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Vaugh II

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Der Cyclop tauchte in eine bräunlich rote Dämmerung ein, die Vaugh II, einen etwa erdgroßen Planeten, umhüllte. Der Himmelskörper befand sich etwa 0,9 AU von dem Doppelsystem aus einem K4 und einem G6 Stern. Eine dichte, beinahe undurchdringliche Atmosphäre versperrte die Sicht auf eine vulkanübersäte, zernarbte Planetenkruste, die dank eines immensen Treibhauseffekts bei knapp 800 K durchgebacken wurde. Die Kohlendioxyd - Schwefelsäureatmosphäre unter 300 bar Druck verwandelte die immer wieder durch Spalteneruptionen beleuchtete, zerborstene Landschaft in ein absolut lebensfeindliches, tödliches Inferno.

Erst knapp drei Kilometer oberhalb der Oberfläche klarte die Sicht auf - ließen sie die letzten ätzenden Säureschwaden hinter sich. Knud setzte zur Landung nahe eines kochenden Lavasees an. Von einer knapp anderthalb tausend Meter hohen Basaltklippe sahen Mouad, Wahid, Nefud und Saleh auf das Inferno aus Feuersäulen, goldfarbenen Gasblasen, bläulichen Flammenwänden und herausspritzenden Lavafetzen. Die tiefrote Lavahaut, die sich oberhalb der Schmelze gebildet hatte, schob sich wie ein riesenhafter Schuppenpanzer über den Hexenkessel. Auf der gegenüberliegenden Seite des beinahe kreisrunden Caldera verschwand das scheinbar vor Leben pulsierende magmatische Untier in einem gelbweissen Feuersturm, der die Massen in glühende, zähe Tropfen und seltsam abgerundete, hochschießende Säulen aus Gesteinsschmelze zerfetzte. Ein dumpfes, bedrohliches Dröhnen drang durch den Boden des Raumschiffes, überlagert von einem rhythmischen Pochen und Klopfen, das allmählich immer lauter zu werden schien.

„Was tun wir an diesem verfluchten Ort?”, fragte Saleh fassungslos.

„Dies ist definitiv eine noch schrecklichere Welt als der Planet Venus in unserem Sonnensystem”, ergänzte Nefud, der die Meßwerte auf den Displays des Zyklopen mit den in seinem Kopf abgespeicherten Werten über Sol II verglich.

Wahid blickte auf die knapp sechs Meter hohen, länglichen Felsblöcke, die in einem eigenartigen, vollkommen symmetrischen Halbkreis um das Fahrzeug herum standen und es zu fixieren schienen.

Plötzlich schrie Mouad auf. „Die...diese Felsen, die bewegen sich ja auf uns zu!”

Wahid und Nefud fixierten die seltsamen Gebilde, die tatsächlich langsam auf sie zukamen.

„Wir fühlen uns sehr geehrt über Euren Besuch, Kurator Larssen”, erfüllte plötzlich eine dröhnende Stimme den Raum. „Ich bin Ashkeatash, Herrscher über die feurigen Abgründe dieser Welt. Was führt Euch zu diesem für die meisten Spezies doch denkbar ungeeigneten Ort im Universum?”

„Zunächst einmal nur die Neugierde. Meine Freunde an Bord dieses Raumschiffes wollten mir partout nicht glauben, dass das Leben im Kosmos auch extreme evolutionäre Nischen erobern kann. Orte, die man auf dem Heimatplaneten diese Humanoide gemeinhin als absolut tabu für jegliche Formen des Lebens erachtet! Und ich sah es daher als meine Pflicht an, ihren Horizont erheblich mit diesem Besuch zu erweitern. ”

Knud blickte in die völlig perplexen Gesichter seiner Freunde, die dieses ungewöhnliche Zusammentreffen einfach nicht fassen konnten.

Das Brodeln und Donnern der kochenden Lava hinter ihnen schwoll immer mehr an. Der Lärm machte jegliche Konversation unmöglich. Lava begann über die Flanken des Vulkanbeckens hinabzulaufen. Haushohe Flutwellen aus flüssigem Gestein brachen sich an den scheinbar toten Gestaden.

„Dort”, rief Wahid und deutete mit seinem ausgestreckten Arm auf eine Anzahl dunkler Punkte, die für wenige Augenblicke in der glühenden Schmelze trieben, sie dann jedoch wieder in Richtung des flachen Ufersaums verließen. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit entfernten sich die Feuerwesen von der immer bedrohlicher werdenden Eruption.

Plötzlich verspürten alle einen immensen Schlag - eine Feuersäule jagte in die Höhe und zugleich auf sie zu. Aber bereits im gleichen Moment versank das Plateau, auf dem sie sich gerade befanden, unter ihnen. Völlige Schwärze umgab sie. Die Trägheitsmesser signalisierten, dass das Schiff zunächst in horizontaler, dann vertikaler Richtung nach oben beschleunigt wurde. Die Aussentemperatur ihrer Schiffshülle pendelte um die acht- bis neunhundert Kelvin.

„Müssten wir nicht allmählich diese Gluthölle verlassen?”, fragte Saleh sichtlich nervös. Die Venera - Sonden haben die Extrembedingungen auf der Venus auch nur knapp eine Stunde lang überdauert.”

„Es besteht kein unmittelbarer Grund zur Sorge. Der Strahlungs - Antimaterietransformer wandelt die Hitze in Antriebsenergie für dieses Raumschiff um. Zwar treten bei diesem Prozess gemäß den thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten Verluste auf. Aber die sind relativ gering. Denn erst in zwei Tagen würde die Innentemperatur in der Kabine des Cyclopen deutlich über die kritische Marke von 310 Kelvin steigen - einem Wert der ohne ausreichende Flüssigkeitszufuhr beim Menschen auf Dauer zu Austrocknung und Überhitzung führt. Aber wir befinden uns gerade auf dem Weg zu einem Ort, an dem diese Probleme ohne Bedeutung sind. Und jetzt lasst mich bitte für eine Zeit in Ruhe, denn ich habe mit Ashkeatash noch Einiges zu erörtern, was in der Prioritätenliste wesentlich weiter oben steht, als euch die unendliche Vielfalt des Lebens in der Milchstraße näher zu bringen.”

Knud verfiel in einen fremdartigen brummenden Singsang, der Ähnlichkeit mit der seltsamen Geräuschkulisse dieser Welt aufwies. Mouad vermutete den akkustischen Schwerpunkt der Konversation im Infraschallbereich. Denn schon mehrfach hatten Knuds Freunde das sehr befremdliche Gefühl von Schalldruck in ihrem Körperinneren wahrgenommen.

„Wie bewegt man sich eigentlich auf dieser Welt fort? Technische Transportsysteme, so wie wir sie kennen, sollte es doch eigentlich gar nicht geben.”

„Ich habe die mir vorliegenden Daten näher analysiert. Danach befinden wir uns inzwischen in einem extrem hohen Vulkan oder Gebirgsmassiv. Angetrieben wird der Cyclop wohl durch eine Art Fluidsystem aus eutektischen Mischungen. Sie weisen einen erheblich niedrigeren Schmelzpunkt als die elementaren Metalle oder Reinmineralien auf. Ich vermute daher, dass wir gerade durch so ein - möglicherweise sogar künstlich angelegtes - Transportsystem zu unserer Endbestimmung geführt werden.”

„Du bist immer noch ein verdammt cleverer Mann, Nefud”, wandte sich Knud dem ehemaligen Iraker zu. „Genau so ist es. Und auf dieser Welt hat sich eine der bemerkenswerten Kooperationssymbiosen entwickelt, die für den gesamten Kosmos möglicherweise sogar einmalig ist.”

Wahid nickte. „Ich hatte mich schon gewundert, wie diese mineralischen Geschöpfe Kenntnis von der Föderation besitzen. Von verschiedenen Überlegungen ausgehend dürften sie gar nicht in der Lage sein, diesen Planeten zu verlassen. Es sei denn, dass es Orte auf dieser Welt gibt, die wesentlich kühler sind - da sie möglicherweise weit genug in deutlich kühlere Atmosphärenschichten hineinragen.”

„Dann müsste eine zweite Spezies existieren, deren Lebensraum überwiegend in Hochatmosphärenschichten beheimatet ist. Und die wenigen Hochgebirgsspitzen, die in diese Bereiche hereinragen, stellen somit gewissermaßen das Bindeglied zwischen diesen beiden im Prinzip grundverschiedenen Spezies dar. Und erst hier oben haben die mineralischen Stoffe genug Festigkeit, um möglicherweise Raumschiffe zu fertigen. Zumal es für eine Spezies, die für ihre Existenz nicht so feurige Bedingungen benötigt, mit erheblich geringerem Energieaufwand verbunden sein dürfte, die eisigen Weiten des Kosmos zu bezwingen.”

Eine undurchsichtige, jedoch unvergleichlich viel hellere Atmosphäre als in den Katakomben auf Vaugh II umgab sie, als sie wieder ins Freie kamen. Durch einen seltsam geformten Auslegerkran wurden sie aus der Schmelze gefischt, die am Boden einer ausgedehnten vulkanischen Caldera brodelte. Wahid inspizierte die Temperaturanzeigen der Aussenhülle sehr gewissenhaft - bald fielen sie auf knapp unter 350 Kelvin.

Saleh beobachtete die Oberfläche der silbrig glänzenden Schmelze genau. Einige längliche Objekte trieben in ihr. ,Die mineralischen Lebensformen wagen es nicht auf Grund ihrer Physiologie die sehr heiße Flüssigkeit zu verlassen’, mutmaßte er

„Sie würden sterben, wenn ihre Temperatur unter 650 Kelvin fiele”, flüsterte Mouad wie zur Bestätigung.

Torpedoförmige Wesen, die in der dichten Atmosphäre durch eine rotierende Geissel ähnlich mancher irdischer Bakterien angetrieben wurden, nahmen Kurs auf den Cyclopen.

Ein intensiver Meinungsaustausch zwischen Knud und den beiden fremdartigen Rassen folgte.

Und was Knud seinen Freunden an Forschungsergebnissen von Wissenschaftlern der ignimbritischen und aerischen Vaughanern präsentierte, erfüllte sie mit Ehrfurcht vor der Vielfalt des Lebens.

Knapp eine Milliarde Jahre nach der Entstehung des Planeten aus der Globulenwolke kam es in Folge eines nahen Vorbeizugs eines anderen Sterns zu massiven Bahnstörungen durch die übrigen Planeten auf Vaugh II. Folge der massiven Drehimpulsverschiebungen war eine allmähliche Annäherung dieser Welt an die beiden Zentralgestirne. Und das Leben, dass sich bereits in vielen Bereichen etabliert hatte, musste einen mörderischen Anpassungsprozess durchlaufen, wollte es überleben. Und so waren die Frühformen der jetzigen Geschöpfe dazu gezwungen, immer neue Nischen ausfindig machen, um weiter existieren zu können. Da der Planet eine um 50% höhere Schwerkraft besaß als Sol III und eine fast doppelt so hohe Anziehung wie die Venus, konnte sich eine Atmosphärenschicht entwickeln, die einen relativ hohen Feuchtigkeitsanteil aufwies. Da jedoch ein ähnliches Ereignis wie das Great Bombardment auf Terra ausblieb, war Wasserdampf auf Vaugh III ein ziemlich seltenes Gut.

Und so mussten die Organismen zwei vollkommen unterschiedliche Wege gehen, um weiter existieren zu können: Einen auf aquatisch - mineralischer Basis in der Hochatmosphäre und ein absolut andersartiger, auf mineralischen - völlig wasserfreien - Schmelzen basierender Stoffwechsel. Durch die besondere Geologie dieser Welt fanden die so unterschiedlichen Lebewesen trotzdem einen Weg, miteinander zu kommunizieren. Die höchstem Vulkane bildeten die Verknüpfungsstellen beider Welten und ermöglichten die Existenz einer Konföderation von so unterschiedlichen Spezies. Und knapp zwei Milliarden Jahre später war es beiden Kulturen gelungen, die Technik für interstellares Reisen zu entwickeln. Und genau hier lag der Grund für die Reise zum Braunen Zwerg Rongor. Denn den atmosphärischen Bewohnern von Vaugh II war dort eine besonders bemerkenswerte Entdeckung gelungen...

Der Kurator 7 Neue Wege 8 Kornar V 9 Leerraum

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