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Der Aufstieg Deutschlands zur Supermacht
ОглавлениеAls die Regierung Schröder mit der Agendapolitik ein neues soziales Zeitalter einläutete, hatten wohl nur wenige vorhersagen können, welche Auswirkungen dies auf Deutschland, auf Europa und auf den Rest der Welt haben würde. Deutschland galt als der ‚kranke Mann' Europas. Die Wirtschaft Deutschlands verfügte im globalen Vergleich zwar über enorme Potentiale, sie war jedoch nicht wettbewerbsfähig. Löhne und Sozialabgaben waren für Unternehmen hier zu Lande zu hoch. Arbeitsplätze wurden in großem Stil abgebaut, Firmen kehrten Deutschland den Rücken, um im Ausland billiger zu produzieren. Durch die Agenda 2010 wurde es den Unternehmen ermöglicht, Löhne zu senken. Die Sozialabgaben wurden reduziert. Langsam fand die Wirtschaft wieder Vertrauen in den Standort Deutschland. Es wurde verstärkt in Zukunftstechnologien investiert. Deutschland entwickelte sich zur führenden Wirtschaftsnation in Europa und zu einer der führenden in der Welt. So könnte man in wenigen Sätzen den Weg vom ‚kranken Mann' zum Wirtschaftsgiganten skizzieren. Was aber ist der Preis, den Europa und auch die Bürger Deutschlands dafür zu zahlen haben?
Die Appelle an die Gewerkschaften und an die Arbeitnehmer, Lohnzurückhaltung zu leisten, wurden großenteils befolgt. Jahrelang wurde auf die gewohnten Lohn- und Gehaltserhöhungen verzichtet. Weihnachts- und Urlaubsgeld wurde zeitweise oder dauerhaft gekürzt oder auch komplett gestrichen. Die Beschäftigten nahmen teils aus Rücksicht und Verständnis für ihren Arbeitgeber, teils aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, diese Maßnahmen zähneknirschend hin.
Was aber eigentlich für die eher vom Export abhängigen Unternehmen gedacht war, wurde gerne auch in anderen Bereichen realisiert. Handwerksbetriebe, Einzelhandelsunternehmen, Produktionsbetriebe, die weniger oder gar nicht exportorientiert arbeiteten, nutzten diese Möglichkeiten ebenfalls. Die Folge war, dass das gesamte Lohnniveau in Deutschland gesenkt wurde. Letztendlich war jeder gezwungen, seinen Mitarbeitern zum Zahltag weniger aufs Konto zu überweisen, um nicht selbst Opfer eines ruinösen Verdrängungswettbewerbs zu werden. Es wurde eine Spirale in Gang gesetzt, die nach unten gerichtet war. Nachdem Zulieferer bis auf den letzten Prozentpunkt heruntergehandelt waren, blieb nur noch die Möglichkeit, Löhne und Gehälter der Mitarbeiter zu senken, um überhaupt noch Aufträge verbuchen zu können. Im oft angesprochenen Frisörhandwerk sah die Sache noch ein wenig anders aus: Hier waren es die Salonketten, die die Preise senkten und deshalb zum Teil unverschämt niedrige Löhne zahlten. Der Frisörmeister ‚an der Ecke', der seinen Angestellten gerne ein paar Euro mehr hätte zahlen wollen, war gezwungen, auf das Preisniveau dieser großen Wettbewerbsunternehmen einzusteigen und die Löhne entsprechend anzupassen.
Werfen wir einen Blick auf den Einzelhandel. Auch hier herrscht ein ruinöser Verdrängungswettbewerb. Es geht um Marktanteile, die es zu gewinnen gilt und koste es, was es wolle. Die Nahrungsmittelindustrie drückt die Preise der Erzeuger, also ihrer Zulieferer. Sie verfügt darüber hinaus über einen sehr hohen Automatisierungsgrad innerhalb ihrer Produktionsanlagen, kommt also mit immer weniger Personal aus, aber natürlich wird auch hier gespart und um jeden Cent bei Löhnen und Gehältern gerungen, um den Einzelhandel wettbewerbsfähig beliefern zu können und nicht aus dem Regal genommen zu werden.
Oft wird ja der Verbraucher für die Niedrigpreise verantwortlich gemacht. Wer aber fordert schon einen Liter Milch zum Preis von 45 Cent oder Schweinefleisch für 2,50 € das Kilo? Nein! Zuerst gibt es das Angebot beim Discounter. Dass dieses dann vom Käufer angenommen wird, sollte niemanden wundern. Steigt der Milchpreis wieder auf 56 Cent an, führt das bei dem einen oder anderen schon zu Protesten, was aber nicht automatisch heißt, dass der Kunde den Preis nicht zu akzeptieren bereit wäre und nun keine Milch mehr tränke. Es sind Dumpingpreise, bei denen der Handel nicht einmal mehr Gewinne erzielt. Die Kunden sollen dadurch in die Geschäfte gelockt werden. Die Gewinne werden mit anderen – teilweise dann überteuerten – Produkten erzielt.