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Feierlichkeiten

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Eine Bucht irgendwo an der Ostküste des Südkontinents auf dem Saphir. Begrenzt durch dichtbewachsene Hügelketten, die als Dreiviertelkreis eine tiefblaue Wasserfläche umschlossen. 20000 Jahre zuvor hatte ein Asteroid diese Struktur aus dem vulkanischen Basaltgestein, das sich über Sandsteinablagerungen ergossen hatte, herausgesprengt. Der Zugang zum offenen Südozean wurde durch einen mehrere hundert Meter hohen und über zwei Kilometer weiten natürlichen Torbogen gebildet, den Brandung und Erosion im Laufe der Zeit geformt hatten. Interferenz- und Beugungserscheinungen der Dünung, die durch die zur Seeseite gerichtete Öffnung eindrang, bildeten eine Kreuzsee. Etwa zwei Meter hohe Säulen aus Wasser schossen unvermittelt in einem chaotischen Verteilungsmuster aus der Seeoberfläche empor und fielen unter einem leise gurgelnden Geräusch wieder in sich zusammen.

In der Mitte der Bucht, nicht weit von der Küste entfernt, erhob sich eine gläserne, ovale Plattform, die vor Urzeiten von einer unbekannten Rasse errichtet worden war. Fast einen Kilometer im Durchmesser war sie aus unzerstörbarem Durokristall hergestellt und hatte allen Wetterunbilden über viele Jahrtausende hinweg getrotzt.

Der Kurator - in sein makellos weisses Gewandt gehüllt - saß etwas erhöht in dem einem antiken terranischen Amphitheaters nicht unähnlichen Bauwerk. Er trug zu diesem offiziellen Anlaß die dunkelblaue Szaazskrone als Zeichen seiner Würde und Macht. Die Vereidigung der Regierung des neuen Staatenbundes stand unmittelbar bevor. Die höchsten Repräsentanten aller Rassen hatten sich zu diesem Ereignis versammelt, die live in alle Teile der Föderation übertragen wurde. Mehrere Millionen Föderationisten hatten zudem bei der Föderationsregierung ihr Interesse bekundet, an den Feierlichkeiten teilnehmen zu dürfen. Den meisten Ersuchen war stattgegeben worden - bis aus Platzgründen keine weiteren Besucher zugelassen werden konnten.

Diejenigen, die sich in den vergangenen Jahren um die Föderation und ihren evolutionären Aufstieg verdient gemacht hatten, sollten in dieser Versammlung ausserdem geehrt und als verantwortliche Staatslenker vereidigt werden:

 Aaron war Kommandant auf einem Forschungsschiff geworden und hatte mit seinem Mann so manch revolutionäre Forschungsergebnisse auch auf kulturellem Gebiet erzielt.

 Mahmoud und Ajaz hatten sich zu allgemein anerkannten Koryphäen im Bereich der Altertumsforschung an der Tarmora Universität emporgearbeitet.

 Yossi hatte als Professor für Musik, Gesang und Kunst fremder Kulturen Karriere gemacht.

 Kanei hatte sich auf die Erforschung der uralten Ringwelt im Caeleon - System spezialisiert. Von ihm wusste man aber, dass er mit Auszeichnungen und Titeln weniger zu beeindrucken war. Zusammen mit Clark, Marouane, Mary und vielen Forschern anderer Spezies hatten die vier sich auf die sorgfältige Bestandsaufnahme der Arten auf diesem Bauwerk spezialisiert.

 Saleh hatte sich zum Leiter des Grand Hotels in Naroda emporgearbeitet - mit direktem Blick auf die Katarakte von Dhumghor einer der faszinierendsten Arbeitsplätze auf dem Saphir.

Auf der Unterseite der durchsichtigen Plattform hatten sich zahllose Gäste aus der aquatischen Welt versammelt - auch sie wollten der feierlichen Zeremonie beiwohnen: Die obersten Repräsentanten des Fluidominions, wie beispielsweise Fluideur Yoroquor, Vertreter von Epsilon Eridani IV aber auch vom Saphir selbst nahmen an den Feierlichkeiten teil.

Auch viele Rovennon, als dritte evolutionär hochstehende Rasse, zählten zu den Gästen.

Der Kurator ergriff das Wort: „Der heutige Tag bildet den Kulminationspunkt einer großartigen Entwicklung vieler Rassen, die künftig ihr Schicksal gemeinsam in Frieden leben und gestalten wollen.

 Technologisch ist uns in den letzten Jahrzehnten Unglaubliches gelungen: Künstliche Planetenerschaffung, Ringwelt- und Larssen-Sphären-Bau. Dann die Bewältigung der immensen Entfernungen im Kosmos - Dierton-Antrieb, Raumtore, Sprungtechniken, Wurmlöcher. Und dann der entscheidende Durchbruch - Deformation von Raum und Zeit, das Erreichen der Leerräume zwischen den Mauern aus Galaxien.

 Gesellschaftspolitisch ist dieser Staat ebenfalls auf einem sehr guten Weg: Diskriminierung ist unbekannt, Rassen werden in jeder Hinsicht geachtet und respektiert.

 Aber auch der Staat fordert von allen Föderationisten seinen Tribut: Das Erlernen des UniKaLs ist unabdingbare Voraussetzung für den weiteren Zusammenhalt der Föderation. Alle anderen Sprachen und Kommunikationsformen haben gegenüber dieser Aufgabe zurückzutreten.

 Und das beste Beispiel, dass dies in der Vergangenheit reibungslos funktioniert hat, war die Hilfsbereitschaft aller Föderationisten bei der Bewältigung der Core Explosion. Ich spreche heute zum ersten Mal als Kurator öffentlich meinen Dank an all diejenigen aus, die häufig unter Einsatz ihres Lebens bis zum Äussersten gegangen waren. Billionen von Leben sind gerettet worden.

 Aber ich rufe auch gleichzeitig zur Wachsamkeit auf. Damit dieser Staat so erfolgreich weiter existiert, seine Bürger für noch sehr lange Zeit in Sicherheit leben können, ist jeder einzelne stets aufs Neue gefordert, Gerechtigkeit, Toleranz und Nächstenliebe gegenüber jedermann walten zu lassen. Ich fordere deshalb jeden Föderationisten auf, in diesem Bestreben niemals nachzulassen. Wir wissen aus der Vergangenheit, was geschieht, wenn die soeben geschilderten Ziele aus den Augen verloren werden. Duwuthrounu, Warendula und Terra sind drei abschreckende Beispiele für mangelnde Toleranz, Mitrassig- beziehungsweise Mitmenschlichkeit.”

Kräftiger und langanhaltender Applaus brandete auf. Der Kurator verneigte sich. Er wollte sich gerade wieder setzen, als erregtes Gemurmel und erstaunte Rufe unter den Umstehenden zu hören waren. Knud drehte sich um. Drei Warendulaner standen da, ihre Augenreihen ihm zugewandt. Sie verneigten sich respektvoll vor ihm. Es herrschte Totenstille.

„Kurator!”, trompetete die Stimme in einem klaren Singsang in dem schönsten UniKa, das Knud je vernommen hatte. „Kurator, Ihr seid in jeder Hinsicht eine Zierde des Universums!” Erstauntes Raunen der Umstehenden war zu vernehmen - dann erneute Stille.

Knud wusste überhaupt nicht mehr, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Wieso wurde er so direkt angesprochen? Jedermann wußte doch, dass man das Individuum, welches die Funktion des Kurators innehatte, nicht enttarnen durfte. Das gebot erstens die Tradition und zweitens diente dem Schutz der Privatssphäre.

„Kurator!” Die Stimme liess nicht locker. „Warum versteckt ihr Euch? An Eurer Stimme, Eurer Ausdrucksweise, Eurem Sprachstil und Satzbau habt ihr Euch verraten. Wir wissen, wer Ihr seid. Ihr habt persönlich veranlasst, dass 52 Billionen 270 Milliarden 963 Millionen und 275368 Lebewesen im Zuge der Core Explosion evakuiert wurden. Ihr habt vor wenigen Monaten über 350 Billionen Lebewesen im Duwuthrounu Bündnis gerettet, zusammen mit unersetzlichen Kulturgütern und zahllosen Ökosystemen. Auch uns habt ihr damals in Sicherheit gebracht, Knud Larssen. Ihr habt an Bord Eures Schiffes anderthalb Millionen Warendulaner auf Drelos VI gebracht - einer wunderbaren Welt, die Ihr für solche Notfälle erschaffen habt. Nicht nur Euch, sondern auch Eurer Schwester Astrid und Commander Moluh gebührt dabei auch besonderer Dank.

Denn vor dieser beeindruckenden antiken Kulisse, vor der wir uns jetzt alle in diesem feierlichen Moment versammelt haben, kann ich jetzt endlich eines der größten Geheimnisse im Zusammenhang mit der Warendula - Katastrophe lüften. Denn Ihr, verehrter Kurator wart es, die Astrid und Moluh angewiesen habt, unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel, einzugreifen. Dank Ihrer fabelhaften Koordination aller damals einsatzbereiten Raumstreitkräfte gelang es unter absoluter Geheimhaltung über sechs Milliarden Warendulaner - immerhin fast Dreiviertel der Bevölkerung - zu evakuieren. Denn Ihr wart es damals auch, der angeordnet hat, tausende von schrottreifen Raumschiffen zur Umsiedlung mit einzubeziehen - unter Umgehung aller nur erdenklichen Vorschriften. Aber diese Tat ist ab dem heutigen Tage verjährt, und es ist ja bei dem Transport selbst niemand zu Schaden zu kommen. ”

Tosender Applaus brandete auf.

„Hoch lebe der Kurator, Vivat Knud Larssen!”

Erneut war der Singsang des Warendulaners zu vernehmen. „Ihr seid in jeder Hinsicht dieses Amtes würdig!”

Knud war merklich gerührt.

„Auch wir danken Euch von ganzem Herzen. Ihr habt uns vor der Vernichtung bewahrt - wenn wir nach Judäa zurückgebracht worden wären - so wie es die Charta fordert.”

Mouad er kannte die Stimme Bobak Ferdowsi. Er hatte sich inzwischen der Arbeitsgruppe um Wahid und Nefud angeschlossen, zusammen mit weiteren Koryphäen, die damals für eine friedlichere Erde demonstriert hatten. Einige hundert Terraner dieser Flüchtlingsgruppe hatte es sich nicht nehmen lassen, persönlich an der Feierstunde teilzunehmen.

Mouad ging auf den Kurator - seinen geliebten Mann - zu und umarmte ihn. Er nahm ihm das weiße Gewandt und die Gesichtsmaske ab. Knud stand in seiner dunkelblauen Schiffsuniform vor ihm.

Ein Raunen ging durch die Menge. Viele der Umstehenden waren einfach fassungslos, dass ein Mensch zu solch grandiosen Leistungen in der jüngsten Vergangenheit fähig war. Und zu Mouads Überraschung hatte die Enttarnung des Kurators entgegen der Traditionen der zurückliegenden Jahrtausende nicht die geringsten negativen Auswirkungen. Viele der Anwesenden beglückwünschten Knud und Mouad sogar dafür, diese Entscheidung getroffen zu haben.

Aber dies sollte nicht das einzige unerwartete Ereignis an diesem Tage bleiben. Denn das Ergebnis der geheimen Abstimmung des Föderationsrates und weiterer Gremien über die Besetzung des Amtes des Regierungschefs und seiner Minister wurde erst jetzt veröffentlicht. Und so war es Maruthron, der als erster Kroaxar den neuen Ministerpräsidenten der erheblich vergrößerten Föderation stellte. Er war völlig überwältigt von diesem Vertrauensbeweis. Mit dieser Ernennung wurden seine Verdienste zur Rettung des Duwuthrounu Bündnisses gewürdigt.

Die größte Überraschung sollte aber noch kommen. Denn als letztes war die Position des Wissenschaftsministers neu zu besetzen. Maruthron, der die Namen der Minister verlas, war sich der Bedeutung dieses Augenblicks sehr wohl bewusst.

Es war...Nefud.

Er hatte es geschafft, als erster menschlicher Wissenschaftsminister in das erlauchte Gremium aufgenommen zu werden. Eine Wahl, die bei allen auf Zustimmung traf. Als ihm die Ernennungsurkunde aus der Klaue von Maruthron überreicht wurde, begann er zu ahnen, was geschehen war - und Nefud war nicht mehr in der Lage, seine Emotionen zu kontrollieren.

Und was wurde aus Mouad? Er war als Berater von Knud und als inoffizieller stellvertretender Kurator in der Föderation hoch geschätzt. Dieses Amt wurde ihm auch vom Föderations- und Kondominiumsrat nahegelegt und bestätigt. Das Einfühlungsvermögen in schwierige Situationen, die Unaufdringlichkeit seines Auftretens und der tolerante Umgang mit den verschiedenen Rassen hatten Mouad den Respekt des politischen Establishments der Föderation verschafft.

Der Kurator 7 Neue Wege 8 Kornar V 9 Leerraum

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