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Vorwort zur Erstausgabe
ОглавлениеDie Anregung zu dem vorliegenden Buche empfing ich als Mitglied des Untersuchungsausschusses des Reichstags für die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs. Ich gehörte dem Untersuchungsausschuß von 1925-28 an und war Referent für die sog. Dolchstoßfrage. Es war eine Gelegenheit, Material aus erster Hand kennenzulernen, wie sie sich dem Historiker nur selten bietet. Die Mitglieder des Ausschusses gehörten den verschiedensten politischen Parteien an. Aber sie waren doch alle bemüht, ungeachtet aller Differenzen in der Weltanschauung, zur geschichtlichen Wahrheit vorzudringen. Von meinen ehemaligen Kollegen im Ausschuß verdanke ich zweien besonders viel: Professor Bredt hat durch sein Gutachten „Der Reichstag im Weltkrieg“ eine Fülle neuer Probleme und Zusammenhänge aufgedeckt, und Professor Bergsträsser hat in seinen Beiträgen zum Werk des Untersuchungsausschusses vor allem die so wichtigen volkspsychologischen Gesichtspunkte betont.
Zum Abschluß meines Buches habe ich den 10. November 1918 gewählt, obwohl es sachlich besser gewesen wäre, bis zur Annahme der Weimarer Verfassung in der Nationalversammlung herabzugehen; aber für die Forschung liegt heute der Einschnitt beim 10. November: Für die Zeit vorher sind die Akten der wissenschaftlichen Untersuchung wenigstens zum größten Teil zugänglich, für die Zeit danach aber nicht. Eine kritische Geschichte Deutschlands nach dem 10. November 1918 zu schreiben, ist heute noch unmöglich. Die Arbeiten des Untersuchungsausschusses bezogen sich nur auf die Zeit nach Ausbruch des Weltkrieges. Ich mußte jedoch, um die Gesamtentwicklung verständlich zu machen, bis 1871 zurückgreifen.
Ich habe in der Zeit bis zum 10. November 1918 keiner politischen Partei oder Organisation angehört. Meine persönlichen Erlebnisse in jener Zeit waren so unbedeutend, daß sie mich zu keiner nachwirkenden Voreingenommenheit veranlassen konnten. Ich habe dieses Buch ohne Rücksicht auf irgendeine Parteimeinung oder irgendein Parteiprestige geschrieben. Ich glaube auch nicht, daß meine politische Wirksamkeit im letzten Jahrzehnt mich zu ungerechten Urteilen veranlaßt hat. Ich habe bei der Niederschrift des Buches immer nur einen Feind vor mir gesehen: die historische Legende, ganz gleich ob sei von „rechts“ oder von „links“ kam. Selbstverständlich ist mein Buch auch keine Publikation des Untersuchungsausschusses. Sondern die gesamte Verantwortung für meine Darstellung trage ich allein.
Die Eigenart der politischen Entwicklung Deutschlands hat es mit sich gebracht, daß bei uns das leere politische Schlagwort, die Illusion und die politische Lebenslüge eine viel größere Rolle spielt als bei anderen Völkern. Wenn ich meinen Lesern im Kampf mit diesen Gespenstern ein wenig helfen könnte, hätte ich alles erreicht, was ich mit meinem Buch beabsichtige.
Berlin-Zehlendorf, im August 1928.
Arthur Rosenberg
Der Text der zweiten Auflage (5.–7. Tausend) ist der alte, bis auf einige kleine Berichtigungen, besonders von Druckfehlern.
Berlin-Zehlendorf, im Dezember 1929.
Arthur Rosenberg
Von Dr. Arthur Rosenberg
Privatdozent an der Universität Berlin
Referent des Untersuchungsausschusses des Reichstags
für die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs
1930 Ernst Rowohlt Verlag, Berlin