Читать книгу Perry Rhodan 153: Der Tross des Kriegers (Silberband) - Arndt Ellmer - Страница 9

4. Verwirrende Signale

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»Es reagiert niemand auf meine Kontaktversuche«, teilte das Virenbewusstsein der LASHAT mit und fügte hinzu: »Die verwirrenden Signale kommen eindeutig von diesem Objekt.« Die Vishna-Stimme betonte das letzte Wort so merkwürdig, dass Ronald Tekener stutzte.

»Was willst du damit andeuten?«, fragte er.

»Nach meiner Einschätzung haben wir es mit einem Wrack zu tun«, antwortete das Schiff. »Damit verstärkt sich die Annahme eines Notrufs – der soeben jedoch eingestellt wurde.«

Die LASHAT hatte sich dem unbekannten Raumschiff bis auf knapp zehn Lichtminuten angenähert. Es gab bislang keine Reaktion darauf, es sei denn, das Ende der eigenartigen Signale wäre so zu werten gewesen.

Der Smiler reagierte vorsichtig. In einem ihm unbekannten Raumsektor musste er jederzeit mit unliebsamen Überraschungen rechnen. Der vermeintliche Notruf konnte durchaus eine Falle sein.

»Distanz halten!«, verlangte er.

Die Messwerte zeigten nichts Auffälliges. Ronald Tekener hatte für die Überwachung Dreierteams im Schichtdienst eingeteilt. Der ehemalige Sturmreiter Pancar Vasares, der sich mithilfe des Virotrons, einer Art SERT-Haube, in eine Quasi-Symbiose mit dem Schiff begeben konnte, zählte nicht dazu. Ebenso wenig Tekener selbst und seine Frau Jennifer. Momentan war Pancars Platz verwaist. Allerdings würde der dunkelhäutige Terraner sehr schnell zur Stelle sein, falls das nötig wurde.

Aktuell hatten die Zwillinge Yuti und Laka a Trento Zentraledienst. Die beiden Frauen, untersetzt und um die 50, bezeichneten sich wegen ihrer Heimat Mars viel öfter als Marsianerinnen denn als Vironauten oder Galaktiker. Yuti agierte als Protokollarin. Ihr stand dafür eine vom Schiff unabhängige Positronik zur Verfügung. Laka hingegen hatte sich der internen Absicherung verschrieben. Sie hielt Kontakt zu allen Sektionen der LASHAT, ebenso zu den großen Beibooten PROSPEKTOR 1 und 2.

Der dritte Vironaut der diensthabenden Schicht war Falco Hoelzel. Erst 22 Jahre alt, galt der schlanke Terraner an Bord gemeinhin als Spaßvogel. Tekener bezeichnete Hoelzels Funktion schlicht als »Freier Mann«.

»Wenn in dem fremden Schiff tatsächlich jemand einen Notruf gesendet hat, dann lassen wir ihn momentan bös im Stich«, sagte Pathythia Baal unvermittelt. »Ich meine, wir sollten die Vorsicht nicht auf die Spitze treiben, sondern uns von Menschlichkeit leiten lassen. Jennifer, du bist für die Beiboote zuständig. Ich denke, du bist einverstanden, wenn ich mit der PROSPEKTOR 2 die kurze Distanz fliege. Ich bin als Mentorin geschult. Vielleicht kann ich jemanden retten und als Freund für uns gewinnen.«

Ronald Tekener zeigte Path ganz unverhohlen einen Vogel. »Das Risiko gehst du nicht ein!«, widersprach er. »Wenn schon, dann jemand mit Erfahrung ...« Er fasste sich unvermittelt an den Kopf, weil sich dort etwas bewegte. Als er die Hand ebenso hastig zurückzog, saß ein blauer Wellensittich darauf.

»Es scheint sich um deinen Vogel zu handeln, Tek«, bemerkte Pathythia kess.

Der Aktivatorträger wollte mit der linken Hand zugreifen, aber der Vogel flatterte auf und ließ ein gelbliches Tröpfchen fallen. Es landete zielsicher auf der Stirn des Smilers. Falco Hoelzel stieß ein gackerndes Lachen aus.

»Was soll der Unsinn?«, schimpfte Tekener. »Wer hat den Vogel in die Zentrale gelassen? Wo kommt er überhaupt her?«

»Er ist aus dem Nichts erschienen!«, antwortete das Schiff.

Für den Smiler war das der entscheidende Hinweis. Er wandte sich wieder Pathythia Baal zu. »Du mit deinem Psi-Firlefanz, lass den Unsinn!«

Jennifer Thyron hob beschwichtigend beide Hände. »Path wollte dir nur beweisen, dass sie in der Lage ist, selbstständig eine Aufgabe zu übernehmen. Und ich denke, dass ihr die Übernahme von Verantwortung guttun wird. Was kann schon passieren, wenn sie die PROSPEKTOR 2 probeweise als Mentorin übernimmt? Wir sind in der Nähe.«

Das Anti-Mädchen hakte sich bei Jennifer unter und blickte Tek herausfordernd an. Der Smiler zögerte, weil Falco ihm ein Tuch reichte, mit dem er den Vogelschiss auf seiner Stirn entfernen konnte.

»Das sieht sehr nach einem abgekarteten Spiel aus«, zürnte Tekener. »Damit kriegt ihr mich nicht herum.«

»Es ist nicht nur ein abgekartetes Spiel, sondern eine absolut notwendige und längst beschlossene Sache«, gab die Xenopsychologin Jennifer offen zu.

Tekener holte tief Luft. »Wer ist eigentlich der Kommandant?«, fragte er.

»Im Moment bin ich das – ganz offiziell sogar«, gab seine Frau zurück. »Du hast Freischicht. Also Beeilung, Path! Wir stellen die Mannschaft für die PROSPEKTOR 2 zusammen.«

Pathythia deutete auf Hoelzel. »Falco ist dabei. Mir gefällt sein Lachen.«

Ronald Tekener schüttelte den Kopf und winkte ab. Das Realholo des Wellensittichs, von der jungen Anti mit ihrer psionischen Kraft erzeugt, hatte sich schon wieder aufgelöst.

Das Virenschiff LASHAT war 194 Meter lang, maß maximal 150 Meter in der Breite und war nicht höher als 43 Meter. In seiner Form ähnelte es einer schräg stehenden überdimensionierten Schalteinheit mit einer Vielzahl unterschiedlicher Aufbauten. Das Heck präsentierte sich stumpf, mit tankartigen Aufsätzen. Dort war an der rechten Seite die PROSPEKTOR 1 verankert. Das Beiboot wirkte wie ein integraler Bestandteil des Virenschiffs. Alle weiteren Boote hatten ihren Liegeplatz auf der linken Seite oder standen in einem Hangar. Unterhalb des Hangars fügte sich die PROSPEKTOR 2 ein.

Pathythia Baal stand mit Jennifer Thyron und Falco Hoelzel in der Zentrale an der Stirnseite des großen Beiboots.

»Du hast hier eine eigenständige Vi-Stimme«, erinnerte die Xenopsychologin das Anti-Mädchen.

»Ich weiß.« Die Sechzehnjährige lächelte verlegen.

»Und du hast sechzehn Helfer an Bord, die dich unterstützen – mich brauchst du nicht«, redete Jennifer Thyron weiter. »Ich lasse euch freie Hand. Meine Tests mit dir haben eindeutig ergeben, dass du als Mentorin sehr gut geeignet bist. Das ist alles, was ich dir vor deiner ersten Aufgabe noch sagen wollte.«

Pathythia reagierte mit einer zustimmenden, wenn auch ein wenig zögerlichen Geste, dann nahm sie Kontakt zum Beiboot auf. Wie auf der LASHAT war auch hier die weiche, dunkle Vishna-Stimme allgegenwärtig.

»Ich nenne dich Vi-Zwei«, sagte Pathythia. »Abkoppeln, sobald Jennifer das Boot verlassen hat! Kurs auf das fremde Raumschiff und Enerpsi-Flug bis auf eine Distanz von fünf Kilometern. Holoprojektion permanent mit dem Mutterschiff teilen!«

»Das ist nicht möglich«, entgegnete Vi-Zwei. »Wir haben keine materielle Verbindung mehr zur LASHAT.«

Path war sekundenlang irritiert, dann erkannte sie ihren Fehler. »Ich meine Kontakt über Psi-Kom«, korrigierte sie rasch.

»Ich kümmere mich um die Ortung«, bot Falco Hoelzel an.

Das Beiboot näherte sich bereits dem seltsamen fremden Objekt. Während Path durch das Sichtfenster beobachtete, wählte der Vironaut aus der Fülle der Messwerte die sensibelsten aus. Vi-Zwei projizierte die entsprechenden Holos mitten im Raum.

»Ich erkenne eine Bewegung im Mittelteil des Wracks«, kommentierte Hoelzel. »Jemand oder Etwas klettert durch das Gestänge.«

»Näher ran!«, verlangte Pathythia.

Vi-Zwei kam dem Wunsch umgehend nach. Path entdeckte eine Gestalt mit sechs Extremitäten. In einem seltsam aussehenden Raumanzug kletterte dieses Wesen spinnengleich durch das Metallskelett des Raumschiffs.

»Was ist das für ein komischer Bursche?«, platzte das Anti-Mädchen heraus.

»Schwache Funksignale!«, meldete Vi-Zwei. »Kaum verständlich, aber sie kommen eindeutig von dem Fremden. Sein Energievorrat scheint erschöpft zu sein.«

»Kannst du etwas verstehen?«

»Ich brauche ein größeres Vokabular«, bedauerte das Schiff.

»Setz dich mit der LASHAT-Vi in Verbindung! Sie hat verstümmelte Funksprüche aufgenommen, die von der Spinne in dem Stahlnetz stammen könnten.«

»Spinne?«, fragte Vi-Zwei, ohne Pathythias Aufforderung zu bestätigen.

»Mach schon!«, drängte Path. »Und dann beweg dich näher auf den Vierbeinigen zu! Können wir ihn mit einem Traktorstrahl holen?«

»Sofern er sich nicht dagegen zur Wehr setzt, ja.« Die Stimme des Beiboots zögerte kurz. »Eine Teilidentifizierung ist gelungen. Der Unbekannte ist kein Vierbeiner, sondern weist zwei Arme und zwei Beine auf. Er heißt Longasc und bezeichnet sich als Shabare und Freibeuter. Er hat einen kleinen Defekt an seinem Raumschiff, das er CANTLERY oder LICHT UND STERN VON ERENDYRA nennt.«

»Hol ihn an Bord!«, entschied Pathythia.

»Bist du der Kommandant?«, tönte es aus dem grellroten Kopfschutz des Fremden, kaum dass er Pathythia Baal gegenüberstand.

Der Translator arbeitete bereits sehr gut, die Erkenntnisse aus den aufgefangenen Funksprüchen reichten dafür.

»Ich bin die Kommandantin dieses Beiboots«, bestätigte Path. Sie nannte ihren Namen und stellte Falco und die beiden Vironauten vor, die den Shabaren von der Schleuse in die Zentrale gebracht hatten. »Du kannst deinen Helm abnehmen und auch die schwere Rüstung ablegen. Die Atmosphäre ist für dich atembar.«

Ronald Tekener war seit wenigen Augenblicken als Holo zugeschaltet.

»Du hast alles ordentlich gemacht, Path«, lobte der Smiler. »Ich schlage vor, dass du schnell zur LASHAT zurückkommst. Wir wollen uns mit Longasc in seiner ... Rüstung ...?« Tekener suchte nach einem passenden Begriff für den zusammengeflickten, schwer zu definierenden Raumanzug des Fremden.

»Eiserne Jungfrau ...«, blubberte es aus dem kleinen Behälter, den der Shabare an einem breiten Band an seiner Seite trug.

Ein Grinsen huschte über Tekeners pockennarbiges Gesicht. »Ja, das scheint mir zutreffend«, bestätigte er grinsend. Zugleich kniff er forschend die Brauen zusammen und musterte den Behälter. »Also, Path, das ist wieder dein Part.« Mit aller Vorsicht!, fügte er lautlos hinzu.

Pathythia Baal las dem Aktivatorträger die Mahnung von den Lippen ab. Sie nickte. »Wir sind schon auf dem Rückflug, Tek.«

Erst in der Zentrale der LASHAT war Longasc bereit, den Anzug mit dem zusätzlichen Robotbeinpaar abzulegen. Zudem öffnete er den Behälter, aus dem ein höchst merkwürdiges Geschöpf kroch. Die Stachelkugel gluckste und schien damit gar nicht aufhören zu wollen.

»Hunger«, übersetzte Vi.

Jennifer Thyron ließ verschiedene Nahrungsmittel bringen. Der Shabare und sein Begleiter machten sich mit Heißhunger darüber her.

Die Kugel war mehrfach faustgroß, stachlig und grün, und sie bewegte sich auf acht Stummelbeinen. Die Nahrung nahm sie über eine kaum erkennbare Öffnung an der Unterseite auf. Woher die blubbernde Stimme kam, blieb verborgen, denn die Stacheln standen zu dicht und zu wirr. Die Vironauten konnten nicht einmal sagen, ob sie ein Tier oder eine Pflanze vor sich hatten. Longascs Behauptung, es handle sich um einen Distelfrosch, ließ beide Möglichkeiten offen.

Der Shabare lehnte sich gesättigt im Sessel zurück.

»Das ist ein Leben, das ich mir gefallen lasse.« Bewundernd schaute er sich um, und seine Zunge schnellte vor und zurück. »Es gehört sich wohl, dass ich euch meinen Dank sage. Ebenso für Plump, der das nur schwer selbst äußern kann, er verfügt über keine nennenswerte Intelligenz.«

Tekener lächelte nur. Er hielt es für angebracht, den Fremden erst einmal reden zu lassen.

»Einen Haken hat die Sache, leider«, fuhr Longasc wie im Selbstgespräch fort. »Ihr seid Gorims. Ich könnte Ärger mit den Freibrieflern bekommen oder gar mit dem Krieger. Closcurt ist mir permanent mit seiner LITTURO auf den Fersen, und er kennt keine Gnade.«

»Langsam bitte, langsam. Für mich redest du wie von Schwarzen Löchern.« Pathythia Baal ignorierte Tekeners Zurückhaltung und ließ ihrer Anspannung endlich freien Lauf. »Was bedeuten Gorim, Freibriefler, Krieger, Closcurt oder LITTURO? Woher kommst du? Was ist mit deinem Raumschiff passiert? Wohin willst du?«

»Das sind viele Fragen gleichzeitig«, entgegnete Longasc. »Ich gebe dir eine Antwort, Gorim, und sie sollte dir genügen: Ich gehöre zum Tross des Kriegers Kalmer.«

»Lügen haben kurze Beine«, blubberte der Distelfrosch.

Der Shabare trat nach der Stachelkugel, traf sie aber nicht. »Du hast kurze Beine!«, schrillte er. »Wie kannst du es wagen, einen legitimierten Freibeuter als Lügner hinzustellen?«

»Du möchtest also zum Tross des Kriegers gehören«, folgerte Jennifer Thyron. »Bleib am besten bei der Wahrheit, Longasc. Keine Beschönigungen oder Wunschdenken.«

Die braunen Kugelaugen des Shabaren blickten die große, schlanke Frau ergeben an. Seine biegsamen Arme glitten durch die Luft, als suchten sie Halt.

»So ist es in etwa«, gab er nach einer Weile kleinlaut zu. »Eigentlich gehören alle Shabaren zum Tross des Kriegers Kalmer. Ihr wisst sicher, wie das ist. Einige haben immer etwas mehr recht als die anderen. Und auch bessere Rechte. Das ist der ewige Lauf der Dinge, meine neuen Freunde.«

»Du gehörst zu den Benachteiligten?« Jennifer spielte Longasc den Ball zu, und er wurde schnell wieder redseliger.

»Man nennt mich Raumfledderer«, sagte er verschämt. »Ich muss von dem leben, was die anderen Nomaden meines Volkes liegen lassen. Die schlimmsten sind die, die einen Kaperbrief haben. Closcurt mit seiner LITTURO – das bedeutet ›Kaperstolz‹ – gehört zu diesen echten Freibeutern des Kriegers. Er ist ein schäbiger, überheblicher und geiziger Freibriefler.«

»Wo ist deine Heimatwelt, Longasc?«

»Oskort.« Der Behaarte verzog sein Gesicht. »Der vierte Planet der Sonne Plaak, irgendwo im Zentrum von Erendyra. Ich war nie dort. Ich wurde im Raum geboren. Wahrscheinlich hat schon meine Urgroßmutter die CANTLERY geflogen. Das heißt ›Licht und Stern von Erendyra‹. Mein Raumschiff.«

»Meinst du damit den Schrotthaufen, von dem wir dich geholt haben?«, fragte Pathythia unbekümmert. Sie erntete dafür einen verweisenden Blick Jennifers. Longasc schien abfällige Äußerungen gewohnt zu sein, er reagierte jedenfalls nicht.

»Mein Enerpsi-Antrieb hatte eine Störung«, redete der Shabare weiter. »Ich wollte eben mit der Reparatur beginne, da seid ihr erschienen.«

Das Staunen war auf der Seite der Vironauten, denn der Anblick der CANTLERY hatte nicht einmal erahnen lassen, dass dieses halbe Wrack über einen hoch technisierten Antrieb verfügte.

»Ihr seid Gorims, auch wenn ihr euch freundlich verhaltet.« Longasc seufzte, jedenfalls klang es so. »Gorims – Fremde, ein unumstößlicher Begriff der Sprache Sothalk, die der Krieger Kalmer meinen Vorfahren wohl beigebracht hat. Da ich keinen Kaperbrief habe und auch nie einen bekommen werde, darf ich euch weder angreifen noch ausbeuten.«

»Das würde dir ohnehin schlecht bekommen«, mischte sich der Smiler ein. »Wer ist dieser Krieger Kalmer? Gehört er zu euch Weltraumnomaden?«

»Du kennst den Ewigen Krieger nicht?« Longasc war deutlich überrascht.

»Wir kommen von weither«, sagte Jennifer. »Wir haben von Kalmer nie gehört.«

»Nun ja, ich kenne ihn auch nicht persönlich«, gab der Shabare zu. »Keiner tut das, nehme ich an. Trotzdem ist er allgegenwärtig. Die meisten Shabaren gehören zu seinem Tross, zumindest alle Höhergestellten. So wie Closcurt.«

»Closcurt hat es dir besonders angetan?«, meinte Tekener.

Longasc berichtete von seinen jüngsten Erlebnissen und dem letzten Zusammenstoß mit dem Freibeuter. Als von dem zerstörten Gorim-Schiff die Rede war, stutzte der Smiler und forderte Vi auf, das Holo eines TSUNAMIS zu projizieren.

»Sieh dir die Darstellung an, Longasc«, bat der Aktivatorträger. »Stammten die Wracktrümmer von einem solchen Schiff? Oder hast du irgendwo dieses Raumschiff gesehen?«

Der Shabare ging mehrmals langsam um die Projektion herum, wobei ihm der Distelfrosch auf Schritt und Tritt folgte.

»Nein«, sagte er dann bestimmt. »Es tut mir leid. So ein Kugelschiff habe ich nie gesehen. Auch keine Überreste davon. Ich bin mir sicher.«

Ronald Tekener wusste nicht, ob er über diese Aussage enttäuscht oder erfreut sein sollte. Ohne auf die Hintergründe einzugehen, erklärte er dem Raumfledderer, was ihn an diesen Ort geführt hatte.

»Ich würde euch gern behilflich sein«, sagte Longasc. »Obwohl mich Ärger erwartet, sobald bekannt wird, dass ich mich mit Gorims abgebe. Nein, davor fürchte ich mich nicht, ich bin Kummer gewohnt. Nur ist mir schleierhaft, wie ich euch unterstützen könnte.«

»Wenn du uns hilfst, eine Spur des TSUNAMIS zu finden, bringen wir dich mitsamt der CANTLERY an einen von dir gewünschten Ort. Wir unterstützen dich zudem bei den notwendigen Reparaturen. Und du bist unser Gast.« Den letzten Satz betonte Ronald Tekener besonders.

Der Shabare sprach sofort darauf an. »Mit Freude!«, rief Longasc, zögerte dann aber. »Ich merke, dass du etwas Bestimmtes von mir erwartest.«

»Zeig uns den Weg zu dem Schlachtfeld des Ewigen Kriegers, von dem Closcurt dich verjagt hat!«

Der Raumfledderer schüttelte ächzend den Kopf. Begeisterung sah anders aus.

»Es ist deine Entscheidung«, schwächte Tekener ab.

Longasc hob beide Hände. »Ich zeige euch den Weg. Dafür muss ich an Bord der CANTLERY und Krächz befragen. Krächz ist eine meiner Positroniken und hat alle Koordinaten gespeichert. Nur – das Problem liegt woanders.«

»Und wo?«, fragte Jennifer Thyron. »Wir sind Kummer gewohnt.«

»Closcurt«, klagte der Raumfledderer. »Ich warne euch vor dem Freibeuter. Er besitzt einen Kaperbrief, und das bedeutet, dass er mit jedem Gorim kurzen Prozess macht. Wenn Closcurt euch sieht, dann gehen für euch die Sterne von Erendyra unter. Meine ebenso. Ihr solltet besser an einem anderen Ort nach dem TSUNAMI suchen als gerade dort, wo ihr dem Freibriefler begegnen müsst.«

Der Smiler setzte sein berüchtigtes Lächeln auf. »Lass das ruhig unsere Sorge sein, Longasc.«

Pathythia Baal und Falco Hoelzel brachten den Shabaren zu seinem Schiff zurück. Ronald Tekener bemühte sich währenddessen mit tatkräftiger Unterstützung, das Wrackschiff des Shabaren anzukoppeln. Eine Fernanalyse Vis hatte bereits ergeben, dass die nötigen Reparaturarbeiten ziemlich aufwendig ausfallen würden.

»Die Koordinaten liegen in bester Qualität vor, Tek«, meldete Pathythia schon nach kurzem Aufenthalt an Bord der CANTLERY. »Trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl. Das Schiff erinnert uns in etlichen Bereichen an ein Schrottlager. Und was die krächzende Positronik verlauten lässt, weckt eher Mitleid als irgendeine Hoffnung.«

20 Minuten später war die CANTLERY an die LASHAT angekoppelt und gesichert. Tekener prüfte die erhaltenen Koordinaten. Sie bezeichneten einen Bereich in der Randzone von Erendyra, knapp 82 Lichtjahre von der aktuellen Position entfernt.

»Wir fliegen in mehrere Etappen und lassen die Ortung nicht aus den Augen!«, entschied der Smiler.

»Misstrauisch?«, fragte Pathythia.

»Vielleicht«, antwortete Tekener ausweichend.

Die erste Enerpsi-Etappe führte über 22 Lichtjahre. Der Smiler nutzte die kurze Zeitspanne, um sich ausführlicher mit Longasc zu unterhalten.

»Du erwähntest einige Male Closcurts Kaperbrief. Was muss ich mir darunter vorstellen, und vor allem: Wie wirkt er?«

Der Raumfledderer blickte den Terraner verwirrt an, als hätte er die Frage nicht verstanden. Schließlich antwortete er im Flüsterton: »Genau kann ich das gar nicht beschreiben. Ein Kaperbrief wirkt eben. Closcurt hat mir seinen bei unserer ersten Begegnung vors Gesicht gehalten und mir damit einen gewaltigen Schreck eingejagt. Das ist lange her.«

»Ist der Kaperbrief ein Papier? Ein Ausweis?«

»Nein ... Nein.« Der Raumfledderer wand sich wie ein Aal. »Er ist Wirkung. Er überzeugt.«

»Also hat er kein bestimmtes Aussehen?«

»Wenn du ihn siehst, erkennst du ihn. Seine Wirkung ist schwer zu beschreiben. Ich ... kann das nicht in Worte fassen.«

»Und das Aussehen? Es interessiert mich, selbst wenn es keine Bedeutung hat.« Tekener blieb hartnäckig.

Longasc hob seine rechte Hand und ballte sie zur Faust. »So etwa sieht der Kaperbrief aus! Jedenfalls wirkt er wie ein schmerzhafter Faustschlag.«

Mehr war von dem Shabaren nicht zu erfahren. Für Tekener genügte das zunächst. Vor dem Abflug aus dem Solsystem hatte Stalker ihm ebenso wie Reginald Bull und Roi Danton eine Art »Passierschein«, ein »Sesam-öffne-dich«, aufgedrängt. Das Permit sollte ihnen in der Mächtigkeitsballung Estartu Tür und Tor öffnen. Es sah aus wie ein fingerloser Handschuh aus Metall.

Ronald Tekener hatte das Permit von Anfang an mit Misstrauen betrachtet. Für ihn stand fest, dass Stalker nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Beweisen konnte er das aber ebenso wenig wie Stalkers Schuld am Verschwinden des TSUNAMIS. Der metallene Handschuh lag seit dem Aufbruch der LASHAT unbeachtet in Teks Kabine.

»Ortung!«, meldete das Virenschiff. »In einem Bereich, in dem nichts ist.«

»Wie soll ich das verstehen?«, fragte Tekener. Ihm war erst vor wenigen Augenblicken gemeldet worden, dass sich die LASHAT wieder im Unterlichtflug befand.

»Es gibt Schwierigkeiten.«

»Welcher Art?«

»Vielleicht ist es besser, wenn wir uns nicht um das angemessene Objekt kümmern.«

Der Smiler runzelte die Stirn. Ihm war klar, dass die Virenintelligenz Empfindungen wie Scheu und Furcht entwickeln konnte. Da er an jeder Besonderheit in dieser Region interessiert war, dachte er nicht daran, etwas unbeachtet zu lassen.

»Den Flug stoppen, relativer Stillstand zum Rand der Galaxis! Ich will alle Ortungsdaten und Bilder sehen! Danach entscheide ich, was geschehen soll.«

»Ja, selbstverständlich.« Die Vishna-Stimme klang fast bockig.

Die Datenprojektion ließ auf sich warten. Jennifer Thyron warf ihrem Mann deshalb einen eindringlichen Blick zu. »Wir müssen immer damit rechnen, dass Vi fehlerhaft reagiert oder gar eine Störung auslöst«, sagte sie so leise, dass nur Tek es hören konnte. »Auch wenn es nicht danach aussieht, das Element der Finsternis kann irreparable Schäden hinterlassen haben.«

Tekener ging nicht darauf ein. »Wo bleiben die Daten?«, drängte er. »Was ist los, Vi?«

»Relativer Stillstand ist erreicht. Ich projiziere die Wiedergabe der Normalortung.«

Ein merkwürdiges Gebilde entstand mitten im Zentraleraum. Es wirkte wie eine halbierte Raumstation unbekannter Technik. Entlang der »Schnittlinie« waren die Konturen unscharf und fransig.

»Und nun die Ortung, die während der letzten Minute des Überlichtflugs meine Aufmerksamkeit erregte.«

Bei der von Vi rechnerisch visualisierten Darstellung handelte es sich zweifellos um die in der ersten Projektion fehlende Hälfte. Auch hier existierte eine unscharfe Trennfläche.

»Wie soll ich das verstehen?«, fragte der Smiler.

»Die Kontrollmessungen sind abgeschlossen«, sagte Vi. »Wir haben eine unbekannte, weitgehend zerstörte und verlassene Raumstation vor uns. Sie befindet sich mit einem Teil ihrer Masse im Normalraum, mit dem anderen in der fünften Dimension. Die verwischte Fläche ist der Übergangsbereich.«

Tekener schürzte die Lippen. »Wie ist es möglich, dass ein Objekt in verschiedenen Dimensionen existiert? Welche Funktion hatte die Station?«

»Dafür gibt es keine plausible Antwort. Wir können vermuten, dass die Station für den Ferntransport diente. Die Verwerfung zwischen den Dimensionen kann durch kriegerische Handlungen ausgelöst worden sein, vielleicht auch durch eine Störung der internen Systeme. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist der Zustand instabil. Deshalb rate ich von einer näheren Untersuchung ab. Die Station könnte vollständig aus dem Normalraum verschwinden, sobald sich die Relativmasse einer Hälfte verändert.«

Tekener blickte seine Frau an. Jennifer Thyron hob leicht die Schultern.

»Es gibt offenbar keine Hinweise darauf, dass dieses Phänomen mit dem verschollenen TSUNAMI zu tun hat«, sagte sie. »Wir sollten unseren Weg fortsetzen. Die Anomalie ist aufgezeichnet.«

Tekener wandte sich dem Shabaren zu, der seit einer Weile auf dem Boden hockte und an seinem Raumanzug hantierte. »Longasc, kennst du dieses Objekt?«

»Gorim.« Der Raumfledderer schaute nur kurz auf. »Nie zuvor gesehen.«

»Wir setzen den Flug fort!«, entschied der Aktivatorträger.

»Sehr vernünftig«, kommentierte Vi die Anweisung.

»Unvernünftig«, blubberte der Distelfrosch.

Während der nächsten Überlichtetappe maß das Schiff eine Rote Riesensonne an, die dem Zielgebiet sehr nahe stand. Longasc konnte auch dazu nichts sagen, denn für ihn hatten die Sterne nie eine nennenswerte Bedeutung gehabt. Seine Heimat war der Leerraum.

Die LASHAT kehrte in den Normalraum zurück. Diesmal schrillte der Alarm.

Vi projizierte mehrere Objekte. Eine halb zerstörte oder halb demontierte Raumstation von ehemals gut 300 Metern Durchmesser. Außerdem ein großes unförmiges Metallkonglomerat. Humanoide Gestalten und ... Roboter!

Ronald Tekener stieß einen überraschten Ruf aus. Die Roboter erinnerten ihn an die Kampfmaschinen aus dem Holospeicher, den sie im TSUNAMI-114 gefunden hatten. Der Typ war identisch.

Gleich darauf stockte ihm der Atem. In dem »Metallklumpen« entdeckte er ein großes Schriftzeichen, eine typisch terranische »3«, so geschwungen, wie sie nur auf den Außenhüllen der TSUNAMIS üblich war.

Perry Rhodan 153: Der Tross des Kriegers (Silberband)

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