Читать книгу Bekenntnisse - Augustinus von Hippo - Страница 28
3. Die Pläne der Eltern Augustins.
ОглавлениеIn jenem Jahre erfuhren meine Studien eine Unterbrechung, als mir nach meiner Rückkehr aus dem nahen Madaura, wo ich mich bereits zum Studium der Grammatik und Rhetorik aufgehalten hatte, die Mittel für einen längeren Aufenthalt in Karthago bereitgestellt wurden; das allerdings entsprach mehr dem Ehrgeiz als dem Vermögen meines Vaters, eines immerhin nur bescheidenen Bürgers von Tagaste. Doch wem erzähle ich dies? Doch nicht dir, mein Gott, sondern vor deinem Angesichte erzähle ich dies meinem Geschlechte, dem Menschengeschlechte, mag auch die Zahl derer, die je auf diese meine Schrift geraten, nur gering sein. Und warum tue ich dies? Doch nur deshalb, damit ich und alle Leser erkennen, aus welch großer Tiefe wir zu dir rufen dürfen. Und wem neigt sich dein Ohr lieber als einem reuigen Herzen und einem Leben im Glauben? Denn wer erhob damals nicht jenen Mann, meinen Vater, mit Lobsprüchen, daß er über sein Vermögen hinaus alles, was man für einen Studienaufenthalt in der Ferne braucht, auf seinen Sohn aufwenden wollte? Dachten doch viele weit besser gestellte Bürger nicht daran, ihren Kindern ein solches Opfer zu bringen. Dabei aber kümmerte es meinen Vater gar nicht, welche Entwicklung ich vor dir nahm oder wie keusch ich war, wenn ich nur beredt war; in Wirklichkeit aber war ich verwildert, da ich fern von deiner Pflege war, o Gott, der du der einzige wahre und gute Herr deines Ackers, meines Herzens, bist.
Als aber in jenem meinem sechzehnten Lebensjahre wegen der häuslichen Verhältnisse eine Unterbrechung der Studien eintrat und ich bei den Eltern weilte, da wuchsen die Dornen der Lüste über mein Haupt, ohne daß auch nur eine Hand sich regte, sie auszurotten. Im Gegenteil! Als mein Vater mich einst im Bade erblickte, mit den Zeichen der Mannbarkeit angetan und von jugendlicher Sinnlichkeit erfüllt, da zeigte er dies frohlockend meiner Mutter an, gleich - als ob er schon von jetzt an auf Enkel rechnete. Er frohlockte in jenem Freudenrausche, in dem diese Welt dich, ihren Herrn, vergißt und statt deiner das Geschöpf liebt, ein Freudenrausch, der von dem unsichtbaren Weine ihres verkehrten, nur auf das Niedrigste gerichteten Willens kommt. Aber in der Mutter Herz hattest du schon den Bau deines Tempels begonnen, den Anfang deiner heiligen Wohnung, während jener noch Katechumen und das auch erst seit kurzem war. Daher erbebte auch die Mutter, fromm wie sie war, in Zittern und Schrecken und fürchtete für mich, obwohl ich noch nicht gläubig war, dennoch die krummen Pfade, die alle die wandeln, die „dir den Rücken zukehren und nicht das Angesicht“45.
Wehe mir! Und darf ich wirklich sagen, o mein Gott, du habest geschwiegen, da ich mich immer weiter von dir entfernte? Wärest du denn wirklich mir damals stumm gewesen? Waren es nicht deine Worte, die du mir durch meine Mutter, deine Magd, ins Ohr geflüstert? Doch ohne Erfolg drangen die Worte mir ins Herz. Denn sie wollte es so, und ich erinnere mich, wie sie insgeheim inständig warnte, Unzucht zu treiben und vor allem irgend jemandes Frau zu verführen. Diese Ermahnungen kamen mir weibisch vor, und ich hätte mich geschämt, ihnen nachzugehen. Doch sie stammten von dir, ohne daß ich es wußte, und ich meinte, daß du schwiegest und jene spräche; obwohl du also für mich nicht stumm warst, wurdest du in ihr von mir verachtet von mir, ihrem Sohne, dem „Sohne deiner Magd, deinem Knechte“46. Doch ich wußte es nicht und stürmte in solch blinder Leidenschaft vorwärts, daß ich mich unter meinen Altersgenossen schämte, wenn das Maß meiner Schändlichkeit geringer war; hörte ich sie doch mit ihren schimpflichen Handlungen prahlen und sich umso mehr rühmen, je verworfener sie waren. So gelüstete auch mich nach solchem Tun, nicht nur aus Lust nach der Tat, sondern auch nach dem Lobe. Gibt es nun außer dem Laster noch etwas Tadelnswertes? Nein! Ich stürzte mich aber, um nicht getadelt zu werden, in immer mehr Laster; und lag nichts vor, was mich meinen verworfenen Kameraden gleich gemacht hätte, so erlog ich Taten, die ich nicht begangen, um nicht etwa wegen zu großer Unschuld verächtlicher, wegen zu großer Keuschheit geringer dazustehen.
Sieh, mit welchen Genossen ich da die Straßen Babylons durchwanderte und in seinem Kote mich wälzte, als sei es Zimt und köstliche Salbe. Und damit ich umso fester an ihm hinge, spornte mich der unsichtbare Feind und verführte mich, da ich ja leicht zu verführen war. Meine leibliche Mutter nämlich, die schon aus Babylons Mitte geflohen war, in seiner Umgebung aber noch zögernden Schrittes sich aufhielt, machte sich nicht in gleichem Maße, wie sie mich zur Keuschheit ermahnte, so auch Sorgen inbetreff dessen, was sie von ihrem Manne gehört hatte; sie erachtete es als ebenso verderblich und für meine Zukunft gefährlich, meine Sinnlichkeit durch das Band der Ehe zu zügeln, wenn sie nicht ganz und gar ausgebrannt werden könnte. Sie machte sich keine Sorgen, weil sie fürchtete, die Fessel der Ehe könnte meinen Hoffnungen ein Hemmnis sein nicht jener Hoffnung des zukünftigen Lebens, die sie auf dich setzte, sondern der Hoffnung auf wissenschaftliche Ausbildung, die ich mir nach beider Eltern Willen in übertriebener Weise aneignen sollte; wünschte es doch der Vater, weil er an dich fast gar nicht, an mich aber nur aus Eitelkeit dachte, die Mutter, weil sie jene Kenntnisse nicht nur für nicht schädlich, sondern, um zu dir zu gelangen, eher für förderlich hielt. So vermute ich wenigstens, wenn ich mir, soweit es geht, den Charakter meiner Eltern vergegenwärtige. Auch ließ man mir zum Spielen die Zügel weit über das rechte Maß der Strenge hinaus schießen, so daß sich verschiedene ausgelassene Neigungen entwickelten. Und bei allem verhüllte Finsternis, o mein Gott, das helle Licht deiner Wahrheit, „und es sproß hervor wie aus fettem Boden meine Bosheit“47.