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3. Kapitel

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Jakob liebte es schon immer, eins mit der Natur zu sein. Nur konnte er dieses Mal jene reinen und lebensspendenden Gefühle, welche er sonst immer verspürte, wenn er Gottes Schöpfung in sich aufnahm, nicht genießen.

Es war noch dunkel, nur wenig Licht drang durch die Bäume und die massiven Felswände zu dem steinernen Weg durch. Jakob hatte den Ort des Unfalls schleunigst verlassen und wenig später den Hinweis des Professors, das Kreuz am Straßenrand, gefunden. Sein demoliertes Auto stand nun am Fuße des Ineu und er stiefelte durch die kaltfeuchte Nacht. Es hatte aufgehört zu regnen. Die dunkle Wolkendecke zog auf und zum ersten Mal seit seiner Ankunft im Gebirge sah er den Mond, der, vollständig erleuchtet, in gespenstischer Ruhe auf ihn herabschien.

In konzentrierter Stummheit wartete er auf das Lebenszeichen eines Tieres, das diese Ruhe zerbrach. Irgendein Vieh, das sich bemerkbar machte und durch einen Laut von seinem Treiben in diesem Wald zeugte. Aber da war nichts und Jakob wurde unbewusst an die Sekunden seines Kampfes erinnert. Seine Eindrücke waren noch frisch, genau wie seine Blessuren, die ihn schmerzhaft an jenen wahr gewordenen Alptraum denken ließen. Er beschloss daher, die jetzt eingetretene Stille des Waldes vorzuziehen. Letzten Endes befand er sich nördlich der Südkarpaten, in einer okkulten Gegend, die für ihre Schauermärchen rund um hier lebende Vampire berüchtigt war. Und so sehr er sich auch innerlich dagegen wehrte, er konnte den Gedanken nicht von sich weisen, dass diese Kreatur von heute Nacht durchaus Ähnlichkeit mit den mythischen Gestalten aus Siebenbürgen hatte.

Seine Einbildungen bekümmerten Jakob zunehmend. Er grübelte, hin und her gerissen zwischen dem Erlebten und seiner Phantasie, die ihm durchaus kreativ und zugleich erschreckend vorkam. Seine jetzige Aufgabe bestand aber eindeutig darin, die vergangenen Stunden in einer Schublade in seinem Kopf v erschwinden zu lassen. Denn wenn er das Plateau unterhalb des I neu vor Tagesbeginn erreichen wollte, musste er seine Kräfte bündeln und in wirksame Taten umsetzen. Also zog er das Tempo wieder an, ohne drüber nachzudenken, wie real das Risiko war, vom eigentlichen Pfad abzukommen und in den Wäldern der Karpaten verloren zu gehen. Doch schließlich blieb er stehen und schaute sich nach beiden Seiten um.

„Klasse, Jakob“, sprach er zu sich und trat gegen einen Stein. Er musste feststellen, dass sich in der Dunkelheit alles ähnelte, verschwommene Schattenbilder, die er nur vage wahrnahm. Jeder Baum, jeder Berg und jede Lichtung ergaben für ihn dasselbe Bild, fast wie eine Gruppe Menschen aus Fernost mit ihren gleich aussehenden Gesichtern. Alles, was er in diesem Moment erspähen konnte, war der hell leuchtende Mond am Firmament.

Er verwünschte sich, hatte er doch in der Hektik vom Vortag vergessen, eine Taschenlampe einzupacken, die ihm in der momentanen Situation nützliche Dienste erweisen könnte. Sicherlich lag diese in einem Regal, versteckt hinter Skizzen oder Mitbringsel von Urlaubsreisen, bedeckt von einer feinen, gleichmäßigen Schicht grauen Hausstaubs. Unsicher griff er nach hinten an seinen Gürtel. Mit den Fingern tastete er diesen entlang und erreichte schließlich die lederne Scheide seines Messers. Das Gewicht beglaubigte ihm den erhofften Inhalt und pure Erleichterung setzte ein. Zumindest daran hatte er gedacht und die Klinge nicht im Auto liegen lassen.

Er zwang sich, irgendetwas in der Dunkelheit, die ihn jetzt völlig umschloss, zu erkennen. Und auch wenn sich seine Augen mit der Zeit etwas an die Finsternis gewöhnt hatten, so konnte er sich keineswegs mehr auf diese verlassen. Immer wieder stolperte er über Wurzeln und stieß sich mehrmals die Knie wund an den harten Kanten der Steine, die seinen Weg pflasterten. Er resignierte schließlich. Sein wichtigstes Sinnesorgan war im Augenblick schlichtweg nicht mehr zu verwenden. Er musste sich etwas einfallen lassen und womöglich seine anderen, unentdeckten Sinne schärfen. Was blieb ihm anderes übrig? Er musste es versuchen.

Etwas mürrisch schritt er vorsichtig weiter, einen Fuß vor den anderen setzend. Er spürte jetzt deutlich das Übermaß kleiner Steinchen unter seinen Schuhsohlen, die, tausendfach verstreut, den Weg markierten, sich jedoch keineswegs unangenehm anfühlten. Bei jedem Aufsetzen des Fußes gaben sie ein feines Signal von sich, ein Knirschen, das Jakob wahrnahm und auf das er sich, ob gewollt oder nicht, vollkommen verlassen musste. Er fühlte sich mit seinen Schritten weiter und fand es ungemein interessant, wie sich alle anderen Sinne auf die gegenwärtige Situation einstellten, nur weil sein Augenlicht nicht mehr so mitspielte, wie es dies eigentlich sollte. Dieser Zustand schien ihm unangenehm und faszinierend zugleich, ein Widerspruch wie Liebe und Hass zusammen, und mal abgesehen von dem Sinn und dem Zweck dieser Tour, den Gefahren und der Ungewissheit, verspürte er etwas Vertrautes, ein Gefühl der Ruhe und Geborgenheit. Jakob glaubte zu verstehen, dass Mutter Natur ihm neuerlich die Gelegenheit gewährte, seinen inneren Sinn zu schärfen und einen lauteren Geist zu formen. Und hierzu sollte ein atemberaubendes Schauspiel einen weiteren Anstoß geben.

***


Wenige Augenblicke später war es so weit. Entfesselt vom allerersten Strahl, tauchte er auf mit all seiner Eleganz und Schönheit: ein majestätischer Feuerball, der sofort begann, jeden noch so abgelegenen Winkel zu erleuchten und zu erwärmen. Das Licht spiegelte von den Bergspitzen herab, deren dunkles Schwarz sich bedächtig in ein wunderschönes gläsernes Weiß wandelte. Alles wurde allmählich vom Glanz der Sonne berührt und selbst der tot geglaubte Wald erwachte und schien am Leben teilnehmen zu wollen.

Auch Jakob wurde warm ums Herz und er fing an zu verstehen, dass Finsternis und Kälte gegen solch eine Macht makellosen Lichts chancenlos waren. Dieser Sonnenaufgang mit seiner unverrückbaren Symbolik ließ keinen Zweifel mehr daran, absolut keinen Zweifel. Er betrachtete den tiefroten Horizont und dessen prächtiges Farbenspiel: die orange schillernden Wolken, die Vögel, die in Zeitlupe gleichmäßig und unbeirrbar der Sonne entgegenflogen, und er entrückte in ein Gefühl der Endlosigkeit. Er fühlte sich frei, denn er hatte trotz aller Zweifel und Strapazen sein Zwischenziel erreicht: einen schmalen Vorsprung unterhalb des hügeligen Ineu.

Erleichtert schaute Jakob vom Plateau aus gen Osten und genoss das morgendlich wärmende Licht auf seinem Gesicht. Er genehmigte sich einen langen und intensiven Atemzug reiner Luft, unbefleckt und frei vom Staub der Großstädte und Industriebetriebe, denen er in der Regel ausgesetzt war. Sofort verspürte er neue Kraft. Sein müder und versehrter Körper begann sich zu regenerieren, auch der Schönheit dieser Welt wegen, und er glaubte, davon abhängig zu sein wie manch anderer von Nikotin und Kaffee oder diesen buntgemischten Szenedrogen, die einem vollkommen das Gehirn vernebelten. Er war ein Gefangener jener einmaligen, wundervollen Natur, gleich einem Spinner in seiner bunten, virtuellen Welt aus Bits und Bytes. Jakobs Auffassung vom Leben war Freiheit. Er wollte sich von nichts benutzen lassen oder gar abhängig sein von irgendetwas. Sein Geist sollte über seinen Körper herrschen und nicht andersherum. Nur die Natur und das damit verbundene Gefühl der Endlosigkeit stellten eine Ausnahme dar.

So verstrichen einige Minuten, bis Jakob sich wieder auf seine Mission besann und ungeduldig in seiner Hosentasche zu kramen anfing. Er zauberte einen beschmierten Zettel hervor. Neben Vermerken und Skizzen standen darauf auch die Namen der Berge, zwischen denen die Morgensonne gerade am Horizont aufging. Beeindruckt vom Anblick der beiden Riesen, vergaß er schnell all seine in den letzten Tagen erlittenen Entbehrungen. Genau dieses Bild war Grund und Antrieb für seine vielen Bemühungen, ja es war selbst notwendig, um den weiteren Wegverlauf klar bestimmen zu können. Endlich begannen die vielen Rädchen ineinanderzugreifen und Jakob spürte zum allerersten Mal ein Gefühl des Triumphes aufkommen.

Der Dealul Negro er schien ihm etwas kleiner zu sein als dessen Zwillingsbruder, der Gajei. Professor Friedmanns Empfehlung war, die Anstrengungen des unzugänglichen Gebirges auf sich zu nehmen und direkt zwischen den beiden Höhenzügen hindurchzumarschieren. Zum einen würde das Zeit sparen, weil so kilometerlange Umwege vermieden werden könnten, und zum anderen würde Jakob dadurch unentdeckt bleiben. Er entschied sich, den Rat des Professors zu befolgen, denn auch nach seinem pfadfinderischen Verständnis war jede Abweichung vom rechten Weg mit Selbstmord vergleichbar.

Jakob lief los, mitten durchs Dickicht und geradewegs der Sonne entgegen. Es roch nach Frühling. Das Gebirge war vom Schnee des vergangenen Winters nahezu vollständig befreit und wechselte wie immer um diese Jahreszeit, hervorgerufen durch junge Pflanzentriebe, das Kleid. Ein wenig verwundert über die Schwierigkeit des Wegs, kämpfte sich Jakob in Richtung Tal vor. Der sowieso schon nasse Boden war durch die Regenfälle der vergangenen Stunden vollkommen aufgeweicht und machte ein zügiges Vorankommen zu einem schweren Unterfangen. Je weiter er sich bergab durcharbeitete, desto kleiner wurde sein Blickwinkel, bis er die Schneise zwischen den Kuppen ganz aus seinen Augen verlor. Die dichte Waldgrenze, der Wechsel zwischen Hoch- und Mittellage des Gebirges, war nun erreicht. Er war umgeben von Laub- und Nadelbäumen, die ihm den Weitblick raubten.

Er hielt kurz inne, um zu verschnaufen. Dann setzte er sich wieder in Bewegung. Er hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, knöcheltief im Morast zu stecken, und allmählich wandelten sich auch seine täppischen, unkontrollierten Schritte zu einem sicheren, mechanischen Gang. Da er immer wieder ins Rutschen geriet, nutzte er seine Körpermasse, um zügiger nach unten zu kommen. Im Laufschritt legte er ein, zwei Meter zurück, sprang über ein Hindernis und ließ sich dann bergab über den schmierig glatten Boden gleiten. Manchmal rutschte er auch über die nassmodrige Rinde umgestürzter Bäume und musste aufpassen, dass er sein Gleichgewicht bewahrte. In diesem Rhythmus gelangte Jakob an eine mächtige Schlucht. Er blieb am Rande des Abgrunds stehen, seine Blicke senkten sich und er schaute hilflos in die Bodenlosigkeit.

Diesen höllischen Spalt hatte er nicht voraussehen können. Der dichte Wald hatte ihm den Ausblick auf diesen Graben von oben herab verweigert. Jakob zögerte. Die steile Schlucht zu umlaufen, würde ihn gewiss viel Zeit kosten und der Weg könnte sich kilometerweit in die Länge ziehen. Überdies hatte er keinen Bock, den eingeschlagenen Pfad zu verlassen und sich dann neu ausrichten zu müssen. Er schaute auf, in die Kronen zweier Bäume und verweilte regungslos für einige Sekunden in dieser Stellung. Er fühlte sich genauso unentschlossen wie diese, die, vom Winde hin und her gerissen, völlig unfähig schienen, irgendeine Richtung einzuschlagen. Sein Blick senkte sich und er betrachtete wieder den dunklen Graben vor seinen Füßen.

Gut siebzig Meter in den tiefen Rachen des Monsters hinunterschauend, erspähte Jakob die Sohle des Tales. Ein Flusslauf, welcher jetzt im Frühjahr aufgrund der einsetzenden Schmelze in den Bergen reichlich mit Gebirgswasser gefüllt war, toste dort unaufhaltsam und ohne Rücksicht vor sich hin, massivstes Gestein und tonnenschwere Felsbrocken konnten ihn nicht aufhalten. Jakob überkam das schleichende Gefühl, die steilen Hänge und das wild tobende Wasser nicht überwinden zu können.

„Mist“, knurrte er, auf der Suche nach einer Möglichkeit, die es ihm gestatten würde, einen Umweg um die tiefe Schlucht herum zu nehmen. Ein allerletztes Mal schaute er die Abgrundkante entlang und entdeckte plötzlich unweit von sich, einige Meter tiefer auf der gegenüberliegenden Wand gelegen, einen kleinen Vorsprung. Dieser ragte, wie das Gesims eines alten Bauwerks liebevoll verschnörkelt, weit über das Flussbett hinaus. Jakob war besänftigt.

Parallel gegenüber dem Felsausläufer begann er mit dem Abstieg. Die Wand war glitschig und feucht und lud nicht gerade zu einer Kletterpartie ein. Sie verlief extrem steil und immer schmaler werdend wie ein Kegel nach unten, gesäumt von etlichen Furchen, die es Jakob einfacher machten, Halt zu bewahren. Er hatte weder ein Seil noch irgendwelche Karabiner dabei, um sich damit abzusichern, geschweige denn die Möglichkeit, diese an Haken in der schroffen Felswand zu befestigen. Daher prüfte er jedes Mal doppelseitig seinen Stand und krallte sich mit seinen Fingern in winzigen Ritzen fest, die ihm als Stütze dienten. Erst wenn er sich ganz sicher war, verlagerte er sein Gewicht, schob, suchend nach neuer Balance, ein Bein nach unten und fasste gleichzeitig mit der Gegenhand um. Ein Profi war er sicherlich nicht auf diesem Gebiet, aber auch kein blutiger Anfänger, und so kraxelte er relativ professionell die Schlucht hinunter. Nun zahlten sich die einstigen Bergtouren mit seinem besten Kumpel Rafael in den Wänden der Tiroler Alpen aus.

Als Jakob Rafael Angeletti kennen lernte, war der gerade zwei Tage in der Stadt. Verloren in den weiten Straßen Berlins und mit Heimweh im Bauch, hatte er ihn vor dem schwarzen Brett an der Uni getroffen. Sie gehörten beide zum gleichen Jahrgang, gingen zumeist in dieselben Vorlesungen und hatten ähnliche Interessen. Und so kam es, dass sie sich anfreundeten und über die Monate allerbeste Gefährten wurden. Jakob zeigte Rafael die liebsten Orte seiner Stadt und Rafael wiederum nahm ihn in den Semesterferien mit in die Berge. Dort, in der Heimat seines besten Freundes, sammelte er seine ersten Erfahrungen mit dem Bergsteigen und der unberührten Natur. Es war eine tolle Zeit und eine außerordentliche Freundschaft, die von Ehrlichkeit und wahrem Interesse lebte. Sie konnten sich immer aufeinander verlassen, bis zu jenem regnerischen Montag, als Helena aufkreuzte und ihre Männerfreundschaft einer harten Bewährungsprobe unterzogen wurde. Rafael und er standen danach zwar noch in Kontakt, aber mit früheren Zeiten war es nicht mehr zu vergleichen. Sein Kumpel heiratete im Frühling darauf und gründete eine Familie, die in wenigen Tagen Zuwachs bekommen sollte.

Wie versteinert, brütete Jakob vor sich hin. Er war ein Egoist. Wie konnte er von seinem besten Freund verlangen, ihn weiterhin in den Mittelpunkt zu stellen? Er sollte sich viel lieber mit ihm freuen, ihm zu seinem Glück gratulieren, anstelle der Frau den Schwarzen Peter zuzuschieben. Helena hatte fair um Rafael gestritten, ihre weiblichen Reize ausgespielt und schließlich den Kampf für sich entschieden. Jakob hielt kurz inne. Stillschweigend beneidete er seinen Freund, denn dieser schien gereifter, verantwortungsbewusster zu sein als er, er war zu einem Ehemann geworden, der seinem Leben durch die Liebe einen Sinn gab, ganz im Gegensatz zu ihm, von dem man nicht behaupten konnte, dass er mit Bodenständigkeit gesegnet war. Jakob fragte sich, wem es wohl besser ginge: dem Junggesellen oder dem Ehegatten. Aber diese Frage wollte er in Wirklichkeit gar nicht beantworten. Die Wahrheit schien ihm unangenehm und zudem rückte der Felsvorsprung jetzt in erreichbare Nähe.

Gequält schob er sich das letzte Stückchen nach unten und schaute erwartungsvoll an der benachbarten Felswand entlang. Auf gleicher Höhe angelangt, hielt sich seine Freude jedoch in Grenzen, denn der Spalt zwischen ihm und dem Vorsprung schien immer noch riesig zu sein.

Von Erschöpfung übermannt, fingen seine Armmuskeln an zu verkrampfen. Sein Gesicht, gezeichnet und fahl, spiegelte seine Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit wider. Innerlich am Ende und am Punkt angekommen, aufgeben zu wollen, überwältigten ihn Trübsal und Bestürzung. Doch urplötzlich beschwingte sein Gemüt ein wahrhaft schöner Gedanke und rückte den Sinn seiner Entbehrungen wieder ins richtige Licht: Er war einzig wegen ihr hier und er musste seine Schuld begleichen, das durfte er nie vergessen.

Der Verantwortung bewusst und wieder bereit, die heikle Herausforderung anzunehmen, die die Schlucht darstellte, stieg Jakob wieder ein paar Schritte die Felswand hinauf, sodass er höher als der Ausläufer auf der anderen Seite zu hängen kam. Er suchte nach dem bestmöglichen Platz für seinen kühnen Entschluss. Der Stand musste fest und absolut sicher sein, denn das war ausschlaggebend für den Erfolg. Nach einigen Fehlversuchen fand er endlich zwei perfekt geformte Auskerbungen im Felsen, die groß genug waren, um beiden Füßen Platz zu geben und einen Absprung zu gewährleisten. Er drehte sich vorsichtig auf seine Zehenspitzen, bis sein Körper mit dem Rücken zur Wand stand. Seine Hände, zur Seite gestreckt, suchten dabei nach Halt. Der Augenblick war gekommen.

Jakob ging in sich und mobilisierte alle seine Kräfte. Er konzentrierte sich nur noch auf seinen Sprung. Sein Kopf gab seinem Körper den Befehl, zu springen, und die aufgebaute Spannung verlagerte sich in seine Beine, die nun bereit waren loszulassen. Kraftvoll stießen sie sich am Stein ab und Jakob schwebte durch die Luft. Mit dem nächsten Atemzug landete er auch schon wieder sicher und erleichtert auf dem Felsvorsprung der andern Wand. Durch den Aufschlag seiner Körpermasse lösten sich einige lockere Steinchen, die nun in kleinen Gruppen den Felsen hinunterpurzelten und mit einem ungetrübten Platschen im Wasser versanken.

Vom Erfolg getrieben, machte sich Jakob sofort auf den Weg in die zweite Felswand, diesmal bergauf. Es fiel ihm nun leichter voranzukommen, da er seine Hände und Füße gleichzeitig zum Abschieben gebrauchen konnte. Es war angenehmer, die Schlucht hinauf- als in diese hineinzuklettern, und er sah schon den lang ersehnten Rand vor sich, als sein sicherer Griff sich unerwartet löste und er, wie von Geisterhand dazu gebracht, den Halt verlor. Er kämpfte um seine Balance, aber sein Ehrgeiz reichte nicht. Jakob verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe. Das Letzte, was er wahrnahm, waren die unaufhaltsamen Sekunden vor dem Aufprall. Mit einem gedämpften Trommeln knallte sein Körper auf und blieb hinter einem Felsbrocken auf dem Vorsprung liegen.

R.O.M.E.

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