Читать книгу Das Palmölsyndikat - Barbara Hainacher - Страница 3
1. Kapitel Sumatra, 17. April 2014 .......
ОглавлениеUngeachtet des dichten Urwaldes wuchtete sich das gelbe Fahrzeug mit seinen riesigen Scheren schwer durch die wundervolle Landschaft. Es walzte alles nieder! Es hatte keine Augen, kein Herz und keine Seele, …
Furchtbare Schreie durchdrangen das Dickicht des indonesischen Regenwaldes. Eine Kakophonie verdammter Seelen, die zum Tode verurteilt waren. Dann herrschte eine unheimliche Ruhe. Die Zeit schien für einen Moment stillzustehen. Ein kurzer Friede, der so weit weg war wie Schnee. In der Ferne loderte das Feuer, das aus dem dichten Dschungel qualmend emporstieg. Dunkle Kaskaden bäumten sich auf, während schrille Tierlaute die Hitze erschütterten. Beißende Rauchschwaden zogen über die zerstörten Hütten der Waldbewohner hinweg. Das Feuer peitschte und züngelte sich mit aller Macht durch den Urwald.
Comang Surabana schürzte behände seine Armbrust und Pfeil und Bogen und machte sich bereit. Sein Clan stand hinter ihm und sah ihm nach. Schnell drehte er sich um und winkte ihnen zum Abschied. Doch er sah nur ihre entsetzten Blicke und hörte ihr Wehklagen. Dann lief er, so schnell er konnte, in den Dschungel. Er war nackt bis auf seinen Penisköcher. Die Holzfäller hatten wieder zugeschlagen. Comangs Herz war so sehr von Trauer erfüllt, dass es ihn zu erdrücken drohte. Doch er konnte nicht aufgeben! Er wollte kämpfen!
Flink rannte er über Stock und Stein. In der Ferne leuchtete das hässliche, schmutzige Gelb der großen Drachen. Sie kämpften sich mit viel Lärm durch den Wald. Er hörte das Wehklagen der Bäume, die gefällt wurden und die verzweifelten Schreie der großen roten Waldaffen, die sich hoch oben in den Bäumen mit letzter Kraft festhielten.
Trotz des Loderns der brennenden Baumstümpfe, nahm er die Geräusche der Motorsägen wahr und wusste, in welche Richtung er gehen musste. Nach einer Weile ging er auf allen Vieren, geduckt wie ein Tier. Nach weiteren fünf Minuten war er den Holzfällern nun sehr nahe. Die Hitze war gewaltig. Seine Haut schien zu brennen. Bäume lagen überall auf der Erde. Die gelben Drachen bewegten sich unerschütterlich weiter in die Richtung, wo ihre zerstörten Hütten auf der Erde lagen.
Er dachte an die Zeit, als er alleine nach Hamburg gefahren war. Die Reise dauerte über drei Wochen. Er schlich sich heimlich als blinder Passagier auf ein Schiff, das nach Hamburg fuhr. Und dann hatte er sich nackt, bis auf seinen Penisköcher vor den riesigen Konzern, der direkt am Hafen lag, gestellt, um zu demonstrieren. Ganz alleine! Um die Rechte seines Clans zu schützen, um ihren Wald zu erhalten. Und die Tiere, die ihre Lebensgrundlage waren.
Obwohl er ein Waldmensch war, wusste er doch, wer für die Abholzung des Regenwaldes verantwortlich zeichnete. Dieser Konzern mit Namen Lamir, ein deutsch französisches Unternehmen, das weltweit einer der größten Hersteller von Verbrauchsgütern war und bei dem Konzern Weidemar, einem der größten Palmölkonzerne, einkaufte. Dieser Konzern hatte seinen Standort in Deutschland, Hamburg.
Der Konzern kaufte von Weidemar Palmöl in großen Mengen. Der Konzern hatte seine Palmölplantagen in ihrem Wald, nach Abholzung der Tropenbäume, im großen Stil gepflanzt. Man hatte schon so viele Palmen angebaut, dass der ursprüngliche Wald nur mehr aus einseitigen Plantagen bestand. Und jetzt wollten sie auch das Stück Land bepflanzen, wo sie wohnten.
Wieder dachte er an Hamburg. Nach einer langen Fahrt stand er in einer mit riesigen Häusern bedeckten Stadt und staunte, als er zum Haus des Konzerns blickte. Er war nackt und es war sehr kalt! Viele Menschen hatten sich um ihn versammelt und sahen ihn seltsam an. Dann hatte man ihn ins Haus geholt und ihm versprochen, dass der Konzern nicht mehr bei Weidemar einkaufen würde und dass ihre Dörfer wieder aufgebaut werden würden. Dazu hatten sie eine Frist vereinbart.
Doch der Konzern Lamir hatte sein Versprechen gebrochen. Die Frist war verstrichen, ohne dass auch nur ein Dorf wieder aufgebaut worden war. Für Surabanas Sippe, die ihr Land verloren hatten und jetzt obdachlos waren, spitzte sich die Lage zu.
Als er genug von der weiteren Zerstörung des Waldes gesehen hatte, schlich er zurück zu seinem Clan. Hinter ihm hörte er plötzlich Schritte. Er drehte sich um und sah weiße Männer in Anzügen, die Polizei im Schlepptau.
Comang Surabana wusste, was das zu bedeuten hatte. Er lief wie ein Hase durch den Wald. Geschickt hüpfte er über Stock und Stein. Er musste seinen Clan warnen. Die Polizei war ihm dicht auf den Fersen. Comang lief, so schnell er konnte. Er war klein und wendig. Es verschaffte ihm einen gewissen Vorsprung gegenüber der Polizei, aber er konnte sie gut hören. Sie schienen ebenfalls schnell zu sein. In der Ferne sah er seinen Clan. Seine Frau sah erschrocken zu ihm. Er deutete ihr, sich zu verstecken. Er sah seine Frau, die die anderen Mitglieder des Clans anwies, fortzulaufen. Alle sprangen wild durcheinander. Gehetzt wie Hasen schlugen sie Haken und liefen in alle Himmelsrichtungen. Doch als er ganz nahe bei ihnen war, hatte ihn die Polizei eingeholt und umzingelte auch die anderen Flüchtenden. Dann umstellten sie die provisorisch aufgestellten Zelte von Surabanas Familienclan, setzten ihn fest und verhörten ihn. Abseits von den anderen Familienmitgliedern musste er sich auf einen Stein legen. Sie banden ihm die Hände auf dem Rücken zusammen und stellten ihm Fragen, warum er ihre Palmölplantagen zerstört hatte. Comang Surabana antwortete. <Wir haben nichts zerstört. Ihr habt den Wald getötet, unser zu Hause, unsere Hütten! Ihr habt uns alles genommen! Alles!>
Daraufhin murmelte einer der Herren in seinem feinen Anzug einem gleich Aussehenden ins Ohr. <Wir haben versucht, ihnen Geld anzubieten, damit sie freiwillig ihre Hütten verlassen, als das nichts nützte, haben wir versucht, sie einzuschüchtern, indem wir ihre Hütten niederbrannten. Aber sie sind sehr stur. Sie wollen kein Geld und sie wollen sich nicht vertreiben lassen. Viele Palmen wurden zerstört! Wir müssen diese Wilden anders zähmen!> <Tötet sie!> schloss der andere Mann. <Das wird nicht so einfach sein, denn mittlerweile haben sich schon zu viele Demonstranten zusammengeschlossen. Der Widerstand der Bevölkerung wächst von Tag zu Tag. Letzte Woche besetzten tausende Aktivisten aus ganz Sumatra die Plantage unserer Weidemar-Tochter „Weidemar Poseidon“.> <Ja, ich weiß, aber die Wilden müssen verschwinden! Überlegen Sie sich etwas!> sagte der Mann streng und drehte seinem Gesprächspartner den Rücken zu. Er musste Ulmhoff anrufen, dass es Probleme gab!
Der Mann im Anzug blickte seinem Gesprächspartner hinterher. Er musste die Wilden bei einer Nacht und Nebelaktion verschwinden lassen. <Lasst sie gehen!> befahl er den Polizisten.
Comang Surabana stapfte wütend mit seinem nackten Fuß auf die Erde. Er würde weiterkämpfen für sein Volk, wenn es sein musste, noch einmal auf so einem fremden, kalten, fernen Kontinent wie Europa.
Zwei Tage darauf versammelten sich viele Menschen zu einer Demonstration in einer Provinz nahe der des Clans von Comang Surabanas Sippe, um mit blutverschmierten Transparenten gegen die Gewalt und Vertreibung durch Weidemar und die Polizei zu protestieren. <Wir fordern Lamir auf, sofort die Verträge mit Weidemar zu kündigen. Lasst unseren Wald stehen!>, rief Comang Surabana. Die anderen Demonstranten schlossen sich mit Sprechchören an.
Doch am nächsten Tag waren sie wieder da! Die gelben Drachen, die alles niederwalzten. Die eine Straße in den Urwald schlugen. Todesschwadronen, die Männer, Frauen und Kinder seines Clans niedermetzelten! Blut, das überall klebte. Tod und Verwesung. Kahles, ödes Land, Rauchschwaden, die über die schwarze Erde hinwegzogen. Tote Tiere, darunter die großen roten Waldaffen. Sie lagen blutend auf der verwüsteten Erde genau wie seine Frau und seine Kinder! Comang schrie herzzerreißend und schlug um sich. Sie waren immer ein friedliches Volk. Genauso friedlich wie die Orang-Utans. Sie waren zufrieden und ernährten sich nur vom Wald. Sie benötigten nicht viel von der Natur. Sie lebten in Harmonie mit dem Wald und den Tieren. Aber was nun? Es war nicht mehr viel Wald übrig! Und sein Volk blutete!