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2.5.2 Der »Fall Dora«

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Freuds »Bruchstück einer Hysterie-Analyse«, 1905 veröffentlicht, enthält die Behandlung der zu Beginn der Analyse 17-jährigen Adoleszenten »Dora« (Ida Bauer). Die Jugendliche wurde von ihrem Vater – einst selbst bei Freud in Analyse – zu Freud gebracht, nachdem sie, die bereits seit längerem an hysterischen Symptomen litt, einen Brief hatte herumliegenlassen, in dem sie Suizidabsichten äußerte. Nachdem sie in einem Gespräch mit dem Vater bewusstlos wurde, »wurde trotz ihres Sträubens bestimmt, daß sie in meine Behandlung treten sollte«, so Freud (S. 168). Im Hintergrund steht eine verwickelte Familiengeschichte: Die Eltern von Ida waren befreundet mit einem Ehepaar K. Der Vater hatte ein Verhältnis mit Frau K., Herr K. stellte der Jugendlichen mit sexuellen Avancen nach, zuletzt, als Ida 16 war, schlug er ihr ein heimliches Liebesverhältnis vor. Ihrer Offenbarung wurde von den Eltern nicht geglaubt, Herr K. bestritt alles, Frau K. warf ihr vor, »liebestoll« zu sein.

Die Behandlung wurde nach etwa drei Monaten von der Patientin abgebrochen.

Diese Behandlung gab Anlass zu leidenschaftlicher Auseinandersetzung zwischen Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern und ist vielfach kommentiert worden (Burchartz et al. 2016). Einige fundamentale Erkenntnisse für Jugendlichen-Behandlungen lassen sich festhalten:

Freud wollte mit der Veröffentlichung v. a. auf den Zusammenhang von Traum, Hysterie und Sexualität hinweisen. Was ihm noch nicht zur Verfügung stand, war ein tieferes Verständnis von Übertragung und Gegenübertragung – immerhin hat er das Phänomen der Übertragung anhand des Falles präzise herausgearbeitet. Sein wissenschaftliches Interesse hat ihm vermutlich den Blick verstellt, dass Ida nur widerwillig zu ihm in Analyse gekommen war: mit einer »negativen Übertragung«, einem Misstrauen – musste sie doch vermuten, dass Freud mit den Erwachsenen im Bunde steht.

Freud behandelte Ida wie eine Erwachsene – hatte jedoch eine Jugendliche vor sich, die sich vermutlich wünschte, dass er ihr in den Machenschaften der Erwachsenen empathisch beistehen und ihrer Wahrheit Beachtung schenken würde.

Konzepte für Jugendlichen-Behandlungen, auch für die weibliche Sexualität, mussten erst noch entwickelt werden.

Ein typischer Konflikt zeigte sich bereits in dieser Behandlung: Der Auftrag des Vaters, seine Tochter vom Symptom zu befreien, war nicht deckungsgleich mit dem Wunsch der verletzten Adoleszenten. Auch dies hat bis heute Gültigkeit: Die Aufträge und Ziele der Behandlung sind zwischen Eltern und jugendlichen Patienten selten in Einklang zu bringen.

Auch und gerade eingeschränkt erfolgreiche Behandlungen haben in der Psychoanalyse immer zu Fortschritten und neuen Erkenntnissen geführt – darin ist der Wert auch dieses »Bruchstücks« und seiner mutigen Veröffentlichung zu sehen.

Psychodynamische Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter

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