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Torquor

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Im tiefblauen Dämmerlicht eines offenen Sternhaufens näherten sie sich in einem Zyklopen der chaotischen Oberfläche des Eismondes Torquor. Über ihnen wurde das Firmament von der Hemisphäre des Braunen Zwerges Rongor beherrscht - einer Welt, die 15 mal mehr Masse als der Planet Jupiter im solaren System besaß. Dieser Himmelskörper war mit regelmäßigen Polygonen übersät. Sie bildeten die Oberseite der gigantischen Konvektionszellen, mit denen die thermonukleare Energie aus dem Inneren dieses Fast - Sterns in den Weltraum abtransportiert wurde. Obwohl Torquor nur wenige hunderttausend Kilometer oberhalb Rongors kreiste, empfing er nicht genug Infrarotstrahlung, um den Eispanzer aufschmelzen zu können. So lagen die Sommertemperaturen bei etwa 53 K. Im Winter konnte es auch schon mal um die 13 K kalt werden.

Knud steuerte das Schiff durch Canyons hindurch, die an ihrem Grund mit riesigen Eistrümmern übersät waren. Hinweise auf die ständigen Erdbeben und weitreichenden geologischen Umwälzungen, die tief unterhalb des 30 Kilometer dicken Eispanzers stattfanden. Denn darunter lag ein fast 5500 Kilometer tiefer Ozean, der, von ausgedehnten Hadley Konvektionszellen gespeist, die darüber liegenden Eiskrustenblöcke immer wieder miteinander kollidieren ließ - die eine Platte unter die andere Platte abtauchen ließ. Im Prinzip liefen diese geologischen Prozesse ähnlich der Drift der Kontinentalplatten auf Terra ab. Nur mit dem Unterschied, dass hier alles auf Wasserbasis stattfand. Torquor war eine der wasserreichsten Welten überhaupt. Dieser Planet hatte nämlich einen um 7000 Kilometer höheren Radius als Sol III.

„Ich wollte euch bei dieser Mission unbedingt dabei haben”, erklärte Knud gegenüber Professor Mansouri, Mouad, Nefud, Wahid und Krrwrrrh. „Diese Welt ist wahrscheinlich Zentrum eines gigantischen Imperiums aus aquatischen Welten. Seine Bewohner kommunizieren über tausende von Lichtjahren miteinander. Möglicherweise sind die Föderation und dieses Bündnis miteinander quervernetzt, ohne dass es uns bewusst war. In letzter Zeit häufen sich die Hinweise dahingehend. Die Gründungsrassen und andere uralte Spezies haben nämlich dann und wann versucht, mit uns Kontakt aufzunehmen.”

Knud lenkte das Raumfahrzeug in einen bodenlosen Abgrund hinein. Rechts und links schossen bläulich - graue Eiswände empor: Zerklüftet, scharfkantig, brüchig.

Aber Knud ließ sich nicht irritieren. Die Quelle des Signals, auf die er zuhielt, lag irgendwo dort unten.

Der Zyklop flog langsamer. Knud aktivierte die Suchscheinwerfer. Der bläulich schimmernde, von Rissen und Spalten durchzogene Boden des titanischen Grabenbruchs war erreicht - fast 25 Kilometer unterhalb der Mondoberfläche.

„Es ist schon erstaunlich, dass Eis die gleichen Festigkeitseigenschaften wie irdische Gesteine aufweist, wenn die Aussentemperaturen nur tief genug sind”, ließ sich Mansouri vernehmen, dessen Neugierde und Forscherdrang sich wieder in den Vordergrund drängten. „Nach meinen Berechnungen sollten uns nur noch einige wenige Kilometer Eis von dem gewaltigen Ozean trennen. Wenn man nun noch einen geeigneten Bohrer hätte, um auch noch diese letzte Barriere zu überwinden...”

Krrwrrrh: „Hatte nicht ein Verwaltungsgebiet auf Terra, bewohnt von den so genannten Amerikanern, etwas ähnliches auf Europa, einem der Monde von Sol V, vor?”

Knud nickte. „Gut, dass ihnen das bis jetzt aus Geldmangel noch nicht gelungen ist. Sie hätten eine einzigartige Welt mit völlig fremdartigen Lebensformen unwiederbringlich zerstört. Schon allein dadurch, dass sie es bei ihren letzten interplanetarischen Forschungsmissionen mit der Sterilisation ihrer Gerätschaften nicht mehr allzu genau nahmen.”

„Sie hätten dann auf jeden Fall mit unseren Gästen, die wir nun besuchen, Ärger bekommen!”, ergänzte Krrwrrrh.

„Wieso das? Gibt es eine weitere intelligente Rasse in unserem Sonnensystem?”, fragte Wahid erstaunt.

„Ja. Sie sind im Moment zwar nicht soweit in ihren kognitiven Fähigkeiten entwickelt wie Mrrhachtthnerr oder Humanoide - aber in einigen hunderttausend oder Millionen Jahren könnte die Evolution genügend weit fortgeschritten sein. Dieses Bündnis der Wasserwelten betrachtet nämlich alles Leben als besonders schützenswert. Alle paar Jahrzehnte besuchen sie durch ein Raumtor, das sich am Boden Europas befindet, diese faszinierende Lebensgemeinschaft”, wusste Nefud zu berichten.

„Woher weißt du das denn? Du bist doch auch nur ein Terraner!”, stellte Mouad fest.

„Du vergisst, dass ich 24 Jahre länger im Föderationsraum als du zugebracht habe. Ausserdem habe ich - genau so wie du auch - eine gewisse Begabung für naturwissenschaftliche Zusammenhänge. Diese lange Zeit ist nicht ohne Spuren geblieben.”

Knud reduzierte die Geschwindigkeit bis fast zum Stillstand. Er schaltete die Beleuchtung im Innenraum des Raumschiffes ab. Die Instrumentenanzeigen erloschen. Jetzt schwebte der Zyclop nur noch knapp fünf Meter oberhalb des Grundes der Schlucht. Auf einmal schob sich unter ihnen eine kreisrunde Schleuse an die Seite. Dahinter - ehe sie hinter einer Wolke aus Eisdampf verschwand - erblickten sie für einen Augenblick eine glänzende Oberfläche, wellenüberzogen - flüssiges Wasser. Knud deaktivierte den Antrieb. Das Schiff wurde von Kraftfeldern in Richtung der Wasseroberfläche gezogen. Der Cyclop glitt durch die Schleuse und tauchte in völlige Schwärze hinab. Über ihnen schloss sich die Öffnung. Die Sicht auf den letzten Schimmer Sternenlicht war versperrt.

Waren sie in eine Falle geraten, aus der es kein Entrinnen mehr gab?

Nefud, Krrwrrrh und Knud zeigten jedoch keine Anzeichen von Nervosität.

Plötzlich wurden sie einem leisen Pfeifen extrem hoher Frequenz gewahr, unterlegt von sehr tiefem Infraschall. Nach einer Weile verebbten die Geräusche. Ein leichter Ruck deutete an, dass sie von aussen durch irgendetwas gesteuert wurden. Vielleicht befanden sie sich an Bord eines U-Bootes - das aber von innen mit Wasser gefüllt war, nicht mit Luft.

,Willkommen auf Torquor, sehr verehrte Gäste’, ertönte plötzlich eine melodische Stimme in ihrem Kopf. ,Wir fühlen uns besonders dadurch geehrt, dass Eure Eminenz, Kurator Knud Larssen, uns aufsucht. Wir, die Torquonor, fünfundzwanzigste Gründungsrasse des Fluidominion Borroquor, begleiten Sie nun zu dem Allgemeinen Treffen aller Vertreter dieses Staates, zu dem wir zum ersten Male hochrangige Abgesandte der Föderation eingeladen haben. Die Rovennon haben uns darüber informiert, dass Ihr Unglaubliches vollbracht habt. Dass Ihr selbstlos unzählige andere Rassen vor dem Untergang bewahrt und zudem eine Bedrohung von uns allen abgewehrt habt.’

,Herzlichen Dank für die freundliche Aufnahme, Fluideur Yoroquor.’ Knud verneigte sich, obwohl dies für niemanden sichtbar war. ,Es ist auch für uns eine Ehre, so freundlich aufgenommen zu werden. Darf ich vorstellen...’

Knud referierte kurz, woher seine Begleiter stammten, was es mit der Core Explosion auf sich hatte und wie die Föderation die Guruthuwrunuh Bedrohung abgewehrt hatte.

,Für uns ist es immer noch nur sehr schwer vorstellbar, dass es ausserhalb von Wasser anderes Leben gibt”, entgegnete der Fluideur. „Diese Sichtweise auf den aquatischen Kosmos wurde erst vor kurzem dadurch umgestoßen, nachdem wir Kontakt mit drei Welten aufgenommen hatten, deren Bewohner seit Äonen die Aussenwelt beobachten. Die Planeten sind unter den Namen Saphir, Vaugh II und Epsiolon Eridani IV allgemein bekannt. Und die Bewohner der zuletzt genannten Welt waren auch die ersten, die stationäre Anomalien im Leerraum zu nutzen verstanden. Über diese Kontakte haben wir erkannt, dass Ihr es wert seid, mit dem Fluidominion Borroquor in Kontakt zu treten. Diese Wesen waren es auch, die uns über alle Details eures genialen Rettungsplans der Duwuthrounu informiert haben. Und wir waren froh, dass es Euch scheinbar mühelos gelungen ist, die Invasoren abzuwehren.’

Weitere Stimmen tauchten in ihren Köpfen auf: Manche schrill und laut, andere wiederum leise und dezent. Manchmal waren ihre Gedanken prägnant dann aber auch konfus und sogar chaotisch in ihrer Struktur - je nach Rassenzugehörigkeit.

Die Besatzungsmitglieder des Zyklopen befanden sich immer noch in völliger Dunkelheit.

,Was wäre geschehen, wenn Knud gescheitert wäre?’, überlegte Mouad.

,Ich glaube, Botschafter Mouad Bribire, dass Ihr die Fähigkeiten Eures Mannes, des Kurators, immer noch ein wenig unterschätzt. Er steht an der Spitze einer Zivilisation, die Raum und Zeit völlig unter Kontrolle hat. Die Angreifer jedweder Rasse an jeden beliebigen Ort im Universum transportieren kann, ohne dass diese auch nur die geringste Chance haben, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Er könnte über eine Macht verfügen, die ihn zum absoluten Herrscher über unzählige Welten, Sternhaufen - sogar Galaxien machen könnte. Wir wissen aber alle, dass gerade das ihm zuwider ist. Und solche Eigenschaften sind es, die die Föderation für unser Fluidominion Borroquor interessant machen. Ich darf auch darauf hinweisen, dass die Rovennon die Föderation in den Mittelpunkt einer umfassenden Kooperation gestellt haben. Dies insbesondere auf Grund der überwältigenden Hilfsbereitschaft, die dieser Staat gegenüber anderen Kulturen entgegenbringt.’

,Als Rovennon können wir die Ausführungen unseres Vorredners nur unterstreichen. Auch wir sind beeindruckt von der Selbstlosigkeit des jetzigen Kurators. Er hat daher das Vertrauen aller Gründungsrassen, des Fluidominions Borroquor und weiterer intergalaktischer Kulturen.’

Ein leichter Ruck ging durch den Zyklopen.

,Wir haben den Konferenzort erreicht. Ist die Hülle ihres Zyklopen geeignet, dem enormen Wasserdruck hier unten zu widerstehen?’ - erneut meldete sich die Stimme des Fluideurs Yoroquor. ,Denn Ihr Fahrzeug ist klein genug, sich durch die Gänge zur Großen Kaverne fortzubewegen.’

,Keine Sorge - die Aussenhülle ist auf 850 Billionen Newton pro Quadratmeter getestet.’

,In Ordnung. Die Navigationsdaten werden Ihnen übermittelt. Bitte stellt die Lichtstärke der Aussenbeleuchtung auf unter 10 Candela pro Quadratmeter ein. Denn die Helligkeit, die Ihr gewohnt seid, blendet viele der Abgeordneten. Fast alle der hier vertretenen Rassen reagieren schon auf die geringsten Lichtspuren äußerst empfindlich.’

,Wir können auch ganz darauf verzichten. Das Schiff kann auch mit Ultra- oder Infraschall, Positronenemission oder Neutrinostreuung gut navigieren. Ich bitte nur darum, dass wir die Aussenhülle des Schiffes wieder lichtundurchlässig machen dürfen, um zu verhindern, dass Streulicht Konferenzteilnehmer schädigt.’

,Einverstanden. Ein Leitstrahl wird Sie zur vorgesehenen Position führen.’

Der Kurator 7 Neue Wege 8 Kornar V 9 Leerraum

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