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ELFENPRINZESSIN


CHRISTIAN

„Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ Es tut gut, den Frust ungefiltert gegen das raue Meer zu brüllen. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen und so lasse ich mich gehen. Ich nehme eine Handvoll schwarzen Lavasands und werfe ihn meiner Tirade hinterher. Leider mit dem Effekt, dass mir der Wind die Hälfte davon in die Augen bläst. Heute Morgen war ich drauf und dran, alles zusammenzupacken. Auf den Laptop starren kann ich schließlich auch in Frankfurt. Ich hatte mir erhofft, dass mich Island, das Land, in dem es sogar eine Elfenbeauftragte gab, zu Geschichten inspiriert. Aber ich werde schier wahnsinnig. Mein Hirn ist blank. Nein, das stimmt nicht, es summt. Leider nicht vor Geschichten, sondern vor Panik und Verzweiflung. Diese schrecklichen Nächte, die keine richtigen Nächte sind. Immerzu ist es hell und ich komme nicht zur Ruhe. Der Schlafmangel ist eine zusätzliche Herausforderung zu der nervigen Trägheit meiner Fantasie.

Als ich den Hof erreiche, habe ich mich ein wenig beruhigt. Seufzend werfe ich die Steppjacke, die ich heute erstmals offen über dem Laufshirt getragen habe, weil es an die fünfzehn Grad war, auf das Bett. Der Himmel zieht sich gerade zu, obwohl vorhin alles nach einem makellosen Tag aussah. Das Wetter hier wechselt innerhalb von Minuten. Nach einer kurzen Dusche schalte ich die kleine Leselampe an.

„Jammern hilft nicht. Versuch es!“, rede ich mir selbst gut zu und klappe den Laptop auf. Anstatt zu schreiben, surfe ich zum x-ten Mal sinnlos im Internet. Währenddessen kommen mir immer wieder die Worte meines Bruders Thomas in den Sinn.

„Geh´ doch nach Island, Mann. Ich glaube, du musst einfach mal raus aus Frankfurt. Du wirst sehen, das gibt deiner Kreativität einen Kick und die Schreibblockade ist weg. Und wenn du mich fragst, könnte ein wenig Abstand von der Beziehung zu Melanie nicht schaden. Ihr seid ein unschlagbares Team. Aber ihr klebt privat und beruflich zu dicht aneinander.“

Ich reibe seufzend meine vom Starren auf den Bildschirm müden Augen. Abstand. Genau das fühle ich hier an diesem Ort, fern von allem, was ich kenne. So viel Abstand, dass ich mir vorkomme, wie in einem anderen Leben. Fühlt sich so Einsamkeit an? Ich drehe noch durch. Rasch wähle ich Thomas´ Nummer. Er kann mich immer aufheitern. Aber ich erreiche ihn nicht.

Kurz checke ich die Zugriffsrate auf meiner Website. Melanie beschäftigt seit zwei Jahren eine Gruppe von Studenten, die Anfragen meiner Fans auf den Social Media-Seiten beantworten. Sie leisten gute Arbeit, soweit ich das überblicke. Bei einigen Fragen zu meinen Romanfiguren verdrehe ich die Augen. Aber die Antworten sind teilweise so witzig und charmant, dass ich fast neidisch auf das Schreibtalent des anonymen Studenten bin. Bevor ich mich in den Gedanken reinsteigere, klicke ich auf eine Werbeanzeige, die mich auf der linken Seite ‚meines’ Blogs mit einem Blinken lockt. Gerade als ich die Maße einer Rudermaschine studiere und darüber nachdenke wo ein geeigneter Ort dafür im Wohnzimmer des Lofts wäre, lenkt mich eine Bewegung vor dem Fenster ab.

Fanney und Elin stehen Arm in Arm auf der Weide. Etwas an der Innigkeit, die diese beiden Frauen ausstrahlen, fesselt mich. Fanneys Hand streicht über Elins Kreuz und das Mädchen legt seinen Kopf an die Schulter der Älteren. Fanney ruft etwas und die Stute und ihr Fohlen nähern sich den beiden Frauen. Elin sinkt auf die Knie, schlingt ihre Arme um den Hals des jungen Tiers und vergräbt ihr Gesicht in dessen Fell. Ich sehe, wie Fanney ihr den Rücken tätschelt und gleichzeitig die Mutter des Fohlens am Halfter zurückhält.

Ich runzle die Stirn. Die Szene wirkt emotional angespannt, aber das bilde ich mir sicherlich ein. Wahrscheinlich sind die Isländer einfach sehr liebevoll mit ihren Pferden. Elin lässt das Fohlen frei und Fanney entfernt sich. Einen Moment später kommt sie mit einem Hengst zurück, der so lebhaft ist, dass sie Mühe hat, ihn zu bändigen. Neben dem stämmigen Pferd, das sich unter ihrem Streicheln beruhigt, wirkt die Frau noch zierlicher.

Das ist ja besser als Fernsehen oder Rudermaschinen! Gott, bin ich dankbar für jede Ablenkung von meinem Frust.

Im nächsten Moment geschieht es. In einer fließenden Bewegung schwingt sich Fanney auf das Tier, das zeitgleich lostrabt. Gerade wundere ich mich, dass es im Kreis läuft, ohne an einer Longe geführt zu werden, als ich im Gras einen runden ausgetretenen Pfad erkenne.

Ich erhebe mich und stelle mich näher ans Fenster, um besser sehen zu können. Mein Blick klebt auf der Reiterin, die fast mit dem Pferd verwachsen scheint. Man sieht ihr an, dass sie von Kind auf reitet. Die gerade Haltung und ruhige Art strahlen eine Souveränität aus, die nicht nur auf das Pferd eine beruhigende Wirkung hat. Meine Atmung wird gleichmäßig und mein Herzschlag gleicht sich dem Takt ihrer wippenden blonden Haare an. Gerade als ich vollkommen entspannt bin, ändert Fanney ihre Position. Blitzschnell schling sie ein Bein über den Pferderücken, sitzt zunächst seitlich, dann rückwärts und dann wieder vorwärts auf dem Pferdesattel. Ich stoße einen anerkennenden Pfiff aus. In diesem Moment bricht die Sonne durch die dunklen Wolken und taucht die Szenerie in warmes Licht. Als ich den Blick vom Himmel nehme, ziehe ich scharf die Luft ein. Wow! Fanneys hellblonde, wehende Haare leuchten in der Sonne wie flüssiges Gold und die Szenerie wirkt wie aus einer anderen Welt.

Einer Welt der Feen und Elfen.

Jetzt steht sie auf dem Pferd und biegt langsam den Rücken nach hinten. Ihre Hände greifen hinter ihre Füße auf den Sattel und sie verharrt eine Weile in der Brückenposition. Wenn ich dachte, das ist der Gipfel der Vorführung, werde ich eines Besseren belehrt. Ein Bein hebt sich und streckt sich gen Himmel. Das andere Bein folgt und, ohne dass das Pferd seinen Trab unterbricht, vollführt die Isländerin einen perfekten Handstand auf dem Rücken des Tieres. Mir stockt der Atem. Das sieht verflucht gefährlich aus. Unbewusst lege ich die Hand über den Mund. Wie in Trance schaue ich weitere Minuten - oder sind es Stunden? - der Vorführung zu. Mit einer geschmeidigen Bewegung stößt Fanney sich vom Pferd ab, dreht sich einmal in der Luft und landet sicher auf beiden Beinen. Elin klatscht begeistert und auch mir zuckt es in den Händen. Ist diese Frau isländische Meisterin im Voltigieren? Mein Herz klopft und ich schließe die Augen, um zu begreifen, was gerade mit mir geschieht. Warum alles in mir in Aufruhr ist. Tief in meinem Inneren ballt sich etwas zusammen und ein Kribbeln durchfährt meinen Körper. Ich begrüße dieses Gefühl mit einem erleichterten Lächeln. Es gilt keine Sekunde zu verschwenden.

Ein Stoßgebet gen Himmel sendend, werfe ich mich auf meinen Schreibtischstuhl und öffne das Autoren-Schreibprogramm. Dann versinke ich in die Anderswelt.

Island Sommer Liebe

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