Читать книгу Das Palmölsyndikat - Barbara Hainacher - Страница 8
6. Kapitel Hamburg – Mai 2014
ОглавлениеIm obersten Stockwerk des Megatowers herrschte emsiges Treiben. The „Morning Heap” nannte es der Deutschland-Boss Nathan Rosenzweig. Er war der Chief Executive Officer und Präsident der amerikanischen Investmentbank Goldstein & Kuhn, die ihren Sitz im selben Tower, wie der Medienmogul Schwarzschild hatte.
Um 9.55 Uhr läutete Lloyd Smith die Glocke in der 64. Etage des Hamburger Turms.
Der „Morning Heap“ hatte begonnen. Es war eine tägliche Konferenz, auf der die aktuelle Lage auf den Finanz- und Rohstoffmärkten besprochen wurde.
Die zwanzig Teilnehmer hörten den Ausführungen der Bankiers zu, die gerade über die Tendenz an der Tokioter Börse und den Handelsverlauf an der Wall Street am Vorabend berichteten. Währenddessen klingelten unaufhörlich die Telefone.
Die Sprache war kurz und knapp, man redete sich mit Vornamen und „du“ an. Reines Deutsch sprach hier niemand, vielmehr ein Mischmasch aus Deutsch und Englisch.
Nathan Rosenzweig hatte den begehrten Status eines Partners schon vor sehr langer Zeit erhalten. Er erinnerte sich noch, als ob es gestern gewesen wäre. Er war 45 Jahre und hatte sich zum Chief Executive Officer und Präsidenten der amerikanischen Investmentbank hochgearbeitet. Seine Mitarbeiter waren sehr jung.
Als eine der nobelsten und reichsten Investmentbanken hüllte man sich gerne in Schweigen. Selbst bei Angaben zur Mitarbeiterzahl in Deutschland hielt sich die Bank bedeckt.
Bei der Morgenkonferenz in der Aktienabteilung war auch der Boss, Samuel Goldstein höchstpersönlich anwesend sowie sein vierundzwanzigjähriger Sohn, Jonathan Goldstein. Sein Vater, Samuel, war ein deutsch-jüdischer Auswanderer, der in New York sein Glück machte. Dort gründete er Anfang des 19. Jahrhunderts das Geldhaus Goldstein. Samuel Goldstein hatte einen Sohn und eine Tochter, die als 24-jährige einen sehr intelligenten jungen Mann heiratete. Sein Schwiegersohn, Denny Kuhn, erfand den Aktienhandel. Gemeinsam mit seinem Sohn Jonathan, der von der Familie nur John genannt wurde, spezialisierten sie sich auf den Handel mit Wertpapieren im großen Stil. Das Geldhaus hieß fortan Goldstein & Kuhn.
Ulmhoff blickte nach oben. An der Spitze des eleganten Büroturms konnte er die golden leuchtende Pyramide erkennen, die das Wahrzeichen der Illuminati darstellte und den Abschluss des Turms bildete. Goldstein war ein jahrelanger Freund und neben ihm einer der mächtigsten Illuminati. Seinen Sohn liebte er, wie seinen eigenen. In zehn Minuten würde er mit dem Lift in die oberste Etage des Büroturms fahren und die wenigen Treppen, die zu der Pyramide führten, hinaufsteigen. Hier hatte Goldstein Senior sein Büro. Es war der Inbegriff der Macht.
Als Ulmhoff näher an den Büroturm herankam, musste er grinsen. Nicht einmal ein nüchternes Firmenschild zeugte davon, dass hier eine der nobelsten und umstrittensten Adressen der Großfinanz ihren Deutschlandsitz hatte.
Die Mannschaft hatte Nathan Rosenzweig selbst ausgesucht. Man wurde direkt nach dem Prädikatsexamen von der Universität eingestellt. Neben der fachlichen war auch soziale Kompetenz erwünscht.
Als Aufnahmetests absolvierten die Anfänger gleich zwanzig oder noch mehr schwierige Vorstellungsgespräche auf mehreren Kontinenten in verschiedenen Sprachen. Der Wille, bei den „Goldsteinern“, ganz vorne zu sein, stritt niemand ab. Er gehörte zur Unternehmensphilosophie und auch die Aussicht auf Ruhm und viel Geld, wenn der ersehnte Aufstieg zum Partner gelang, war mehr als genug Antrieb auch jederzeit, natürlich auch nachts, erreichbar zu sein.
Um Goldstein & Kuhn rankten sich seit Jahrzehnten viele Geheimnisse. Kein Wunder bei der gewaltigen Erfolgsgeschichte, dachte Ulmhoff bei sich.
Das Bankhaus galt als auserlesen und war von einer sehr speziellen Unternehmenskultur geprägt, die sich Außenstehenden verschloss. So wurde den Journalisten immer wieder diskret bedeutet, dass man lieber auf Artikel verzichtete.
Das Haus war eine Kaderschmiede für junge Aufsteiger, die oft einen Adelstitel trugen oder wie viele von ihnen von Wirtschaftsfamilien stammten.
Ulmhoff musste wieder grinsen, als er an den Leitspruch von Goldstein & Kuhn dachte: „Zwanzig Jahre Knochenarbeit mit Dauerstress“. Es war ein versteckter Witz, denn die meisten der jungen Aufsteiger waren Knochenmänner, die Knochenarbeit leisteten! Wie genial er den Bankier Samuel Goldstein und seinen Sohn John fand, konnte er nicht in Worte fassen. Niemand konnte es so leicht mit einem Max Ulmhoff aufnehmen, doch Samuel, sein Freund, hatte es geschafft.
Nachdem er die Spitze des goldenen Turms über die Treppe erreicht hatte, blickte sich Ulmhoff um. Sein Freund Samuel kam mit eleganten Schritten auf ihn zu und begrüßte ihn herzlich. <Hallo Max! Wie geht es Dir?> fragte er mit sanfter Stimme. Die feinen jüdischen Züge seiner Mutter konnte der in Hamburg geborene Samuel Goldstein nicht abstreiten. Trotzt eines beinharten Geschäftsmannes, fühlte sich Ulmhoff immer geborgen bei seinem Freund, der Ruhe und Geborgenheit ausstrahlte. Er war der Einzige, dem er wirklich vertraute und der über seine Geschäfte Bescheid wusste. Goldstein fand ihn ebenso genial wie Ulmhoff ihn. Es war eine Freundschaft basierend auf gegenseitiger Wertschätzung. Goldstein war im Rat der zwanzig höchsten Illuminati und half Ulmhoff bei seinen Geschäften. <Hier, nimm erst eine Tasse von dem besten Kaffee aus Hamburg, mein alter Freund, dann kommen wir zum Geschäft. Ich habe die Unterlagen schon bereitgelegt. Du musst also nur mehr unterzeichnen. Dann gehören Dir die Palmölplantagen in ganz Westpapua und laufen wie immer unter anderen Namen.> <Du bist der Beste! Wie geht es John? Macht er sich gut im Unternehmen?> grinste Ulmhoff und nahm einen Schluck Kaffee. Es war ein Hamburger Ritual, das die beiden immer bei ihren Zusammenkünften vollzogen. <Ja, er ist der Beste! Er sticht mit seinem Geist und Genie aus der Menge weit heraus. Er wird einmal ein guter Nachfolger!> sagte Goldstein mit dem Stolz eines liebenden Vaters.