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Mario Keßler Zeitkritik und Nachwirkung. Arthur Rosenbergs Bücher zur Weimarer Republik

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Zeitgenössische Geschichte, schrieb der Publizist und Weltbürger Sebastian Haffner, ist die beste Geschichte. Alle Quellenforschung ersetze nicht die eigenen Augen, die es wirklich gesehen haben, und vor allem nicht die eigene Nase, die es wirklich gerochen hat. „Es gibt für den Historiker räumlich und zeitlich eine Art Idealdistanz zu seinem Gegenstand: räumlich die des gerade noch Beteiligten, der dabei war und ein bißchen mitgemischt hat, ohne geradezu im Mittelpunkt zu stehen; zeitlich ungefähr zehn bis zwanzig Jahre danach, wenn sich die Erinnerung gesetzt hat, aber noch nicht verblichen ist.“ Genau diesen Abstand habe der Historiker Arthur Rosenberg besessen, als er seine Bücher über Aufstieg und Fall der Weimarer Republik, zur Geschichte des Bolschewismus sowie über Demokratie und Sozialismus schrieb. Rosenberg habe sich, ohne Nebengeräusche zu beachten, ganz auf die ihn interessierenden Fragen konzentriert. „Daß er außerdem noch ein Mann von hoher Wahrheitsliebe und Fairness war, ein gelernter Fachhistoriker und ein glänzender Schriftsteller, ergab einen Glücksfall, für den ich in Deutschland im 20. Jahrhundert keine Parallele weiß.“1

Über wenige Historiker hat sich das allgemeine Urteil nach ihrem Tod so sehr gewandelt wie über Arthur Rosenberg, dessen Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik hier als Neuausgabe vorliegt. Arthur Rosenberg (19.12.1889 Berlin–7.2.1943 New York) schrieb den ersten Teil, das Buch zur Entstehung, genauer: zur Vorgeschichte der Weimarer Republik, 1928 in Berlin, den Folgeband zur Geschichte der Weimarer Republik schrieb er 1934/35 im englischen Exil. Damit sind bereits Wegmarken dieses politischen Intellektuellen angedeutet, der in seinem kurzen Leben ebenso ein Außenseiter des Fachbetriebs war wie – nach einer kurzen und spektakulären Karriere – auf der politischen Linken. Alsbald nach seinem Tod setzte jedoch eine intensive Rezeption von Rosenbergs zeithistorischen Arbeiten ein, zu denen neben den hier vorliegenden seine Geschichte des Bolschewismus sowie sein letztes Buch Demokratie und Sozialismus gehören. Fünfundzwanzig Jahre nach Rosenbergs Tod wurden seine Bücher zur Weimarer Republik geradezu „Klassiker“ unter den Studenten und Akademikern in der Bundesrepublik und West-Berlin, die politisch nach neuen Ufern suchten. In nüchterner Betrachtung gilt Rosenberg auch heute als einer der wichtigsten deutschen Historiker des 20. Jahrhunderts – ein Urteil, das zu seinen Lebzeiten undenkbar schien.

Es lohnt noch immer, sich mit Arthur Rosenberg die Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik lesend zu erschließen. Die beiden Bücher waren nicht nur Pionierarbeiten, was ihre wissenschaftliche Bedeutung betraf, sondern fesseln auch durch ihren packenden, doch zugleich schnörkellosen Stil wie durch ihre pointierten Urteile. Dabei ging es Rosenberg stets um die analytische Durchdringung scheinbar kaum entwirrbarer Vorgänge, die er aus ihrem Kontext heraus zu interpretieren verstand. Scheinbare Nebenbemerkungen, die Rosenberg in den Gang der Erzählung einstreute, erhellen wie Schlaglichter die Motive der politischen Akteure, die diese selbst hinter einer Wand hochtönender Phrasen zu verbergen suchten. Rosenbergs klare Sprache war nicht zuletzt ein Ergebnis seiner jahrelangen Lehrtätigkeit in der Berliner Hochschule für Politik wie in Volkshochschulen, in denen er bei bildungshungrigen Arbeitern und Angestellten eine dankbare Schülerschaft fand. Weit besser als mit jeder anderen zeitgenössischen Arbeit konnte und kann man mit Rosenberg auf eine Entdeckungsreise durch die deutsche Geschichte zwischen 1871 und 1934 gehen; eine Zeit, deren Wirkungen noch stets spürbar sind und uns noch immer beschäftigen.

Der hier vorliegende Text Arthur Rosenbergs fasst seine beiden Bücher zusammen, die zuerst mit den Titeln Die Entstehung der deutschen Republik und Geschichte der deutschen Republik 1928 bei Rowohlt in Berlin und 1935 im Verlag Graphia im tschechischen Karlsbad erschienen. Dem zweiten Band angefügt ist ein „Epilog“, der den Gang der Ereignisse bis zum Jahr 1934 zieht. Rosenberg schrieb dieses Kapitel nach seiner Emigration in Liverpool wahrscheinlich in Englisch; jedenfalls ist keine deutsche Fassung bekannt. Dieser Epilog, der in den englischen und amerikanischen Ausgaben von A History of the German Republic seit 1936 abgedruckt ist, fehlte bislang in allen deutschen Editionen. Er wurde vom Herausgeber unter größtmöglichem Bemühen, Arthur Rosenbergs Stil treu zu bleiben, übersetzt. Die vorliegende Edition beinhaltet auch die Vorworte zu den Erstausgaben beider Bücher sowie eine in späteren deutschen Editionen weggelassene Passage zum Flaggenstreit in der Weimarer Republik. Kurt Kerstens Vorwort, das den deutschen Ausgaben seit 1955 vorangestellt war, wurde jedoch durch die hier abgedruckten Bemerkungen ersetzt. Diese möchten in Arthur Rosenbergs Leben und in zentrale Gedanken beider Bücher sowie in deren zeitgenössische wie spätere Rezeption kurz einführen.2

Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik

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