Читать книгу Hilfsmittel, Assistive Technologien und Robotik - Barbara Klein - Страница 8
Vorwort
ОглавлениеFachkräfte im Gesundheitswesen stehen tagtäglich vor der Frage, wie sie kranke, pflegebedürftige und behinderte Menschen in ihrer Autonomie und Eigenständigkeit unterstützen und zu einem Mehr an Lebensqualität und Teilhabe beitragen können. Auch viele ältere Menschen und ihre Angehörigen fragen sich, was sie machen können, um einen Umzug in eine Pflegeeinrichtung hinauszögern oder vielleicht ganz vermeiden zu können.
Es wird viel diskutiert, welche Rolle Technik und insbesondere altersgerechte Assistenzsysteme in einer älter werdenden Gesellschaft spielen können. Eine Vielfalt an Begriffen wie z. B. Assistive Technologien, Altersgerechte Assistenzsysteme oder Hilfsmittel wird genutzt, um zu diskutieren, welche Produkte bei unterschiedlichen Funktionsverlusten in den verschiedenen Lebensbereichen unterstützen können. In Deutschland hat sich im Gesundheitswesen der Begriff »Hilfsmittel« etabliert, international wird in der Regel »Assistive Technologien« verwendet.
Warum ist ein Buch zu »Hilfsmittel[n], Assistive[n] Technologien und Robotik« in der heutigen Zeit noch erforderlich? Die Halbwertszeit technologischer und regulativer Entwicklungen ist schließlich sehr hoch. Dazu kommt, dass Informationen im Internet tagesaktuell verfügbar sind. Hilfsmittel sind ein fester Bestandteil des Gesundheitswesens, erhält doch jede vierte versicherte Person eine entsprechende Verordnung (Grandt et al. 2017, S. 8). Mit 8,07 Milliarden Euro haben Hilfsmittel im Jahr 2017 3,7 % der Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherungen eingenommen (GKV-Spitzenverband 2018, S. 4). Dieser prozentuale Anteil schwankt seit vielen Jahren kaum. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das 2017 in Kraft getretene Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz zu höheren Ausgaben führen wird, da es einige Veränderungen gibt, die an der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität ansetzen. Versicherte in den Gesetzlichen Krankenkassen, die ein Hilfsmittel nach SGB V, § 33 verordnet bekommen, haben nicht nur einen Anspruch auf die Dienstleistungen, die für die Bereitstellung notwendig sind, sondern auch auf eine entsprechende Einweisung, damit sie in der Lage sind, das Hilfsmittel sachgerecht einzusetzen. Neben dem Preis spielen sowohl die Qualität der Hilfsmittel als auch die Transparenz im Versorgungsprozess wichtige Rollen (Grandt et al. 2017, S. 20 ff.).
Ziel dieses Buchs ist es, eine Art grundlegender Wegweiser durch den Hilfsmitteldschungel zu sein. Besonders bei ca. 32.500 Produkten, die im Hilfsmittelverzeichnis gelistet sind (GKV-Spitzenverband 2019), die bei vielfältigen Einschränkungen wie auch in den Bereichen des Sehens, des Hörens, der Mobilität und der Kommunikation eingesetzt werden können, kann man schnell den Überblick verlieren. Auch wenn einige der vorgestellten Produkte vielleicht aufgrund der schnellen technischen Weiterentwicklungen nicht mehr verfügbar sein können, gibt dieses Buch viele Anhaltspunkte, um gezielt nach geeigneten assistiven Produkten suchen zu können.
Zielgruppen dieses Buchs sind alle, die in medizinischen, pflegerischen, sozialarbeiterischen, ergotherapeutischen und anderen Gesundheitsberufen arbeiten oder sich in der Ausbildung befinden. Dazu gehören vor allem auch die medizinischen Berufe. So sind Ärztinnen und Ärzte diejenigen, die als einzige Hilfsmittel verordnen dürfen, allerdings ist dieser Themenkomplex in der Regel nicht im Studium verankert. Auch für viele andere Gesundheits- und Pflegeberufe kann eine kompakte Übersicht hilfreich sein.
Zu den Zielgruppen dieses Buchs gehören aber auch kranke, pflegebedürftige und behinderte Menschen und ihre Angehörigen. Hier liefert das Buch eine Einführung und einen Einblick in die technischen Möglichkeiten und trägt zum Verständnis des jeweiligen Funktionsverlusts bei.
Das erste Kapitel setzt sich mit den Begrifflichkeiten auseinander, um das Begriffswirrwarr rund um den Hilfsmittelbereich zu lichten. Das deutsche Gesundheitswesen verwendet den Begriff »Hilfsmittel« in den entsprechenden Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien. Dem Begriff »Hilfsmittel« haftet die gleiche, etwas technische Aura an, die (nicht nur) in der Vergangenheit vielen Hilfsmitteln zu eigen war. Häufig haben Hilfsmittel eine sehr funktionale Ästhetik, die auf Ansprechendes und Wohlgefallen verzichtet. Von den betroffenen Menschen, die so ein Hilfsmittel benötigen, wird das Design als stigmatisierend empfunden. Heute wandelt sich das zunehmend – hat nicht zuletzt die Industrie ältere und pflegebedürftige Menschen als neuen Wachstumsmarkt erkannt. Unterstützt wird dies durch die rechtliche Verankerung der UN-Behindertenrechtskonvention und den damit verbundenen Diskussionen. Doch auch Aspekte der Usability bzw. der Gebrauchstauglichkeit werden zunehmend als wichtig erkannt, und öffentlich geförderte Projekte müssen inzwischen systematisch Akzeptanz und ethische Aspekte berücksichtigen, was mittlerweile auch zu ansprechenderen Produkten geführt hat. Das 1. Kapitel setzt sich mit diesen Fragen auseinander und gibt einen Überblick zu den Strukturen des Hilfsmittelbereichs und über die verfügbaren Informationsquellen, mit denen weitergearbeitet werden kann.
Die Kapitel zu den Funktionsverlusten in den Bereichen des Sehens, des Hörens, der Mobilität und der Kommunikation geben jeweils einen Einblick in die Zahlen, Daten und Fakten dieser Gebiete. Im Anschluss werden verschiedene Assistive Technologien vorgestellt und neue Entwicklungen aufgezeigt. Das Kapitel »Ausblick« geht auf Fragen der Akzeptanz und technologischen Weiterentwicklung ein. Verschiedene theoretische und konzeptionelle Ansätze tragen dazu bei, die Akzeptanz bzw. Nicht-Akzeptanz von Hilfsmitteln zu erklären. Deutlich wird, dass eine weitere Professionalisierung der Gesundheitsfachberufe rund um das Thema Assistive Technologien und Hilfsmittel notwendig ist.
Ein solches Buch kann nur entstehen, wenn die passenden Rahmenbedingungen gegeben sind. Die Frankfurt University of Applied Sciences hat schon seit vielen Jahren die Bedeutung dieses Themas erkannt und in Kooperation mit dem Sozialverband VdK Hessen-Thüringen e. V. die Dauerausstellung »Barrierefreies Wohnen und Leben« am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit eingerichtet. Mit der Frankfurter Stiftung für Gehörlose und Schwerhörige wurde ein weiterer Partner gewonnen und die Themen in die neue Dauerausstellung »Hallo Freiheit! Zusammen über Barrieren« überführt und um Einblicke in die Welt der Gehörlosen und Schwerhörigen erweitert. Die Ausstellung dient der Ausbildung der Studierenden, Schülerinnen und Schülern der Altenpflege- und Gesundheitsfachschulen, der Information betroffener Menschen und ihrer Angehörigen und der Qualifizierung von Fachkräften in den Gesundheits- und Sozialberufen und weiterer Berufsgruppen.
Prof. Dr. Barbara Klein