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2 Ursprung und Entwicklung des Verfahrens 2.1 Die Anfänge

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Am 4. April 1986 betrat ein junger Arzt nach einem halbjährigen Studienaufenthalt in Paris und Berlin Wiener Boden. Fasziniert von der hypnotischen Behandlungsmethode, die der berühmte Professor Jean Martin Charcot an der Pariser Salpêtrière bei Hysterie anwandte, versuchte er, das Wiener medizinische Establishment davon zu überzeugen – stieß jedoch auf Skepsis und Abwehr.

Kurz darauf, im April 1886, ließ sich Sigmund Freud – damals in der Rathausgasse 7 – nieder. Die Zahl seiner Patientinnen und Patienten war spärlich, sein Einkommen mager, seine wissenschaftliche Reputation bescheiden. Gleichwohl hielt er an der Behandlungsmethode fest und erzielte einige beachtliche Erfolge.

Ein wichtiger Weggefährte war der Studienfreund und Arzt Josef Breuer. Breuer war überzeugt, dass unbewältigte seelische Konflikte psychische Krankheiten hervorrufen können. Er arbeitete mit der Hypnose, später mit der »kathartischen Technik«, welcher die Vorstellung zugrunde lag, psychische Spannungen durch das Reden darüber mit dem Arzt abzuführen. Über die Behandlung seiner Patientin Bertha Pappenheim (»Anna O.«) ab dem Jahr 1880 tauschte er sich intensiv mit Freud aus. Dieser Fall gilt als die Geburtsstunde der Psychoanalyse. Mit Breuer zusammen gab Freud 1895 die »Studien über Hysterie« (Freud 1895d) heraus, dieses Werk kann man als erste psychoanalytische Veröffentlichung ansehen. Die Beziehung zu Breuer kühlte ab, als Freud verdrängte sexuelle Motive am Grunde der Hysterie postulierte – dem wollte Breuer nicht folgen. Ex post muss jedoch festgehalten werden, dass die »Redekur« lediglich die Anfänge dessen waren, was Freud später als Psychoanalyse ausgearbeitet hat. Es musste noch ein zweites Moment hinzukommen.

Freud wurde zunehmend unzufrieden mit der Hypnose. Nicht alle seiner Patientinnen konnten mit der Methode erfolgreich behandelt werden (Whitebook 2018, S. 157 f.). Da war die kathartische Technik willkommen. Es lässt sich nicht genau rekonstruieren, wer die Entwicklung der kathartischen Technik für sich beanspruchen dürfe – Freud selbst nahm dazu später widersprüchlich Stellung – (Freud 1910a, S. 3; 1914d, S. 46; 1916–1917, S. 289; 1925g, S. 562). In ihr liegen bereits zwei wesentliche Elemente der späteren Psychoanalyse vor: zum einen die Annahme, dass psychoneurotische Symptome aus früheren verdrängten Erlebnissen resultieren – Freud postulierte, diese Erlebnisse beruhen auf einer sexuellen Stimulierung des Kindes oder des Jugendlichen, mithin auf einem sexuellen Übergriff durch Erwachsene, also einem Trauma (die sog. »Verführungstheorie«). Zum anderen der Behandlungsansatz, dass sich durch eine Wiederbelebung dieser Erlebnisse in der »Kur« eine Katharsis durch Bewusstwerdung ereignet. Die Reproduktion der ursprünglichen Szene geschieht über assoziative Vorgänge, die durch deren Analyse einer kausalen Verknüpfung zugänglich werden. Damit wird der Befragung im Gespräch eine vorgeordnete Stellung eingeräumt – anstelle der hypnotischen Überwältigung (Alt 2016, S. 199).

Die Verführungstheorie beschreibt ein komplexes Geschehen: Das Trauma kann durch psychische Tätigkeit wie Spannungsabfuhr oder »kontrastierende Vorstellungen« nicht vollständig erledigt werden (Freud 1893h, S. 192 f.) und bleibt in »Reminiszenzen« erhalten. Diese werden durch aktuelle Erlebnisse wachgerufen und verknüpfen sich mit diesen zum Symptom, ohne die Verdrängung aufzuheben. Freud nannte diesen Vorgang die »Nachträglichkeit« (Freud 1885/1950a, S. 444 ff.) (Burchartz 2019b, S. 16).

Die Verführungstheorie erfuhr eine Erschütterung, als Freud erkannte, dass nicht jede neurotische Erkrankung auf reale Kindheitstraumata zurückzuführen ist. Er relativierte sie zugunsten einer Trieb-Konflikt-Theorie, in welcher er eine Ätiologie der Neurose aufgrund intrapsychischer Vorgänge postulierte. In einem Brief an Wilhelm Fließ, einem vertrauten Freund und Gesprächspartner, (Nr. 139 vom 21. September 1897) heißt es, »daß man die Wahrheit und die mit Affekt besetzte Fiktion nicht unterscheiden kann« (Freud 1986, S. 284; vgl. Gay 1999, S. 108, 112 f.). Die Triebtheorie brachte das zentrale psychoanalytische Theorem des Ödipuskomplexes hervor. Weiterhin waren die sexuellen Motive in den Neurosen unabweisbar. Zumindest mischen sich in der Entstehung der Neurosen reale Ereignisse mit sexuellen Fantasien und Wünschen des Kindes. Es gibt also eine infantile Sexualität, die nicht an die unmittelbare genitale Triebbefriedigung gekoppelt ist.

Mit der Triebtheorie liegt ein erstes psychoanalytisches Modell des psychischen Geschehens und darauf basierend ein Behandlungsverfahren vor. Zentral ist die Annahme des Unbewussten im ersten »topischen Modell«: Unbewusstes, Vorbewusstes und Bewusstes wirken zusammen in der Bearbeitung des Triebgeschehens, etwa durch Vorgänge wie der Verdrängung, der Verkehrung ins Gegenteil, der Sublimierung usw. Die Funktionsweisen des Unbewussten – z. B. Verdichtung und Verschiebung – arbeitete Freud in der »Traumdeutung« (Freud 1900a) heraus. Er unterschied zwischen Lust- und Realitätsprinzip, Primär- und Sekundärvorgang.

Im zweiten topischen Modell oder Strukturmodell rückt das Ich an bedeutende Stelle zwischen dem nun sogenannten Es und dem Über-Ich. Das Ich – teils bewusst, teils unbewusst – vermittelt zwischen den Triebansprüchen des Es, den moralischen und kulturellen Forderungen des Über-Ichs und der vorfindlichen Realität. Es nimmt dazu Abwehrvorgänge zu Hilfe.

Psychodynamische Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter

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