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VON PROHIBITION BIS LEGALISIERUNG – WAS WIRKT?

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Anhand unterschiedlicher Konzepte von Repression über Entkriminalisierung bis zur Liberalisierung sollen im Folgenden unterschiedliche Zugangsweisen des gesellschaftlichen und politischen Umgangs mit Drogen und deren Konsument*innen thematisiert werden. Zwischen „verboten“ und „erlaubt“ existiert ein breites Spektrum an unterschiedlichen Regulierungsmöglichkeiten, die zur Anwendung kommen können.

Am oberen Ende eines repressiven Umganges mit Drogen steht deren Verbot, dessen Nichtbeachtung mit bedingten oder unbedingten Haftstrafen geahndet wird. Es ist eine weit verbreitete Ansicht, dass ein Verbot von Substanzen zu geringerem Konsum derselben führen würde. Je strenger die Strafen, desto weniger würden die Menschen diese Substanzen konsumieren, so der allgemeine Tenor. Die Regierung der Philippinen und auch anderer asiatischer Länder verfolgt diesen Zugang mit Vehemenz, der Besitz oder Handel von Drogen wird streng geahndet, bis hin zur Todesstrafe. Dass damit Probleme mit dem Substanzkonsum nicht aus der Welt geschafft werden können, sieht man eindrucksvoll. Auf den Philippinen wird unter Präsident Rodrigo Duterte seit 2016 ein erbitterter Kampf gegen Drogen geführt. Anti-Drogen-Operationen der Regierung spüren Händler auf und scheuen auch davor nicht zurück, diese zu töten. Die offizielle Begründung für solche Todesfälle ist, dass die Täter Widerstand bei deren Verhaftung geleistet hätten. Menschenrechtsaktivist*innen sehen das anders, es ginge lediglich darum, die Dealer aus dem Weg zu räumen, um jeden Preis. Es gibt aber nicht nur dokumentierte Tötungen, sondern auch eine Reihe von ungeklärten Fällen. Killer, die nachts auf Motorrädern die Straßen durchkämmen, erschießen Händler und Konsument*innen, ohne Strafe fürchten zu müssen. Duterte selbst soll sogar einmal bei einem Besuch in den Slums vor hunderten Menschen gesagt haben: „Wer einen Junkie kennt, soll losgehen und ihn töten.“

Offizielle Zahlen zu den Getöteten gibt es nicht. Es sind aber laut Schätzungen bereits mehrere Zehntausend Menschen, die auf den Philippinen im Krieg gegen Drogen ums Leben kamen. Dazu kommen übervolle Gefängnisse und die Sorge, dass die repressive Politik die Durchseuchungsrate mit HIV und Hepatitis C steigen lässt. Das Wahlkampfversprechen, die Drogenprobleme auf den Philippinen bis spätestens Dezember 2016 mit diesem erbitterten Kampf gelöst zu haben, wartet hingegen noch immer auf die Einlösung.

Man braucht aber gar nicht auf derartige Extreme zu blicken, um zu erkennen, welche negativen Auswirkungen Drogenverbote haben können. Es reicht ein Blick auf die Drogenpolitik europäischer Länder und deren Umgang mit Cannabis. Vor etwa zehn Jahren wurden vermehrt über das Internet, aber auch in einschlägigen Geschäften, legale Alternativen zu illegalisierten Substanzen angeboten. Shops, in denen man Kräutermischungen als Ersatz für Cannabis oder auch „Badesalze“ als stimulierende Alternative zu Amphetaminen oder MDMA kaufen konnte, schossen wie Pilze aus dem Boden. Die Bezeichnungen „Kräutermischung“, „Badesalz“ oder auch „Pflanzendünger – oft auch noch mit dem Warnhinweis „Nicht zum menschlichen Verzehr geeignet“ versehen, wobei die Konsument*innen genau wussten, wie ernst diese Warnung zu nehmen ist – sollten den eigentlichen Zweck verschleiern: den Konsum zur Berauschung. Einigen Leser*innen wird vielleicht noch die Kräutermischung „Spice“ ein Begriff sein, die im Jahr 2008 in Österreich und anderen europäischen Ländern auftauchte. Verkauft wurde diese Mischung zur Aromatisierung der Raumluft, es war aber bald bekannt, dass sie wie Cannabis geraucht werden konnte. Chemische Analysen ergaben, dass es sich im Wesentlichen um Eibischkraut handelte, dass mit dem synthetischen Cannabinoid JWH-018 angereichert war. Dieses synthetische Cannabinoid stand im Gegensatz zu THC nicht auf der Liste der verbotenen Substanzen im Suchtmittelgesetz, insofern waren auch Vertrieb und Konsum der Substanz legal. Nachdem Letzterer aber, wie sich herausstellte, nicht unproblematisch war, reagierte der Gesetzgeber und verbot mit Dezember 2008 Räuchermischungen, die die chemische Verbindung „Naphthalen-1-yl-(1-pentylindol-3-yl)methanon/JWH-018“ enthalten. Problem gelöst? Mitnichten. Es tauchten laufend ähnliche Produkte mit geringfügiger Veränderung der Molekularstruktur auf, die zwar dieselbe Wirkung hatten, aber nicht verboten waren. So gab es statt „Naphthalen-1-yl-(1-pentylindol-3-yl)methanon/JWH-018“ plötzlich „(Naphthalin-1-yl)(2-methyl-1-propyl-1H-indol-3-yl) methanon (JWH-015)“. Für die Konsument*innen kein Unterschied, für die Verfolgungsbehörden schon, diese Struktur war durch die geringfügige chemische Änderung schließlich nicht mehr verboten. Ein ständiges Katz-und-Maus-Spiel zwischen Produzent*innen und Gesetzgeber.

Darüber hinaus kamen ab 2009 immer neue Substanzen aus unterschiedlichen Wirkungsklassen hinzu. Neben synthetischen Cannabinoiden gab es zunehmend synthetische Drogen aus immer mehr und anderen Klassen – Cathinone, Piperazine und anderes mehr. Eine schier unüberschaubare Anzahl an Substanzen, die in sogenannten „Head-Shops“, aber auch online vertrieben wurden. Im Internet gab es Verkaufsseiten, die durchaus mit großen Versandhändlern für Bücher oder andere Waren vergleichbar waren. Produkte konnten bewertet, verglichen und mit einem Klick in den Warenkorb gelegt werden. Auch die Bezahlung funktionierte analog anderer Versandhändler mit Kreditkarte oder auf Rechnung, die Lieferung erfolgte in den nächsten Tagen frei Haus.

Der Kauf dieser Substanzen war denkbar einfach und nicht verboten, die Problematik für die Konsument*innen jedoch eine ganz andere. Die Legalität der Substanzen und die damit einhergehende Bezeichnung als sogenannte „Legal Highs“ vermittelten den Anschein, dass es sich hierbei um harmlose Substanzen handelt. Die Straffreiheit war für die Konsument*innen ein wesentlicher Anreiz, von bekannten verbotenen Substanzen wie beispielsweise Cannabis auf das unbekanntere, aber legale Spice umzusteigen. Doch die Erwartung der Harmlosigkeit erfüllte sich nicht, das Gegenteil war der Fall. Der Konsum dieser Substanzen war zum Teil wesentlich riskanter als der seines illegalisierten Pendants. Letztlich war das Risikopotenzial weitgehend unerforscht und damit auch für die Konsument*innen nicht erkennbar, sowohl Akut- als auch Langzeitwirkungen sind schwerer kalkulierbar. Betrachtet man die Herstellungsweise dieser Substanzen, ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Spice wurde häufig in einfachen Kellerlabors produziert, Utensilien waren eine Eibischkräutermischung, das synthetische Cannabinoid in flüssiger Form und eine handelsübliche Blumen- oder Wäschespritze. Die Kräutermischung wurde auf dem Boden ausgebreitet, die synthetisch hergestellte psychoaktive Substanz mit der Wäschespritze auf die Kräuter aufgesprüht. Jeder, der schon einmal beim Hemdenbügeln Wasser mit der Wäschespritze aufgesprüht hat, weiß, dass das Wasser nicht sonderlich gleichmäßig aus der Spritze herauskommt. Manchmal kommt gar nichts, manchmal gibt es Wasserflecken. So war das auch beim Aufsprühen der chemischen Verbindung auf die Kräuter, was zur Folge hatte, dass es Spice-Packungen mit sehr geringer Wirkstoffmenge und solche mit extrem hoher Wirkstoffmenge gab. Ein risikoarmer und vorsichtig dosierter Konsum war daher nicht möglich, was nicht selten zu Überdosierungen und massiven unerwünschten Nebenwirkungen wie Herz-Kreislauf-Problemen, Krampfanfällen, Panikattacken, Nierenversagen und anderem mehr führte. Häufig traten auch massiv erhöhte Aggressionszustände oder paranoide Wahnvorstellungen auf, die selbst erfahrene Drogenabhängige ängstigten, weshalb ein nicht unerheblicher Teil wieder aufhörte, diese Substanzen zu konsumieren.

Im Jahr 2012 reagierte schließlich die österreichische Gesetzgebung mit der Einführung des Neuen-Psychoaktiven-Substanzen-Gesetzes (NPSG) auf dieses Problem, in dem nicht mehr einzelne Substanzen, sondern erstmals ganze Wirkungsklassen verboten wurden, um dem ständigen Katz-und-Maus-Spiel des Verbietens einzelner Substanzen und der geringfügigen Abänderung von Molekularstrukturen ein Ende zu bereiten.

Am Beispiel der neuen psychoaktiven Substanzen ist gut ersichtlich, dass man mit reinen Verboten keine Probleme löst, sondern sie manchmal sogar verschlimmert oder erst neue generiert. In diesem Fall hat man mit dem NPSG, das auf eine Eindämmung des Angebotes und eine Unterstützung für die Betroffenen abzielt, das Problem ganz gut in den Griff bekommen. Nicht ganz so einfach ist das jedoch bei anderen Substanzen und deren Folgewirkungen. Die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Hepatitis C oder HIV unter Drogenabhängigen sowie eine Vielzahl von medizinischen sowie sozialen Folgewirkungen sind auf die Kriminalisierung der Substanzen zurückzuführen. Drogenabhängige bewegen sich aus Angst, erwischt zu werden, im Verborgenen und finden Mittel und Wege, um an die Substanz zu kommen, die sie brauchen. Der Konsum erfolgt häufig unter unsauberen Bedingungen und in der ständigen Angst vor der Polizei. Dies alles führt zu einem Kreislauf aus Konsum, Kriminalität, gesundheitlichen Folgewirkungen durch unsaubere Substanzen und Inhaftierung. Ein Entkommen aus diesem Kreislauf ist für viele erst möglich, wenn bereits massive Folgewirkungen eingetreten sind.

Dass reine Verbote wirkungslos sind, sieht man also nicht nur im Fall der Philippinen und der USA, auch in Europa erwiesen sich bei Abhängigkeitserkrankungen rein restriktive Modelle nicht als sehr hilfreich. Es stellt sich die Frage nach Alternativen.

Am anderen Ende des Umgangs mit psychoaktiven Substanzen steht deren völlige Legalisierung. Aber ist das das Mittel der Wahl? Die rechtliche Situation den Alkohol betreffend steht diametral zu jener von illegalisierten Drogen wie Opiaten oder Kokain. Er darf – unter Berücksichtigung der Einschränkungen durch Jugendschutzbestimmungen – in Österreich frei verkauft und beworben werden. Die Folgen dieser liberalen Bestimmungen und der kulturellen Einbettung des Alkohols in unserer Gesellschaft sind bekannt. 365.000 Alkoholabhängige in Österreich und weitere 740.000, die einen problematischen Umgang mit Alkohol pflegen [7]. Gegner der Cannabis-Legalisierung argumentieren mit diesen Zahlen: Weshalb sollte man eine weitere Substanz legalisieren, wenn es doch schon mit zwei legalisierten Substanzen – Alkohol und Nikotin – genügend Probleme gibt? Ein berechtigter Einwand. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie viel Sinn es macht, Cannabis, eine vermutlich harmlosere Substanz als Alkohol, zu kriminalisieren und dessen Konsument*innen, die genauso ein Bedürfnis nach Berauschung haben wie Alkoholkonsument*innen, ins Eck zu stellen. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es dazu keine vernünftige Begründung.

Doch wie meistens im Leben gibt es auch hier nicht nur Schwarz oder Weiß. Neben dem Verbot und der Legalisierung gibt es weitere Modelle zum Umgang mit psychoaktiven Substanzen. Allen voran die Entkriminalisierung, wie sie beispielsweise in Portugal seit vielen Jahren erfolgreich betrieben wird. Seit dem 1. Juli 2001 gilt dort das „Gesetz 30/2000“, das den Konsum aller Drogen im Land entkriminalisiert. Der Konsum von Cannabis ist seitdem ebenso wenig eine Straftat wie der von Heroin oder Kokain. Das heißt aber nicht, dass in Portugal der Besitz von Drogen zum Eigengebrauch erlaubt ist, er ist schlicht eine Ordnungswidrigkeit wie etwa das Falschparken. Wer mit geringen Mengen zum Eigengebrauch erwischt wird, muss vor die sogenannte Comissões para a Dissuasão da Toxicodependência (CDT), die Kommission für die Abmahnung der Drogensucht, bestehend aus einer/einem Jurist*in, einer/einem Psycholog*in und einer/einem Sozialarbeiter*in. Die Mitglieder der Kommission können Geldbußen verhängen oder die Betroffenen abmahnen, die wichtigste Aufgabe ist jedoch, Menschen zu einer Therapie zu bringen, wenn diese eine benötigen. Es geht also darum, Personen, die keine kriminellen Handlungen begehen, auch nicht zu kriminalisieren, sondern diese dem Hilfesystem zuzuführen, wenn sie es brauchen. Bei Jugendlichen und Erstkonsument*innen spielen auch Prävention und Aufklärung eine wesentliche Rolle. Das Signal ist deutlich: Der Konsum von Drogen ist nicht harmlos, aber auch nichts, was bestraft gehört, es braucht einen anderen Umgang mit diesem komplexen Thema. Das ist auch das wesentliche Merkmal der portugiesischen Politik, denn nicht die Entkriminalisierung alleine ist hilfreich, sondern der dadurch leichter mögliche Zugang zum Hilfesystem. Abhängige müssen keine Strafen mehr befürchten, wenn sie sich als solche zu erkennen geben, der Ausbau von Präventionskampagnen, Sozialarbeiter*innen auf der Straße und die Verbesserung von Therapie- und Substitutionsprogrammen unterstützen die Betroffenen, anstatt sie zu kriminalisieren.

Das heißt aber nicht, dass in Portugal jeglicher Umgang mit Drogen straffrei ist, es gibt eine deutliche Abgrenzung zwischen Konsument*innen und Händler*innen. Die Menge an Substanzen, die man bei sich führen darf, um straffrei zu bleiben, ist klar geregelt und auf einen Konsum von etwa zehn Tagen ausgelegt. Laut Definition sind das bis zu 25 Gramm Marihuana, zwei Gramm Kokain, einem Gramm Heroin oder Crystal Meth oder einem Gramm MDMA (Ecstasy) oder Amphetamin (Speed). Wer mehr bei sich hat, wird als Dealer nach dem Strafrecht bestraft.

Portugal lebt den Zugang der Entkriminalisierung nun schon seit mehr als 15 Jahren, ein Zeitraum, der lange genug ist, um die Folgen dieser Maßnahmen abschätzen zu können. Das Ergebnis dieser liberaleren Drogenpolitik ist ein positives, das Straßenbild hat sich verändert. Mitte der 1990er-Jahre hatte Portugal ein öffentlich sichtbares Drogenproblem, in Lissabon und anderen größeren Städten gab es Bezirke, in denen Süchtige auf offener Straße spritzten und verelendeten, die Anzahl der Heroinabhängigen war hoch. Nach der Entkriminalisierung stieg, entgegen den Befürchtungen der Kritiker*innen, die Anzahl der Drogenkonsumierenden im Land nicht an, im Gegenteil. Der Drogenkonsum unter den problematischen Konsument*innen ging zurück, die Zahl der Drogentoten sowie Neuinfektionen mit ansteckenden Erkrankungen wie HIV und Hepatitis C sanken. Die Zahl der Abhängigen in Behandlung stieg deutlich an. Dass weniger Jugendliche illegalisierte Substanzen konsumierten, ist ebenso ein äußerst wünschenswertes Ergebnis, genauso wie die deutliche Entlastung der ohnehin schon überfüllten Gefängnisse. Weniger Drogenabhängige wurden straffällig, weniger Menschen konsumierten Drogen in Haft. Lediglich die Anzahl der Erwachsener, die Drogen zumindest einmal ausprobierten, stieg geringfügig an, was im Wesentlichen auf den Konsum von Cannabis zurückzuführen ist [108]. Eine Entwicklung, die sich allerdings auch in anderen europäischen Ländern ohne vergleichbare Reformen zeigte. Insgesamt hat Portugal mittlerweile eine im europäischen Durchschnitt vergleichsweise niedrige Drogenkonsumquote. Alles in allem also positive Auswirkungen und das Gegenteil der Befürchtungen der Kritiker*innen, die Anzahl der Süchtigen würde mit einem liberaleren Zugang ansteigen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass aus wissenschaftlicher Sicht und aus den Erfahrungen der Länder mit einer liberaleren Drogenpolitik sehr vieles für eine Entkriminalisierung, verbunden mit einem Ausbau an präventiven und unterstützenden Angeboten, spricht. Letztlich bleibt es also eine rein politische Frage, ob sich eine Regierung dazu durchringt, den „Kampf gegen Drogen“ mit einem weniger restriktiven, mehr regulativen und unterstützenden Zugang zu führen.

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