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6. Er gerät in die Netze der Manichäer.56
ОглавлениеDaher geriet ich unter Menschen, die in wahnsinnigem Stolze tobten, überaus sinnlich und geschwätzig waren. In ihrem Munde waren die Fallstricke des Satans; die Lockspeise aber hatten sie bereitet aus einer Mischung von Silben deines Namens, des Namens des Herrn Jesus Christus und des Heiligen Geistes, unseres Trösters. Diese Namen kamen nicht von ihren Lippen. Doch es war nur Schall und Getön ihrer Zunge; ihr Herz aber wußte nichts von der Wahrheit. Ihre Rede war zwar “Wahrheit” und wieder “Wahrheit”, und ständig führten sie vor mir dieses Wort im Munde; aber nirgends war sie bei ihnen zu finden, Dafür brachten sie falsche Lehren vor, nicht nur über dich, der du in Wahrheit die Wahrheit bist, sondern auch über die Elemente der Welt, deine Geschöpfe, deren Auffassung und Darstellung durch die Philosophie ich - mochte sie auch auf Wahrheit beruhen - doch hätte bei Seite lassen sollen aus Liebe zu dir, höchster, bester Vater, du Schönheit alles Schönen. O Wahrheit, Wahrheit, wie innig seufzte schon damals meine Seele in ihrem Marke nach dir, als jene immer und immer wieder den bloßen Schall von dir in Reden und vielen gewaltigen Büchern vernehmen ließen! Das waren die Schüsseln, in denen mir, da ich nach dir Hunger hatte, Sonne und Mond, deine schönen Werke, aufgetragen wurden; aber deine Werke nur waren es, nicht du. Und es waren nicht einmal die vorzüglichsten deiner Werke, denn die geistigen Werke behaupten immer den Vorrang vor den körperlichen, mögen sie auch noch so lichtbringend und himmlisch sein. Doch dürstete und hungerte ich auch nicht nach diesen höheren Werken, sondern nach dir selbst, o Wahrheit, in der “kein Wechsel und kein Schatten von Veränderlichkeit” ist 57. Dazu setzte man mir in jenen Schüsseln glänzende Phantasiegebilde vor. Dann war es wirklich besser, die Sonne, die sich doch tatsächlich unsern Augen bietet, zu lieben als jene Trugbilder eines wirren Geistes. Aber weil ich dich darin vermutete aß ich davon, nicht gerade begierig, denn ich schmeckte in meinem Munde nicht dein eigentliches Wesen - hattest du doch auch nichts zu tun mit jenen nichtigen Gebilden! -, und ich wurde davon auch nicht satt, sondern immer hungriger. Eine Speise im Traum gleicht aufs Haar einer Speise der Wachenden; und doch werden die Schlafenden nicht satt; sie schlafen eben. Aber jene Phantasiegebilde hatten gar keine Ähnlichkeit mit dir, wie du jetzt zu mir gesprochen hast, weil es Gebilde von Körpern waren, noch dazu von falschen Körpern, deren Wirklichkeit weit nachsteht der jener Körper, die wir mit leiblichen Augen sehen, mögen es nun himmlische oder irdische sein; denn ebenso wie wir sehen sie auch die Tiere und Vögel, und deshalb sind sie wirklicher, als wenn sie nur in unserer Einbildung beständen. Und wiederum haben diese Vorstellungen eine sicherere Grundlage, als wenn wir darauf Hypothesen noch größerer und unbegrenzter Dinge bauen, die tatsächlich gar nicht existieren. Solche Truggebilde sollten mich damals sättigen, aber ich wurde nicht satt. Aber du meine Liebe, an die ich mich lehne, um stark zu sein, bist weder die Dinge, die wir am Himmel sehen, noch die, die wir dort nicht sehen, weil sie dein Werk und nicht einmal dein höchstes sind. Wie weit entfernt also bist du doch von jenen meinen Phantasiegebilden, Gebilden von Körpern, die gar nicht sind! Wahrhafter als diese sind die Vorstellungen wirklicher Körper, und wahrhafter als diese die Körper selbst; aber auch diese sind nicht du. Ebensowenig bist du die Seele, die den Körpern Leben gibt - daher ist das Leben der Körper gegründeter und sicherer als die Körper selbst -, sondern du bist das Leben der Seelen, das Leben alles Lebens, lebend aus dir selbst und ohne Wandlung, das Leben meiner Seele.
Wo also warest du nur damals und in welcher Ferne? Weit von dir zog ich in der Fremde umher, ausgeschlossen selbst von den Träbern der Schweine, die ich mit Träbern fütterte. Wie viel besser waren doch die Märchen der Dichter und Grammatiker als jene Fallgruben! Denn Vers und Gedicht und die fliegende Medea sind sicher nützlichere Dinge als die fünf Elemente58 mit ihren verschiedenen Farben wegen der fünf Höhlen der Finsternis, was alles gar nicht ist, aber den, der daran glaubt, tötet. Denn Vers und Gedicht können noch einen tatsächlichen Nutzen gewähren; und wenn ich selbst die fliegende Medea besang, so gab ich es doch noch nicht für Wahrheit aus; hörte ich aber sie besingen, so glaubte ich es nicht. Jene Dinge aber habe ich geglaubt, wehe, wehe mir! Auf welchen Stufen ließ ich mich in den Abgrund der Hölle hinabziehen! Wie mühte ich mich ab, wie glühte ich bei dem Verlangen nach Wahrheit, als ich dich, mein Gott, dir bekenne ich es, der du dich meiner erbarmt, als ich dich noch nicht bekannte - nicht mit der Einsicht meines Verstandes, durch welchen du mich vor den Tieren auszeichnen wolltest, sondern nach den Sinnen meines Fleisches suchte! Du aber warst innerlicher als mein Innerstes und höher als mein Höchstes59. Ich bin auf jenes freche Weib ohne Klugheit, das Rätsel Salomons, gestoßen, das auf dem Stuhle an der Türe sitzt und also spricht: „Esset fröhlich hier verborgenes Brot und trinket verstohlen süßes Wasser“60. Es hat mich verführt, denn es fand mich, wie ich draußen im Auge meines Fleisches wohnte und in meinem Inneren nur wiederkäute, was ich durch dieses aufgenommen hatte.