Читать книгу Perry Rhodan 153: Der Tross des Kriegers (Silberband) - Arndt Ellmer - Страница 14

9. Zweikampf

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Demeter folgte der Spur des Androiden. Sie fasste das Päckchen mit Stalkers Permit fester. Eigentlich stimmte sie mit Roi Danton überein, Stalkers angeblich großzügiges Geschenk nicht zu benutzen. Da jedoch die Zukunft von rund 10.000 Vironauten auf dem Spiel stand, konnte sie gar nicht anders handeln. Demeter wusste nicht, ob das Permit überhaupt irgendeinen Eindruck auf den Heroen machen würde. Sie hoffte es, das war alles.

Der Landstrich westlich der Stadt war kein Dschungel im eigentlichen Sinn. Was in dem Bereich wirr aus dem Boden wuchs oder einfach nur dalag, gelb bis rostrot gefärbt, war mit Dornen, Zacken und scharfen Kanten bewehrt. Und es roch nach Metall.

Die Wyngerin trat an ein buschähnliches Gewächs heran, das sich spiralförmig drei Meter in die Höhe wand. Oben hatte es eine Ausflussöffnung, aus der eine graue Substanz langsam an dem Gewächs herabfloss und im Untergrund versickerte. Demeter berührte vorsichtig einen filigranen Zweig und zuckte jäh zurück, denn das Gewächs teilte elektrische Schläge aus.

Rostwildnis nannte sie das Land. Jo Polynese war offensichtlich achtlos hindurchgeschritten, jedenfalls hatte er deutliche Stiefelabdrücke hinterlassen. Kein Wunder, der Androide wog das Dreifache eines Menschen und trug keinen Mikrogravitator.

Gut eine Viertelstunde lang folgte Demeter der Fährte, dann kam eine zweite dazu. Nach ihrer Einschätzung musste sie kurz darauf ungefähr die Mitte der Rostwildnis erreicht haben, als wenige Meter neben ihr ein Speer einschlug. Demeter warf sich gedankenschnell zur Seite. Hinter einer schräg aufragenden Steinplatte, die sich wie ein Schild aus dem Boden erhob, ging sie in Deckung.

Was sie für einen Speer gehalten hatte, entpuppte sich aus der Distanz als knorriger Ast. Er steckte im Boden und ließ mit seiner Neigung die Richtung erkennen, aus der er geworfen worden war.

Demeter schlug einen Bogen und huschte geduckt weiter. Die Distanz abzuschätzen, die der Ast geflogen sein konnte, fiel ihr schwer. Hatte der Heroe versucht, sie zu treffen? Wenn ja, wie viel Kraft konnte Edym Varuson in einen Wurf legen?

Sie stand übergangslos vor einer Felswand und tastete sich daran entlang. Eines der Plateaus, die den Kampfplatz begrenzten, konnte es noch nicht sein.

Ein leises Summen hing in der Luft. Die Felswand sprang ein Stück weit zurück. Demeter sah dort wieder die Spur, die Jo hinterlassen hatte. Die Abdrücke endeten an einer düsteren Öffnung im Fels. Etwas, das eine Magnetschiene sein konnte, trat dort zu Tage, verlief ein Stück weit im Boden und verschwand nach wenigen Metern in einem abwärts führenden Stollen. Ein allem Anschein nach sechseckiger Wagen, mit einer Ladevorrichtung wie ein Haifischmaul, kam summend aus dem Stollen und glitt weiter, verschwand in der Felswand.

Die Verwaltung des Raumhafens hatte nach der Landung der BOSCYK einen groben Datenüberblick für Lemparr zur Verfügung gestellt. Demeter brauchte nicht lange in ihrer Erinnerung zu suchen. Sie befand sich im Bereich eines der halb automatischen Bergwerke.

Zweifellos kannte Varuson das Gelände. Demnach würde es ihm leichtfallen, Jo ohne Hilfsmittel zu besiegen.

Der Androide tat Demeter leid. Sie hatte nicht vor, ihn einem unerbittlichen Schicksal zu überlassen. Ohnehin würde sich das Blatt für die Vironauten nur ändern, wenn Varuson im Zweikampf unterlag. Genau der Gedanke machte Demeter zu schaffen. Sehr sogar.

Sie lief zu der Höhlenöffnung und spähte hinein. Düsternis herrschte. Der rote Staub um die Schiene herum ließ erkennen, dass jemand da entlanggelaufen war.

Demeter betrat den Stollen. Von weit voraus erklang ein Poltern, und sie duckte sich, weil sie einen Schatten wahrnahm. Ein Stein flog an ihr vorbei und fiel wenige Meter hinter ihr auf den Boden. Sie erkannte gleichzeitig die massige Gestalt, die keine 20 Schritte entfernt durch einen jäh aufleuchtenden Lichtkegel glitt und wieder in der Dämmerung verschwand.

»Jo!«, rief sie, alle Vorsicht vergessend. Sie nahm an, dass er den Felsbrocken geworfen hatte.

Der Androide erkannte sie ohne Zweifel an der Stimme. »Verschwinde von hier, Demeter. Ich brauche keinen Aufpasser, um den ich mich auch noch kümmern muss. Ich werde allein mit dem Angeber fertig!«

»Du irrst dich, Jo!«

Etwas rumpelte. Schwere Schritte entfernten sich und verstummten.

Demeter lächelte leicht. Sie verstand die Taktik des Androiden. Er imitierte den Meisterschüler in gewisser Weise und gab Varuson damit eine Nuss zu knacken. Der Heroe sollte verunsichert werden.

Demeter bog in einen Seitenstollen ab, und nach kurzer Zeit stieß sie erneut auf Stiefelabdrücke des Androiden. »Jo!«, rief sie. »Du musst deine Spuren verwischen!«

Ein Rumpeln vom Ausgang her war die Antwort. Und von irgendwo aus der Höhe flüsterte es kaum hörbar: »Danke, Demeter, daran haben wir nicht gedacht. Aber nun verschwinde! Varuson ist angekommen!«

Jo ist schizophren, erkannte Demeter. Er spricht von sich schon in der Mehrzahl.

Edym Varuson verließ sein Kleinraumschiff in aller Ruhe. Er trug unverändert die Kombination mit der weißen Schärpe. Seine Bewegungen wirkten eckig und entschlossen. Er lief in die Richtung, in die sich vor ihm schon Jo Polynese und Demeter gewandt hatten.

»Er achtet nicht auf uns, Roi«, stellte das Virenschiff fest. »Und er verhält sich aggressiv. Seht ihr das Loch, das er in den Bodenbelag am Rand des Landefelds geschlagen hat? Mit bloßen Fäusten.«

»Mir schwant Übles«, sagte Danton. »Wir schleusen aus!« Er nickte dem neben ihm sitzenden, fast drei Meter großen Rubiner zu, und Alabrista schlug sich mit den Fäusten gegen die Brust.

Die Rubiner stammten von einer Welt, deren Bodenschätze ihnen einen erklecklichen Reichtum eingebracht hatten. Vor eineinhalb Jahrtausenden noch im Steinzeitalter, hatten sie sich mittlerweile dem galaktischen Standard angepasst. Eine gewisse Rauheit war vielen Rubinern, die entfernt terranischen Kängurus ähnelten, jedoch geblieben.

»Warum Jo?«, knurrte Alabrista. »Warum überlässt du diese Aufgabe nicht mir?«

»Jo ist der richtige Mann«, antwortete Danton. »Wenn der Meisterschüler nur einen Bruchteil der extremen Körperbeherrschung besitzt, die ich bei Stalker erlebt habe, dann wird er jeden Vironauten außer Gefecht setzen, sofern dieser nicht gerade mit einer Transformkanone auf ihn schießt. Außerdem hat Jo diesen Kampf provoziert.«

Das kleine Beiboot verließ die LOVELY BOSCYK. Es stieg nicht höher als 100 Meter auf und folgte dem Meisterschüler. Edym Varuson war ohne Zweifel ein Kraftpaket. Wenn es tatsächlich schlimm kam, dann verstand er zu kämpfen wie Sotho Tal Ker. Auf jeden Fall war er in seiner Ehre gekränkt und suchte Genugtuung.

Roi Danton dachte an sein eigenes historisch zu nennendes Degenduell mit Atlan zurück. Viel war seitdem geschehen. »Jo«, murmelte er. »Ich hoffe für dich.«

Edym Varuson war da. Demeter spürte ihn, obwohl der Meisterschüler sich lautlos bewegte. Er kam den Seitenstollen entlang und hatte offenbar keine Mühe, sich zu orientieren.

»Du bist hier, Vironaut!«, rief Varuson. »Ich nehme dich wahr, ganz in der Nähe.«

Die Wyngerin hielt den Atem an. Sie hatte sich in eine Felsnische gezwängt und hoffte, dass der Meisterschüler zwischen sie und den Androiden geriet. An zwei Fronten kämpfen zu müssen war immer schwieriger, als nur einen Gegner zu haben.

Demeter wartete einige Minuten, dann glitt sie in den Stollen zurück. Varuson war nicht zu sehen, allerdings drang wenige Meter vor ihr aus einer der tiefer liegenden Etage Poltern und Fluchen herauf. Das war unverkennbar Jo.

Demeter sah sich hastig um. Sie entdeckte eine abwärts führende Behelfstreppe – und gleich darauf einen Schatten, der entlang des Führungsgestänges an den Seitenwangen nach unten rutschte. Das konnte nur der Meisterschüler sein.

Wieder wartete die Wyngerin, ehe sie sich abwärts tastete. Die nächste Sohle der Grube lag an die 20 Meter tiefer. Vier Stollen zweigten dort ab; im trüben Schimmer düsterer Notlampen war nicht viel mehr zu erkennen. Demeter suchte nach Spuren. Was sie fand, waren einige Dutzend kleine, runde Eindrücke. Sie stammten höchstwahrscheinlich von Varusons Tentakeln, führten jedoch in zwei Richtungen. War der Meisterschüler umgekehrt und hatte dann den anderen Weg gewählt?

Demeter folgte der einfachen Spur, die in einen kleinen Stollen führte. Feuchtigkeit schlug ihr entgegen. An den Wänden rann Wasser herab, es roch intensiv nach Moder und Fäulnis. Schon nach wenigen Metern lauerte Finsternis, die der fahle Schimmer vom Stollenmund her nicht durchdringen konnte.

Demeter bewegte sich äußerst vorsichtig. Sie hatte bewusst auf den Schutz eines SERUNS verzichtet, um den angeblich unbewaffnet kämpfenden Meisterschüler nicht erneut zu provozieren.

Ihr Empfinden einer nahen Bedrohung wuchs. In der Schwärze, die sie umfing, tastete sie sich nur noch voran. Sie gewann den Eindruck, dass der Stollen blind endete, und wandte sich um, Gleichzeitig bewegte sich ein Stück der glitschigen Felswand. Ein Schemen schnellte auf die Wyngerin zu. Demeter erhielt einen kräftigen Hieb, der sie zu Boden warf. Ein Tentakel schlang sich um ihren Oberkörper und presste ihr die Luft aus den Lungen. Ein zweiter Schlag traf ihren rechten Arm; das Päckchen mit dem Permit wurde ihr entrissen und davongewirbelt.

Etwas knisterte, und der Meisterschüler wich lautlos zurück. Gleichzeitig brach die Seitenwand im Eingangsbereich des Stollens ein. Der letzte vage Schimmer von dort wich absoluter Finsternis.

Demeter richtete sich ächzend auf und betastete ihren Körper. Varuson hatte ihr nichts gebrochen, sie hatte lediglich Blutergüsse und Prellungen davontragen. Aber das Permit war verloren. Demeter fand es nicht. Vielleicht war es aus dem Stollen gewirbelt worden. Im schlimmsten Fall lag es unter dem Geröll begraben.

Ihr war klar, dass sie sich schnell befreien musste. Varuson schien genau gewusst haben, wo sie sich aufhielt. Zu jedem Zeitpunkt. Er hatte sie als Gegnerin ausgeschaltet und stand Polynese nun Mann gegen Mann gegenüber.

Demeter fing an, das kleinere Geröll wegzuräumen, doch von der Decke brach neues Material nach. Sie war gezwungen, bis ans Ende des Stollens zurückweichen.

Jo hatte sich an einem Stahlseil in die Tiefe gleiten lassen, lag auf einem Podest und wartete darauf, dass der Meisterschüler ihn aufspürte. Den geeigneten Platz hatte der Androide minutenlang gesucht. Das Podest konnte nur von einer Seite eingesehen und betreten werden. Darüber verlief ein Kamin, den ein Metallgitter verschloss. Für Ckatoner gab es da kein Durchkommen, während der schlanke Körper des Androiden gerade noch durch die Gittermaschen passte.

Varuson kam. Er schnellte aus der Stollenmündung, und Jo löste den Kombistrahler aus. Ein gleißender Energieschuss stach schräg nach unten, traf aber nicht. Der Meisterschüler hatte sich gedankenschnell unter dem Podest in Sicherheit gebracht.

»Komm heraus und stell dich zum Kampf!«, dröhnte der Androide. »Oder soll ich dich holen?«

Jo schob sich ein Stück weit vor und richtete die Waffe abwärts. Er schaltete auf Dauerfeuer und schmolz den unteren Teil des Podests weg. Hitze breitete sich aus, aber Varuson rührte sich nicht.

»Er macht etwas da unten«, erkannte Luzian Bidpott und gab dem Androiden neue Überlegungen ein. Jo schaltete die Waffe ab. Irgendwo unterhalb des Podests knirschte und krachte es. Der Androide stieg in den Kamin ein und zog sich zum Gitter hinauf. Er schob sich hindurch und hielt sich fest. Keine Sekunde zu früh, denn unter ihm brach das Podest auseinander. Trümmerbrocken polterten gegen den Kamin, ohne Jo zu treffen.

»Pech gehabt!«, spottete er.

»Deine Hochmut wird nicht von Dauer sein«, entgegnete der Meisterschüler. »Ich habe deine Begleitung bereits festgesetzt. Rechne also nicht mit Beistand.«

Jo interpretierte die folgenden Geräusche so, dass Varuson sich entfernte. Er selbst turnte an den im Kamin eingelassenen Metallbügeln empor in den nächsthöheren Stollen und orientierte sich hastig. Geduckt eilte er zu einer Leiter, die weiter aufwärts führte.

Von rechts flog etwas auf ihn zu. Die beiden Siganesen, die durch Jos Augen sahen, ließen den Körper ausweichen. Zu spät erkannten sie, dass sie auf ein Ablenkungsmanöver hereingefallen waren. Varuson kam von der anderen Seite und riss seinem Gegner die Beine unter dem Körper weg.

Jo Polynese reagierte instinktiv. Er rollte sich ab und kam sofort wieder auf die Beine. Sein Adrenalinspiegel stieg sprunghaft an, denn ein Tentakel des Meisterschülers umklammerte den Strahler. Jo brachte es gerade noch fertig, das Energiemagazin herauszuziehen, bevor der Heroe ihm die Waffe entriss. Für Varuson kein Vorteil. Jo hielt da schon eine Leuchtbombe in der anderen Hand und zündete sie. Die Lichtfülle explodierte zusammen mit dem Energiemagazin. Jo schloss die Augen gerade noch rechtzeitig.

In der nächsten Sekunde öffnete er die Lider schon wieder, aber Varuson war nicht mehr vor ihm. Jo brauchte einen winzigen Sekundenbruchteil zu lang, bis er erkannte, dass der Ckatoner sich exakt hinter ihm befand. Brüllend wirbelte der Androide herum.

Ein gespenstischer Kampf begann. Jo Polynese, der es durchaus mit zehn ausgewachsenen Terranern aufnehmen konnte, stand gegen den Heroen einer Upanishad-Schule, dessen antrainierte Fähigkeiten ihm nach wie vor unbekannt waren.

Varuson machte einen Ausfall nach links. Im Dämmerlicht wirkte die Bewegung langsamer, als sie tatsächlich war. Gleichzeitig nutzte der Heroe die Drehung seines Körperschattens aus und peitschte drei Tentakel nach rechts. Jo Polynese wurde von der Wucht der Hiebe erneut zu Boden geschleudert und prallte gegen die Felswand. Dennoch führte er mit der stahlverstärkten Rechten einen Befreiungsschlag gegen den Meisterschüler. Jo traf einen der Tentakel, konnte aber nicht einmal einschätzen, ob er den Ckatoner irgendwie verletzt hatte.

Wieder griff der Meisterschüler an. Er schnellte sich mit allen Tentakeln in die Luft und fiel wie eine Spinne auf den Androiden herab. Jo fing ihn geschickt auf, und während Varuson ihn mit einer nicht ganz perfekten Umarmung einschnürte, knotete er zwei der Tentakel zusammen. Varuson ächzte, hielt seinen Gegner aber weiterhin am Hals gepackt und schlug zudem auf ihn ein.

Die wuchtigen Hiebe hätten wohl die Entscheidung gebracht, wäre Jo nicht abrupt weggetaucht. Er streckte die Arme aus, zog den Kopf ein und drehte sich unter dem borstigen Sackkörper des Ckatoners weg. Varuson hatte seine verknoteten Tentakel schon wieder gelöst und fuhr herum.

»So leicht mache ich es dir nicht«, zischte Jo.

Edym Varuson knurrte. »Du bist ein Kunstgeschöpf! In dir streiten sich zwei Geister.«

Jo Polynese zuckte zwar zusammen, aber er verstand nicht, was der Meisterschüler meinte.

Für Susa Ail und Luzian Bidpott ging es um viel. Jo kämpfte wie der Teufel, doch Varusons Bewegungen wurden permanent schneller. Seit er erkannt hatte, dass der Gorim ein künstliches Geschöpf war, stellte sich der Meisterschüler auf die neuen Gegebenheiten ein. Luzian blieb keine andere Wahl, als den Adrenalinspiegel weiter künstlich anzuheben, ohne Rücksicht auf die Gesundheit des Androiden. Jo wusste ohnehin bereits, dass er um sein Leben kämpfte.

Varusons Attacken kamen härter. Jo Polynese wälzte sich über den Boden, um den gefährlichsten Tentakelhieben zu entkommen. Immer wieder gelang es ihm, sich etwas Luft zu verschaffen. Der Meisterschüler steigerte sich indes in eine Art Kampfrausch.

Ein Hagel aus Schlägen prasselte auf den Androiden ein. Jo hebelte den Angreifer herum und schleuderte ihn gegen die Felswand. Der Heroe schnellte zurück und setzte einen Würgegriff an. In der Abwehr gleich mehrerer Tentakel kugelte Jos linker Arm aus und hing plötzlich schlaff herab. Jo wich zurück. Aber dort, wo er hereingekommen war, versperrte unerwartet ein massives Gitter den Weg. Ihm blieb kein Ausweg, und eigentlich überraschte es Jo selbst, dass er innehielt, statt bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Er streckte den rechten Arm zur Seite.

»Ich ergebe mich«, hörte sich der Androide sagen, ohne dass er überhaupt begriff, warum er das tat. »Entscheide über mein Schicksal, Meisterschüler, ich gehöre dir.«

»Es gibt keine Kapitulation«, fauchte der Ckatoner. »Kämpfe, Gorim! Oder stirb als Verachteter.«

Edym Varuson richtete sich steil auf und hob mehrere Tentakel zum tödlichen Schlag.

»Halt!«, befahl eine laute Stimme.

Es war Roi Danton, der sich in der Sekunde nur wenige Meter hinter dem Heroen bemerkbar machte.

Neben dem Terraner betrat ein Rubiner den Kampfplatz. Danton trug das Päckchen mit dem Permit. Er packte es aus, und ehe Varuson reagierte, streifte Roi sich den fingerlosen Metallhandschuh über die Linke und hob den Arm.

Edym Varuson erstarrte, dann wich er langsam zurück.

»Beendet den Kampf!«, verlangte Danton. »Er ist unwürdig und sinnlos.«

»Der Kampf ist beendet«, bestätigte Varuson. »Befiehl, Träger der Faust des Kriegers. Ich werde tun, was du von mir verlangst. Es ist eine Ehre für mich, von dir gerufen zu werden.«

Eine halbe Stunde hatten sie benötigt, um Demeter zu befreien. Der Meisterschüler hatte Jo Polyneses Schultergelenk wieder eingerenkt, danach hatten sie gemeinsam das Geröll des halb eingestürzten blinden Stollens zur Seite geräumt und Demeter befreit.

Die Vironauten kehrten zur LOVELY BOSCYK zurück. Edym Varuson begleitete sie. Er wandte den Blick kaum mehr von Danton ab, der weiterhin das Permit trug.

Schließlich bat der Ckatoner um die Erlaubnis, sich entfernen zu dürfen. Er wollte mit den Bewohnern Lemparrs reden und sie über seinen Irrtum aufklären. Bald darauf verschwanden alle Uniformierten aus dem Bereich des Raumhafens. Alle Gleiter und Raumschiffe im Umkreis, die eine Flucht der LOVELY BOSCYK hätten verhindern sollen, entfernten sich ebenfalls.

An Bord wurden Roi Danton und Demeter als Sieger empfangen. Die Erleichterung der Vironauten war unübersehbar.

Um Jo Polynese machten alle einen großen Bogen. Nur Demeter blieb wie ein Schatten neben ihm. Erst als sich alle Entscheidungsträger in der Zentrale eingefunden hatten, wandte sie sich an den Androiden.

»War das alles nötig?«

»Ich weiß nicht«, erwiderte Polynese unsicher. »Ich hatte nicht die Absicht, Varuson zu beleidigen. Ich entsinne mich gut, was geschehen ist und was ich gesagt habe. Nur entspricht es nicht meinen Empfindungen. Ich muss verrückt geworden sein.«

»Also wird es Zeit, dass dich das Virenschiff und einer der Kybernetiker untersuchen«, stellte Danton fest. »Bist du bereit dazu?«

»Selbstverständlich bin ich das. Ich habe selbst das größte Interesse ...« Jo Polynese verstummte mitten im Satz. Etwas ging mit ihm vor, das war ihm anzusehen. »Das wird nicht nötig sein«, sagte er mit hörbar veränderter Stimme. »Warum sollen wir erst auf die Untersuchung und ihre Ergebnisse warten? Es ist nun einmal geschehen. Selbst wenn unser Geheimnis nicht gleich auffliegt, werden wir zweifellos unter ständiger Beobachtung stehen.«

»Und Jo wüsste nicht, was das alles mit ihm macht«, erklang plötzlich eine Frauenstimme. »Er täte mir unendlich leid.«

Roi Danton baute sich vor Polynese auf. Die Arme verschränkt, blickte er den Androiden herausfordernd an. »Du bist nicht schizophren, Jo, auch wenn du mehrfach den Eindruck erweckt hast«, stellte er fest. »Was ist los?«

»Drei Seelen wohnen in seiner Brust«, kam die Antwort. »Seine eigene und zwei grünhäutige! Und um es gleich zu sagen: Wir sind Hanse-Spezialisten.«

Jo Polynese schien mit einem Mal Atemprobleme zu haben. Er riss die Augen in ungläubigem Erstaunen auf und gleich darauf den Mund.

Genau erkannte es keiner der Umstehenden, doch die beiden weniger als eine Handspanne messenden Siganesen, die plötzlich in gebückter Haltung sichtbar wurden, waren soeben aus der Luftröhre des Androiden gekommen. So wie Menschen aus einem Antigravschacht.

Roi Danton griff nach den beiden Hanse-Spezialisten und hielt sie sich auf der flachen Hand nahe vor die Augen. Er musterte sie eindringlich. »Kosmische Hanse hin oder her«, sagte er. »Jo ist keine Marionette, die irgendwer lenken kann, wie es ihm oder seinen Auftraggebern beliebt. Ihr beide haltet euch ab sofort an unsere Regeln. Die Hanse hat hier nichts zu melden, gar nichts. Das zuerst. Die Einzelheiten eures Verhaltens klären wir später.«

Susa Ail und Luzian Bidpott willigten ein. Sie hatten einen Versuch gewagt und waren gescheitert. In ihrem Eifer, eher sogar in ihrer Euphorie, Neuland zu finden, waren sie weit über ihre Grenzen hinausgeschossen.

Die Vironauten wurden abgelenkt, weil Edym Varuson kam. Hinter ihm folgten, wenn auch noch zögernd, die ersten Ckatoner. Zweifellos wollten sie die Faust des Kriegers mit eigenen Augen sehen. Roi Danton dachte nicht daran, sich das Permit nur deshalb überzustreifen, das wäre ihm mittlerweile wie ein Frevel erschienen. Er wollte die Zentrale verlassen, um den Heroen ins Schiff zu bitten, da klang ein Alarmsignal auf.

Roi Dantons Blick sprang kurz zu den Leuchtziffern der Datumsanzeige. Es war der 5. Mai 429 NGZ, 11 Uhr terranische Standardzeit.

»Wir empfangen einen Notruf!«, meldete das Schiff. Zugleich projizierte die Virenintelligenz Positionsangaben und ließ dazu die akustischen Fragmente hören.

»... alle Vironauten. Zweiter Planet ... manövrierunfähig abst... acht Plane... Pulsierende Sonne Cepor ... kener ...«

»Die Störungen sind extrem und können nicht ausgefiltert werden. Der Hinweis auf eine pulsierende Sonne lässt auf die Ursache schließen«, fügte das Schiff hinzu. »Der Notruf kam zweifelsfrei von der LASHAT.«

Auf einmal war vieles anders. Roi Danton hatte nicht die Absicht, auch nur eine Minute länger als unbedingt nötig auf der Außenwelt Lemparr zu bleiben. In aller Eile leitete er den Aufbruch ein.

Demeter holte inzwischen den Meisterschüler an Bord.

Edym Varuson näherte sich dem Terraner mit allen Anzeichen der Hochachtung und Unterwürfigkeit. »Ich bitte dich noch einmal um Verzeihung«, sagte er. »Rechne es meiner Jugend zu, dass ich dich nicht eher als Träger der Faust erkannte. Es wäre mir eine Erleichterung, wenn du mich als deinen Gefolgsmann akzeptierst. Ich möchte dich begleiten!«

Danton nickte zögernd. Er war sich der Problematik des Permits bewusst. Vor allem wollte er nicht, dass ein intelligentes Wesen ihm so unterwürfig folgte. Andererseits wusste er viel zu wenig über Erendyra und den Kodex des Ewigen Kriegers, um alles richtig beurteilen zu können.

»Ich weiß nicht, ob es der richtige Zeitpunkt ist«, sagte Danton. »Wir haben einen Notruf aufgefangen und müssen Freunden zu Hilfe eilen.«

»Freunden in Bedrängnis zu helfen, ist ehrenhaft«, bestätigte der Heroe. »Das entspricht dem Kodex eines Meisterschülers.«

Varuson stutzte. Er wandte sich dem Holo zu, das die Virenintelligenz projizierte. Es handelte sich um die Hochrechnung der Koordinaten, von denen der Notruf ausgegangen war.

Varusons Tentakel versteiften sich. »Ich habe selbst ein Ziel, das ich anfliegen wollte, um mich dem Tross des Kriegers Kalmer anzuschließen«, sagte er. »Der Tross sammelt sich im System der Sonne Cepor. Das hier«, mit einer Tentakelspitze deutete er auf die eingeblendete Markierung, »scheint nicht sehr weit entfernt zu sein. Umso besser wird es sein, dich zu begleiten, Träger der Faust.«

»Ich bin einverstanden, Edym Varuson«, sagte Roi Danton. »Du kannst deine ETTENA in einen Hangar einschleusen. Unser Schiff selbst wird dir einen Platz zuweisen.«

Demeter hatte sich in der Zwischenzeit um den Androiden gekümmert. Jo kauerte wie ein Häufchen Elend in einem Sessel.

»Ich spürte schon seit einiger Zeit, dass mit mir nicht alles so war, wie es hätte sein sollen«, flüsterte er, dass nur die Wyngerin ihn verstand. »Manchmal fühlte ich mich binnen kürzester Zeit geradezu gegensätzlich. Und dann erinnerte mich wieder nicht an Dinge, die ich eigentlich hätte tun sollen und wusste nicht, was ich tatsächlich getan hatte. Endlich ist mir klar, dass diese Winzlinge das verursacht haben.« Jo bog die Finger zu Krallen und kratzte sich damit über den Oberkörper, als wolle er sich die Haut und das Fleisch darunter aufreißen.

»Du bist stark und wirst den Schock bald überwunden haben«, sagte Demeter. »Du hättest den Heroen Varuson fast besiegt. Nun besiege dich selbst!«

Jo stöhnte unterdrückt. Er verschränkte die Hände ineinander. Seufzend atmete er ein. »Ich war ein glücklicher Androide und auf meine Tugenden stolz. Trotzdem musste ich erkennen, dass ich eher ein Monstrum bin, ein Cyborg. Ich kann mich nicht so schnell beruhigen, wie du es von mir erwartest. Ich bin kein Androide, sondern etwas anderes, Furchtbares.«

»Nein, Jo, das bist du nicht!« Demeters Stimme wurde eindringlich. »Du bist kein Wesen, das von einer Maschine gelenkt wird. Du denkst eigenständig und fühlst wie ein Mensch. Und die Cyborg-Komponente in deinem Magen – sie lässt sich operativ entfernen, wenn du das willst. Bis dahin wird sie dich so gut wie nicht stören. Hörst du, sie darf dich nicht stören!«

Jo Polynese nickte. Er erhob sich, stand aber merklich unsicher auf den Beinen. »Mag sein«, sagte er und schaute nachdenklich zu Roi Danton und dem Heroen hinüber.

»Wir starten in Kürze!«, sagte Danton in dem Moment. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.«

Perry Rhodan 153: Der Tross des Kriegers (Silberband)

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