Читать книгу Bekenntnisse - Augustinus von Hippo - Страница 31
6. Alles, was uns unter dem Scheine des Guten zum Bösen verlockt, ist trügerisch; bei Gott aber ist es wahrhaft und vollkommen gut.
ОглавлениеWas habe also ich Elender an dir, Diebstahl, geliebt, du nächtlicher Frevel meines sechzehnten Lebensjahres? Schön warst du ja nicht, da du Diebstahl warst. Oder bist du überhaupt etwas, daß ich meine Worte an dich richte? Schön war wohl das Obst, das wir stahlen: denn du hattest es geschaffen, Schönster von allem, Schöpfer von allem, guter Gott, Gott mein höchstes und mein einziges Gut; schön war jenes Obst, aber meine elende Seele hat danach nicht begehrt, da ich besseres besaß; jenes habe ich nur abgepflückt, um zu stehlen. Denn was ich gepflückt hatte, warf ich weg; nur die Bosheit, an deren Genusse ich mich erfreute, aß ich in mich hinein. Wenn auch mein Mund etwas von jenen Früchten kostete, so war die Schandtat doch der Speise Würze. Und nun, Herr mein Gott, frage ich, was denn eigentlich an dem Diebstahle mich ergötzte. Siehe, Schönheit besaß er nicht; ich meine nicht die Schönheit, wie sie etwa Gerechtigkeit und Klugheit besitzen, nein, auch nicht die, die der Geist des Menschen, das Gedächtnis, die Sinne und das physische Leben aufweisen, noch auch die, die im Glanze der Gestirne sich zeigt und an Land und Meer, die erfüllt sind mit Lebewesen, die unaufhörlich einander folgen, ja nicht einmal jenen trügerischen, dunklen Reiz, mit dem die Sünden uns berücken.
Denn der Stolz äfft die Erhabenheit nach, während du, o Gott, allein über alle erhaben bist. Der Ehrgeiz trachtet nur nach Ehren und Ruhm, während dir allein vor allen Ehre und Ruhm in Ewigkeit gebührt. Gestrenge Machthaber wollen gefürchtet sein: wer aber ist zu fürchten außer Gott allein? Denn was oder wann oder wodurch oder von wem veranlaßt, könnte etwas sich seiner Macht entreißen oder entziehen? Wollüstige Menschen schmeicheln, um Liebe zu gewinnen: nichts aber ist einschmeichelnder als deine Liebe, keine Liebe ist beseligender als deine Wahrheit, die an Schönheit und Lichtfülle alles überstrahlt. Neugier sucht sich als Wissensdurst zu geben, während du alles am besten weißt, Sogar Unwissenheit und Beschränktheit birgt sich unter dem Namen der Einfachheit und Unschuld, weil nichts Einfacheres zu finden ist als du; was aber ist unschuldiger als du, da den Bösen nur ihre eigenen Werke zum Schaden gereichen? Trägheit strebt nach dem Scheine der Ruhe: wo aber ist sichere Ruhe außer im Herrn? Schwelgerei will nur Sättigung und Überfluß heißen: doch nur du bist die Fülle und unerschöpfliche Schatzkammer unvergänglicher Süßigkeit. Verschwendung will als Freigebigkeit erscheinen: aber du bist der reichste Spender aller Güter. Habsucht will viel besitzen: und du besitzt alles, Neid streitet um der Vorrang: wer hätte den Vorrang vor dir? Zorn trachtet nach Rache: wer vergibt gerechter als du? Furcht, um die Sicherheit des Geliebten ängstlich besorgt, bebt zurück vor dem Ungewohnten und Plötzlichen, das ihm Gefahr bringt; was aber ist dir ungewohnt? was plötzlich? Oder wer scheidet von dir, was du liebst? Oder wer gewährt außer dir ruhige Sicherheit? Traurigkeit härmt sich ab über den Verlust von Gütern, woran die Begierde sich ergötzte; auch sie möchte keinen Verlust erdulden, aber nur dir kann nichts genommen werden.
So buhlt die Seele, wenn sie sich von dir abwendet und außer dir sucht, was sie rein und lauter nicht findet, sie kehrte denn zu dir zurück. Verkehrt ahmen dich die nach, die sich von dir entfernen und sich gegen dich erheben. Aber selbst dadurch, daß sie dich nachahmen, geben sie zu erkennen, daß du der Schöpfer der ganzen Natur bist und man sich deshalb nicht völlig von dir lossagen kann. Was also habe ich in jenem Diebstahl geliebt, und inwiefern habe ich selbst in lasterhafter und sündhafter Weise meinen Herrn nachgeahmt? Gelüstete es mich etwa, deinem Gesetze durch Trug zuwiderzuhandeln, weil ich es mit offener Gewalt nicht konnte, damit ich, ein finsteres Afterbild der Allmacht, ungestraft täte, was unerlaubt, und so, obwohl selbst ein Sklave, mich einer falschen Freiheit rühmte? Sieh den Knecht, der vor seinem Herrn flieht und einen Schatten erhascht! O Fäulnis, o abscheuliches Leben, o abgrundtiefer Tod! Was nicht erlaubt war, gefiel mir allein deshalb, weil es nicht erlaubt war.