktionsablauf auf ungünstige Verstärkermechanismen hin zu analysieren. Darauf aufbauend fällt es Ihnen vielleicht leichter, »Fallen« zu entdecken, ihnen dann rechtzeitig auszuweichen und konstruktive Lösungen zu entwickeln.

Weiterhin finden sie im Abschnitt zur Beruhigungszeit das »Vulkantraining«. Diese Ergänzung zeigt eine Möglichkeit auf, wie sie ihr Kind motivieren können, das »emotionale Runterkommen« zu üben ( Kapitel 3).

Im Kapitel 4 »Weitere hilfreiche Maßnahmen« erschien es uns wichtig, den Abschnitt »Der tägliche Kampf um den Computer und das Handy« weiter auszubauen,

a. da sich die Nutzungsdauer der Medien durch Kinder und Jugendliche in den letzten Jahren signifikant erhöht hat und

b. ADHS–Kinder in diesem Bereich besonders gefährdet sind

Deswegen ist es für Sie als Eltern umso wichtiger, angemessene Umgangsweisen mit dieser Herausforderung zu kennen. Wir haben hier versucht Bewährtes und Hilfreiches im Umgang mit dem »Bildschirm«-Konsum zusammenzustellen.

Das Kapitel »Zum passenden Umgang mit ADHS-Kindern in der Schule« haben wir erheblich erweitert. Sie finden hier als Lehrer oder Lehrerin noch mehr Hilfestellungen für Ihren Umgang mit dem ADHS–Kind (z. B. die Eskalationsspirale als Analyseinstrument sich aufschaukelnder Konflikte) und Ideen für eine bessere Kooperation mit den Eltern der ADHS-Kinder ( Kapitel 5).

Bei dieser Neuauflage wünschen wir Ihnen als Leserin oder Leser wieder einen möglichst hohen »Ertrag« und vielleicht neue Erkenntnisse beim Lesen und vor allem eine Erleichterung im sehr anstrengenden Alltag mit ADHS-Kindern.

Claudia Oehler und Armin BornWürzburg, im Juli 2020


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