Читать книгу Das Palmölsyndikat - Barbara Hainacher - Страница 9
7. Kapitel Afrika – März 2025
ОглавлениеDie Straße schlängelte sich den Hügel hinunter vorbei an vertrockneten Akazienbäumen und kleinen verdorrten Sträuchern. Ein Paradiesvogel flog erschrocken von seinem Ast hoch und krächzte wild, als wolle er die Eindringlinge beschimpfen. Der grüne Jeep raste unbeirrt auf der holprigen Straße weiter. Zweige prallten an die Seitengestänge und verursachten ein quietschendes Geräusch, das einem die Haare zu Berge stehen ließ.
Die Männer hatten es eilig. Zwei magere Elefanten, die gerade die Straße passieren wollten, sahen erschrocken hoch und trompeteten laut, während sie mit den Ohren heftig schlugen. Nngo lenkte den Jeep, als führe er bei der Rallye Dakar mit. Er ignorierte jegliches Getier ob groß oder klein. Sie hatten keine Bedeutung für ihn. Er hasste Tiere genau wie Menschen.
Nbele, sein Beifahrer war genau das Gegenteil. Er hasste Tiere nicht, er liebte sie auch nicht. Sie waren für ihn, genau wie Menschen, einerlei. Er war ein Eigenbrötler.
Sie bogen gerade in einen kleinen Weg ein, als sich vor ihnen ein riesiges Loch auftat. Nngo legte eine Vollbremsung ein. Ein reißender Fluss verschaffte sich seinen Weg an der Stelle, wo einst eine Brücke gewesen war. <Verdammt! rief Nngo, was jetzt?> <Kehren wir um und suchen uns einen neuen Weg!> sagte Nbele ruhig. <Wir verlieren viel Zeit, wenn wir einen anderen Weg suchen und es wird schon bald dunkel! Du weißt, was das bedeutet!> belehrte ihn Nngo streng und runzelte die Stirn. Auf seinem Kopf tummelten sich Fliegen, die er mit der Hand wegwischte. Seine Glatze glänzte im Abendlicht. Er strich sich ein paar Mal darüber. Dann befahl er Nbele, auszusteigen und die Lage abzuchecken. Nbele tat wie ihm geheißen. Er stieg, elegant das rotkarierte Massai Tuch, das um seinen Körper gewickelt war, nach oben haltend, die Stufen des Jeeps herab. Nngo sah ihm nach. Er musste zugeben, dass Nbele ein sehr ruhiger und eleganter Mensch war. Aber für ihren Job brauchte er einen kaltblütigen Burschen! Gerade eben traf Nbele wieder die falsche Entscheidung! Er wollte einen anderen Weg suchen. Das würde viel zu lange dauern! Die Nacht brach schon herein. Nngo war sich bei Nbele nicht sehr sicher.
Nbele ärgerte sich, dass Nngo ihn immer belehrte. Er hasste den Busch. Obwohl er dort als Kind von Massai aufgewachsen war, spürte er aber keine Verbindung mehr zu dem Leben, das seine Eltern lebten. Sie waren ein stolzes Volk, sie töteten sogar Löwen, wenn es sein musste und sogar für ihre Rituale kämpften sie mit ihnen.
Er hatte keine schöne Kindheit noch Jugend. Als Kind wurde er von einer schwarzen Mamba gebissen. Seine Eltern töten die Schlange, aber da war das Gift schon auf dem Wege zu seinem Herzen. Er überlebte den Biss nur, weil man ihm den Arm abtrennte. Dies geschah nicht in einem Krankenhaus, denn das konnten sich seine Eltern nicht leisten, sondern man legte bei solchen Unfällen im Dorf selbst Hand an. Sein Vater stand über ihm, die Machete in der einen Hand, ein Massai Tuch in der anderen. Als Nbele wieder aus der Ohnmacht, in die er vor lauter Schmerzen gefallen war, erwachte, fehlte sein linker Arm. Tränen liefen über sein Gesicht. Das Massai Tuch war fachgerecht über den Stummel gebunden, der ihm noch geblieben war. Zuvor hatten seine Eltern und eine Medizinfrau des Dorfes ihm das Gift ausgesaugt und nach der Armamputation eine Salbe gegen Wundbrand aus verschiedenen Kräutern und Rinden, Wurzeln und Beeren zusammengerührt und aufgetragen. Das hatte ihm seine Mutter später einmal erzählt. Die Wunde heilte nur sehr schlecht. Er musste mehrere Jahre dicke Verbände tragen und in der Hütte bleiben, denn im Busch, wo er lebte, war es ein leichtes, dass sich eine Wunde entzündete. Er war erst vier Jahre alt, als sein Arm amputiert wurde und die Kinder lachten in ihrer teils unschuldigen, teils bösartigen Art über ihn. Für ihn war es die Hölle. Er musste immer aufpassen, dass er sich nicht zu viel bewegte und den Stummel ruhig hielt.
Drei Jahre später, als die Wunde endlich verheilt war, ging er ohne Verband nach draußen, um mit den anderen Kindern zu spielen. Erst sahen sie ihn nur zaghaft an, dann überkam sie die Neugier und sie umkreisten ihn, damit sich jeder Einzelne die Abtrennung genau ansehen konnte. Dabei kreischten sie und liefen hin und her. Er war selbst begierig darauf die Naht zu sehen, wo vor wenigen Jahren noch sein Arm war. Doch er konnte den Kopf nicht so weit nach vorne biegen, sodass er die Naht sehen konnte. Panik beschlich ihn.
In Tansania, wo er aufwuchs, lernte er alles durch Sehen und Hören von den Alten, was für ein Leben jenseits von Strom und Wasser notwendig war.
Trotz der vielen Schwierigkeiten, mit denen er im Busch zu kämpfen hatte, hatte er es irgendwie geschafft zu überleben. Nbele war ein neuer Mensch, als er vom „Mann-Werden“ zurück in sein Heimatdorf kehrte und man ihn und den anderen Jungen feierte. Eine Woche dauerte die Zeremonie, dann war es soweit, eine Familie zu gründen. Er hatte schon eine Auswahl getroffen und sie gehörte zu einem sehr stolzen Stamm.
Aber der Vater seiner Auserwählten war gegen die Hochzeit. Ein Massai mit nur einer Hand kann nicht gegen Löwen kämpfen und eine Familie ernähren! Er ist kein richtiger Krieger. Er bekommt meine Tochter nicht zur Frau!
Damit war sein Schicksal besiegelt. Jetzt erst merkte Nbele, wie die Menschen über ihn dachten. Er hatte gelernt, sein Leben mit nur einer Hand zu meistern. Er war stolz auf alles, was er getan und vollbracht hatte. Die Erfahrung alleine im Busch zu überleben, brachte ihm sein Selbstvertrauen zurück, das er so lange vermisste. Doch nun half ihm das ganze erlangte Selbstvertrauen nichts mehr. Er war zu einem „Aussätzigen“ für sein Volk geworden, unfähig eine Frau zu finden, verließ er sein Volk und seine Eltern für immer.
Doch er war ein Massai! Sie waren ein stolzes Volk. Sie ignorierten sogar die Befehle der Regierung, die ihnen verbot, im Krater zu siedeln! In den letzten Jahren siedelten sie jedoch auch im Ngorongoro Krater, wo sie früher immer schon ihre Tiere weiden ließen. Es war gutes Weideland. Und das Soda, das im See vorhanden war, war sehr wichtig für die Tiere, die sie als Haustiere hielten. Die Kühe und Schafe waren ihr ganzes Vermögen. Ging es den Tieren gut, ging es auch ihnen gut. Deshalb arrangierten sie einen Umzug mittels ihrer Lastesel und erbauten ihre Boomas im Krater. Kurz darauf vertrieb sie die Regierung mit der Androhung auf Strafe, falls sie sich den Gesetzen nochmals entgegen stellen würden.
Der Ngorongoro-Krater war eine Conservation Area. Rund um den Krater war es den Massai von der Behörde aus erlaubt, an den oberen Berghängen zu wohnen. Unten im Krater war es ihnen nicht erlaubt. Die Wildtiere mussten geschützt werden. In der Serengeti durften sie überhaupt nicht wohnen, weil dies ein Nationalpark war und in diesem weder gewohnt, noch etwas von dem, was der Busch zu bieten hatte, verwendet werden durfte.
So wanderten viele von ihnen vom Ende des Nationalparks Serengeti bis zum Krater, denn dort war das Land noch weit und man konnte die roten Stoffbahnen der Massai schon in der Ferne ausmachen. Rot war die Farbe, die Löwen nicht sehen konnten. Dazu fehlten ihnen die Rezeptoren.
Seine Vorfahren, die Massai-Krieger in Ostafrika machten seit jeher Jagd auf Löwen, sowohl um ihre Viehherden zu verteidigen, als auch um in rituellen Zeremonien ihren Mut unter Beweis zu stellen. In Kenia war der Löwenbestand durch die intensive Bejagung auf etwa 2000 Exemplare zusammengeschrumpft – mit Tendenz nach unten.
Um die verbliebenen Tiere zu schützen, hatten sich viele Massai dazu entschlossen, mit jahrhundertealten Traditionen zu brechen und die Löwen unter ihren Schutz zu stellen, statt sie zu töten. Eine drastische Umstellung, die nicht bei allen Massai auf ungeteilte Zustimmung gestoßen war. Für Nbele war der Schutz der Löwen früher wichtig. Schließlich kamen dann Touristen, die die Löwen sehen wollten und dann besuchten diese auch sein Volk und zahlten viel Geld dafür. Das brachte wiederum Reichtum für seine Familie und seinen Stamm. Auf diese Weise konnten sie sich mehr Schafe und Rinder leisten und waren angesehen. Aber nun, da er alleine war, waren ihm die Löwen auch egal.
Nbele war sehr stolz und er konnte sich mit einer Hand genauso gut verteidigen wie andere Menschen seines Dorfes. Doch die Massai konnten nicht mit seiner Verletzung umgehen. Es kam so gut wie nie vor, dass jemand so einen Schlangenbiss im Dorf überlebte, genauso wenig wie jemand eine Amputation überlebte. Deshalb wussten die Menschen im Dorf nicht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollten.
Aus diesem Grund beschloss er, das Dorf zu verlassen und irgendwo ein neues Leben zu beginnen. In den Städten war es einfacher mit einer Handamputation zurechtzukommen, dachte er bei sich und ging sehr weit weg von seinem Dorf. Er wohnte in verschiedenen Orten in Afrika. Er schlug sich bis nach Ruanda durch. Doch er täuschte sich. Die Menschen waren ihm gegenüber nicht weniger voreingenommen. Er hatte es immer schwer. Die Stadtbewohner hatten sowieso Angst vor ihm, wie es ihm schien. Generell waren Massai für ihre Furchtlosigkeit bekannt und deshalb hielt die normale Bevölkerung Abstand zu ihnen.
So lernte er eines Tages Nngo kennen. Nngo war es egal, wie es schien, dass er ein Massai war und dass er nur eine Hand hatte. Er war ein kalter Bursche und er hasste den Busch genau wie Nbele. Als Nngo ihm ein Geschäft vorschlug, willigte er ein ohne sich darüber Gedanken zu machen. Großwild abschlachten, das konnte er auch mit einer Hand und es brachte sehr viel Geld. Danach konnte er sich für mehrere Jahre zur Ruhe setzen. Er hatte kein Geld. Er benötigte auch nicht viel für sein Leben. Aber nach diesem Job wollte er sich mehrere Jahre am Strand von Mozambique oder anderswo ausrasten.
In der Zwischenzeit war es schon feuchtschwül und dämmrig geworden. Die Abendsonne schien mit immenser Kraft auf sie herab. Was sollte er nur mit Nbele anfangen? ärgerte sich Nngo. Er war ihm eher eine Last als eine Hilfe. Er traf immer die falschen Entscheidungen. Er konnte die Gefahr nicht abschätzen und immer musste er ihm etwas anschaffen, anstatt dass er selbst zupackte. Der Auftrag, den sie vor einer Woche angenommen hatten, bedurfte aber Feingefühl. Tiere aufzuspüren war noch die geringste Schwierigkeit. Es bedeutete, Gefahren vorher zu wittern. Zu wissen, welche Gewohnheiten bestimmte Tiere hatten, war eine Grundvoraussetzung für ihren Job. Er hatte Nbele nur engagiert, weil dieser ein Massai war und - somit im Busch aufgewachsen - sollte er über die Tiere und Gefahren Bescheid wissen. Er sollte ihm zur Seite stehen und die Drecksarbeit für ihn erledigen!
Nngo hatte die Gebiete auf der Landkarte genauestens eingezeichnet, damit sie sich nicht verirrten und den Rangern in die Hände liefen. Das Gebiet war dicht mit Buschwerk besetzt. Einerseits war dies für ihre Deckung gut, andererseits waren die Tiere nur schwer aufzuspüren. Man musste schon wissen, wo sie sich ungefähr aufhielten. Er hatte alles unter Kontrolle. Er machte diesen Job nicht das erste Mal!
Nngo fuhr sich über seine Glatze. Er mochte keine Haare, da sich in seiner Krause bei der Hitze nur Getier ansammeln würde. Außerdem musste er die Glatze nicht waschen. Wasser war sowieso Mangelware.
<Nbele! Schaff endlich Steine in den Fluss, damit wir drüber fahren können!> Nngo saß aufrecht auf dem Jeep, fuhr sich mit der Hand über seine Glatze und gab Nbele weitere Befehle. Er war sicher, dass sie es mit Hilfe der Steine schaffen konnten, diesen Fluss zu überqueren. Er blickte zornig zu Nbele! <Jetzt beeil Dich! Sonst schaffen wir es nicht mehr bis zum Nachtlager! Los!>
Er selbst würde ihm nicht helfen. Er musste schließlich Ausschau nach Wildtieren halten. Sein olivgrünes T-Shirt und die Khakihose waren vom Schweiß schon ganz durchnässt. Für 17.00 Uhr war es noch besonders warm. Es hatte wahrscheinlich noch 37 Grad. Die Luft war dunstig. Regenwolken bedeckten den Himmel. Es war Regenzeit und sie hatten bis jetzt Glück gehabt, denn der Fluss war bisher das einzige Hindernis auf ihrer Fahrt. Afrika konnte in der Regenzeit besonders gefährlich sein, wenn man in Pfützen oder reißenden Flüssen stecken blieb. Dann musste man Hilfe rufen und das war auf ihrer geheimen, gefährlichen Mission nicht drin! Vor ein paar Jahren wären sie wahrscheinlich schon zigmal stecken geblieben, aber nun war das Klima auch zur Regenzeit trockener geworden, was ziemlich verwunderlich war. Auch die Bäume und Sträucher waren verdorrt, obwohl zu dieser Jahreszeit alles grün leuchten müsste.
Nngo blickte erzürnt, die Stirn in Falten gezogen, von dem sicheren Jeep hinunter. Er hatte Nbele für die Drecksarbeit angeheuert! Doch er spürte einen starken Widerwillen, der von Nbele ausging.
Nbele hatte Mühe, größere Steine mit einer Hand zu tragen. Er fing an sich zu ärgern, was gar nicht seinem Naturell entsprach. Es war ein anstrengendes Unternehmen. Seine Gummischlapfen, selbstgebastelt aus alten Reifen, die ein LKW-Fahrer am Straßenrand weggeschmissen hatte, und seine Füße waren schon ganz nass. Vor allem war es schon dunkel und sie mussten rechtzeitig in ihrer Unterkunft sein, sonst konnten sie die Nacht hier im Busch verbringen und das war das, was sie am wenigsten wollten!
Er wollte Nngo am liebsten die Meinung sagen, er möge ihm doch endlich helfen! Doch der saß in seinem Jeep, blickte geringschätzig auf ihn herab und sagte ihm, Nbele, was er zu tun hatte. In Nbele stieg eine Wut auf, die er zu unterdrücken versuchte. So wollte er nicht behandelt werden, so nicht! Er war schließlich ein stolzer Massai! Keiner sollte ihm anschaffen, was er zu tun und lassen hatte! Keiner! Doch er war in eine Situation geraten, in der er nicht mehr ein tapferer Massai-Krieger war, jetzt war auch er ein Unterwürfiger der materiellen Welt geworden! Ein Untertan des Geldes!
Demütigung, Entwürdigung, sich selbst untreu werden und Unterwürfigkeit war eng mit Geldverdienen verbunden! Das war das erste Mal seit langem, dass er das EINFACHE LEBEN im Busch vermisste! Geld war schmutzig! Er fing an, es zu hassen!
Es dämmerte. Die Schleiereule krächzte ihr dumpfes Grrr von einem entfernten Dornbusch. Es dauerte nicht mehr lange und die Frösche würden ihr nächtliches Konzert beginnen! Es war höchste Zeit, um in ihr nächtliches Lager aufzubrechen!
Nngo konnte sich das langsame Arbeiten von Nbele nicht mehr ansehen. Er kochte innerlich vor Wut. So einer hatte ihm wirklich gefehlt! So ein Blödmann!!! Und der wollte wildern! Mit seinen Gummischlapfen stapfte er ganz langsam dahin! Nngo musste sich abwenden! Er fasste sich an seine Glatze! Das beruhigte ihn ein bisschen.
Er musste ihn bei der nächsten Gelegenheit loswerden! Vielleicht eine Kugel, die sich irrtümlich verirrte oder ein Krokodil, das ihn schnappte … Ihm fiel schon etwas ein.
Es war jetzt wirklich schon ziemlich dämmrig, um nicht zu sagen, teuflisch dunkel, nur deshalb stieg Nngo vom Jeep herab und half Nbele, zwei größere Steine auf die anderen Steine zu legen, damit sie endlich den Fluss passieren konnten, um zu ihrem Nachtlager zu gelangen, das nur wenige Meter entfernt war. Die einzige Lichtquelle kam von den Scheinwerfern des Jeeps, denn die Sterne waren hinter den dicken Wolken verdeckt.
Nngo startete den Motor. Er gab Gas. Die Steine hielten und der Jeep glitt durch das Wasser. Nngo gab noch mehr Gas. Er beschleunigte die Fahrt und folgte den Scheinwerfern, die einen Lichtkegel in die Dunkelheit warfen. Der Fahrtwind war kühl. Sie hatten den reißenden Fluss hinter sich gelassen. Insekten flogen ihnen in die Augen. Sie mussten die Augen zusammenkneifen, um noch etwas sehen zu können. Durch das Licht der Scheinwerfer wurden die Insekten immer wieder angezogen. In der Dunkelheit vor ihnen leuchteten die Augen von kleinen Tieren, vielleicht waren es Hyänen.
Als sie das Nachtlager endlich erreichten, herrschte eisiges Schweigen. Jeder hatte auf seine Weise begriffen, dass sie kein gutes Team waren, keine gleichwertigen Partner. Einer musste der Schwächere sein und einer der Überlegene.
Da sie aber beide von ihrem Naturell her Führer waren, konnte diese Konstellation auf Dauer nicht gut gehen. Nbele dachte bei sich, ich darf jetzt nicht aufgeben. Ich mache diesen Job noch zu Ende, dann bekomme ich viel Geld und sehe diesen Nngo nie wieder. Auch wenn das bedeutet, dass ich mich doch unterordnen muss. Ich muss nur irgendwie durchhalten.
Das Nachtlager war ein einfacher Platz, der von einer Booma, Akazienzweige, die im Rondeau aufgestellt waren, umgeben war, um Löwen und andere Karnivore abzuhalten. Der Durchmesser des Platzes maß zehn Meter, also genug Platz, um sich aus dem Weg zu gehen. Nbele sammelte Holzstücke, um damit ein schönes Lagerfeuer zu machen. Er wartete nicht darauf, dass Nngo Holz sammelte. Er blickte Nngo überhaupt nicht mehr an! Er wollte ihm auf jeden Fall aus dem Weg gehen, um Streit zu verhindern!
Nngo sah Nbele aus den Augenwinkeln Feuerholz sammeln. Wenigstens tut er mal was für sein Geld und er musste ihm das nicht auch noch anschaffen. Sie hatten nichts zu essen. Nngo knurrte der Magen. Er aß meistens Wild, das er selbst erlegte. Doch heute war es schon zu spät. Der Gedanke an Löwen und Leoparden, die im Dunkeln jagten, ließ seinen Hunger schnell vergehen. Die Booma im Dunkeln zu verlassen war reiner Selbstmord.
Nngo brauchte Verstärkung. Das war so sicher wie das Amen im Gebet. Er musste Nbele loswerden und sich jemanden, der fähiger war, suchen. Also wartete er, bis es ganz dunkel war und Nbele eingeschlafen war, ging etwas abseits und wählte die Nummer von Juma. Er kannte ihn von einem Kollegen. Er war jung und kräftig. Er würde Nbele gut ersetzen!
Nbele konnte nicht schlafen. In der Nähe schrien Hyänen. Der Schlafplatz rund um das Lagerfeuer war hart und unbequem. Er blickte zu Nngos Schlafplatz, den er im abgebrannten Lagerfeuer noch schwach ausmachen konnte. Doch der war leer. Er stützte sich auf seine gesunde Hand. Wo war Nngo hingegangen? Weit konnte er nicht sein. Nbele hatte sicher nicht länger als eine halbe Stunde gedöst. In der stockdunklen Nacht konnte er nicht weit vom Lagerfeuer weggehen, weil es zu dunkel war. Nbele horchte in die Nacht. Er konnte von weiter weg ein Flüstern hören. Er konzentrierte sich. In der Ferne nahm er Nngos Stimme wahr. Er hörte noch, wie Nngo flüsterte, dass Juma kommen soll. Dann hörte er das Drücken auf eine Handytaste. Was hatte das zu bedeuten?
Nbele verfiel in einen unruhigen Schlaf. Er wusste nicht, was er mit dem Gehörten anfangen soll. Juma soll kommen, hatte Nngo in sein Handy gesagt. Nbele wachte immer wieder auf. Einmal hatte er einen seltsamen Traum. Er träumte von einem Motorengeräusch, dann war es wieder still und er schlief bis zum Sonnenaufgang durch.
Der Tag in Afrika begann wie jeder Tag mit einem Stakkato von Tiergeräuschen, die allen Lebewesen in der Natur „Guten Morgen“ sagten. Grillen und Vogelgezwitscher ertönten in einem magischen Konzert. Sie waren alle aufeinander abgestimmt, sodass jeder Ton richtig klang. Es war einfach wunderschön. Ein Konzert, wie es nur die Natur hervorbringen konnte! Und doch konnten die meisten Menschen diese wunderschöne Melodie nicht schätzen.
Nbele konnte die Symphonie auch nicht hören, zu viel belastete ihn im Moment! Nbele stützte sich mit seinem gesunden Arm ab und blickte zu Nngos Schlafplatz. Wo war er? War er schon aufgestanden? Nbele knurrte der Magen. Er hatte seit gestern Mittag nichts mehr gegessen! Er verließ die Booma und spähte nach allen Seiten. Der Wind war heute heftig, der Sand wehte ihm in die Augen, sodass er seine Hand schützend vors Gesicht halten musste. Weit entfernt konnte er den reißenden Fluss ausmachen, den sie gestern überquert hatten. Nbele öffnete das Holztor und trat vor die Booma.
Nein, das konnte doch nicht sein! Der Jeep war weg und von Nngo fehlte jede Spur! Der war doch nicht ohne ihn weitergefahren und hatte ihn ohne Waffe und Proviant hiergelassen? Nicht, dass sie viel Proviant mitgehabt hätten, nur Verbandszeug, falls etwas schief lief bei der Jagd und Karten, damit sie wussten, wo sie waren. Und Waffen, sie hatten jede Menge Waffen im unteren Teil des Jeeps versteckt.
Na, vielleicht kam er doch noch zurück? Aber wahrscheinlich nicht! Damit hätte er nicht gerechnet! Dass ihre Beziehung zueinander nicht gerade ideal war, ok. Aber dass Nngo einfach verschwand! Wie sollte er im Busch überleben? Er hatte weder Waffen, noch ein Messer, mit dem er sich einen Speer oder etwas in der Art zurechtschnitzen konnte. Mit nur einer Hand würde er früher oder später verhungern oder von einem Löwen gefressen werden! Noch dazu war er sehr weit weg von der Zivilisation. Das war sein sicherer Tod! Hakuna Matata! Das bedeutete: Sorge Dich nicht, die Probleme werden sich morgen von selbst in Luft auflösen!