Читать книгу Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie - Bastian Litsek - Страница 12
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Klax schlussfolgert
Keine Ahnung, rief sich Klax das Passwort in Erinnerung, welches ihn vor Entführern, Pädophilen und alten Leuten mit Großeltern-Komplexen retten sollte.
Ursprünglich hatten seine Eltern sich das so gedacht: Wenn ein Fremder vorgab, seine Eltern hätten ihm erlaubt, mit ihm mitzugehen, sollte er sie nach dem Passwort fragen.
Leider, und das war selbst Klax mit seinen acht Jahren bewusst, waren die beiden nicht mal halb so schlau, wie sie annahmen, sondern eher gerade mal ein Drittel so intelligent wie eine auf der Weide grasende Milchkuh. Denn wie irgendeine erfundene Phrase einen fremden Perversen davon abhalten sollte, Klax seiner Päderasten-Trophäensammlung hinzuzufügen, war ihm ein Rätsel. Noch dazu war das Passwort nicht sonderlich gut gewählt, sodass Klax sicher war, dass ein Fremder es im Notfall erraten konnte. Schon die Frage „Wie lautet das Passwort“ forderte das eigentliche Passwort geradezu heraus, ausgesprochen zu werden.
Was ihn an der Dummheit des Mannes, welcher ihm als Vater diente, am meisten störte, war die Tatsache, dass der so viel Zeit damit verbrachte, seiner Dummheit nachzugehen wie andere Leute einem Hobby. Er stürmte irgendwelche Terroristen-Hochburgen und verlor dafür seinen Job, musste eine lange Forstwirtausbildung machen und verbrachte jede freie Minute im Rettungswagen, um, wie er sagte, „die Brötchen zu verdienen“. So ein großer Fan von Brötchen war Klax gar nicht, er wäre viel lieber mit seinem Papa in dem schönen Rettungswagen durch die Gegend gefahren und hätte dabei das Blaulicht eingeschaltet.
Doch weit gefehlt.
Wenn sein Vater zu Hause war, verbrachte er die Zeit vor dem Computer, um „den Bürokratie-Scheiß zu erledigen“ oder weinte nachts im Badezimmer, wobei er immer wieder den gleichen Satz wiederholte: „Womit hab ich das alles verdient? Womit hab ich das alles verdient?“
Klax war froh, dass es in so einem missratenen Kinderleben noch Hannah gab. Die lebte nebenan, war achtzehn Jahre alt, hübsch sowie wohlriechend und spielte bei ihm auch gerne mal den Babysitter. Sie hatte auf ihn aufgepasst, seitdem er ein Baby war. Er durfte sich abends immer noch an sie kuscheln und wenn er Angst hatte, schlief sie mit ihm im Bett. Das war ganz nett, aber viel lieber hätte er sie als Freund anstatt als weiteren Erwachsenen, der mit ihr in der Babysprache redete und ihn knuddelte.
Schnell bemerkte er, dass es draußen im Winter doch recht kalt war. Denn anders als im reichen Bayern war in Berlin noch nicht im gesamten Bundesland die Fußbodenheizung verlegt worden. Er tapste in seinem Schlafanzug das Treppenhaus hinunter und hielt sich dabei am Geländer fest. Unten trat er in das gelbe Licht der Straßenlaternen.
Er schaute auf. In Baden-Württemberg standen bestimmt längst LED-Lampen, aber nicht in Berlin-Kreuzberg. Hier durfte man froh sein, dass es keinen Nachtwächter gab, der umherging, um die Kerzen in den Straßenlampen zu entzünden und dabei laut rief: „ALLES IST IN ORDNUNG“, während im Schatten der gelöschten Lampen geraubt, geplündert und entsprechende Wahlplakate aufgehängt wurden.
Unter einer der Laternen stand eine aufreizende Dame. Rote Lackstiefel, rote Lederjacke. Viel Make-up, wenig Niveau. Ihre Jacke trug die Nummer #4672.
„Guten Abend Trixie“, sagte Klax im Vorbeigehen. Er winkte ihr aus seinem mit kleinen Monden bedruckten Schlafanzug zu.
„Meine Jüte“, stammelte die Prostituierte und hustete, „wat en kleener Bub wie du hier draußen tut zu diese Uhrzeit, des is mich ja en Rätsel.“
Klax stolperte auf Trixie zu.
„Was haste denn da in dein Rucksack?“
„Das Raumschiff der Borg.“
„Aso“, sagte Trixie und aschte ab. „Des geht da rein wie? Is aber sehr kompakt.“
„Mama hat gesagt, ich soll dir das hier geben“, sagte er und zog einen Fünfzigeuroschein aus seiner Hosentasche.
„Och Jung, is das lieb“, sagte sie und steckte sich den Fuffie in ihren Slip, wo zwei kleine Hände danach griffen, um ihn erst auf Echtheit zu überprüfen und dann sicher zu verstauen. Einen Fünfhunderter hätte ihr Höschen sofort wieder ausgespuckt. „Wenn du ma wüsstest, wat du da tust, wenn de mir Jeld bringst, kleiner Klax.“
„Mama sagt, Bringschulden sind Ehrenschulden.“
„Det is richtig, Jung, hörste auf deine Mama. Da soll der en oder andre schon von jescheit geworden sein, nich?“
Ein Auto hielt neben Trixie.
„Scheer dich, Klax, uff zu dene Hannah. Die berechnet dir hoffentlich noch nix.“
„Ne, ich bin doch so süß, da muss ich nirgends was zahlen“, sagte er und stiefelte davon. Kurz vor Hannahs Haustür traf er auf einen Mann, der ziemlich verschwitzt war. Merkwürdig, denn überall lag Schnee und er fror, dass er schon langsam anfing zu zittern.
„Hey Kleiner“, sagte der Mann lüstern.
„Meine Eltern sagen, ich darf nicht mit Fremden reden“, erklärte Klax und wollte an ihm vorbei, um auf Hannahs Klingel zu drücken.
„Mein Name ist Svenson Jokel. Ich bin dreifach geschieden, liebe Schokolade mit Nuss, fand den letzten Star-Wars-Film scheiße. Ich wohne im Filibuster Weg zwei hier in Berlin und bin auf der Suche nach …“
„Ist ja ein toller Trick“, sagte Klax und schmatzte mit den Lippen.
„Jetzt, da wir uns kennen“, wollte Svenson seine Masche fortsetzen.
„Fahren wir zu dir, wo du mich mal so richtig von hinten zum Eis essen einlädst, was?“, Klax’ Stimme hatte sich verändert. Er klang nicht mehr wie ein kleiner Junge, sondern älter, reifer. Der Blick, den er dem Kerl zuwarf, war reserviert für Amateure, die mit einem Profi sprachen.
Svenson schaute verdutzt drein.
„Wie lautet das Passwort?“, fragte Klax wieder in kindlicher Stimme.
„Öh … Keine Ahnung?“, sagte Svenson.
Klax klatschte sich mit der Hand ins Gesicht und schüttelte den Kopf. „Eine Welt voller Idioten“, murmelte er leise.
„Sag mal, hättest du Lust …“
Klax fiel ihm wieder ins Wort. Er nahm seinen Rucksack vom Rücken. „Helfen Sie mir mal kurz?“, fragte er und drückte dem nächtlichen Triebtäter den Rucksack in die Hand. Dann zog er das Raumschiff der Borg daraus hervor, holte aus und machte aus Svensons Familienjuwelen Rührei.
Der Mann griff sich in den Schritt und fiel Kopf voraus fiepend hinten über. Dick und Doof hätten Applaus geklatscht, wären sie Zeuge gewesen.
Klax nahm Svenson seinen Rucksack aus den Händen. „Einen schönen Abend noch.“
„Danke“, hechelte der mit dem letzten bisschen Luft in seiner Lunge.
Er setzte den Rucksack leer auf und stellte das Borgraumschiff vor sich ab. Dann klingelte er bei Hannah.
Ihre liebliche Stimme ertönte blechern aus dem Lautsprecher neben dem Klingelschild.
„Ja?“
„Guten Abend Hannah.“
Sie lachte. „Guten Abend Klax. Was kann ich für dich tun?“
„War in der Gegend und ich hab da was, das ich dir unbedingt mal zeigen muss.“ Das Wort unbedingt zog er unnötig in die Länge.
„Was ist es denn?“
„Ein Raumschiff.“
„Na dann komm mal hoch, kleiner Raumfahrer.“
Die Tür surrte und mit dem Borgraumschiff in beiden Händen arbeitete sich Klax die Treppen hoch. Klopapier sei dank waren es nicht so viele. Hannah und ihre Eltern wohnten in der zweiten Etage. Einem merkwürdigen Gesetz nach schienen ansonsten alle, die man besuchen wollte, immer im obersten Stockwerk zu wohnen, nur damit man möglichst viele Treppen zu laufen hatte und es sich zweimal überlegte, ob man überraschend zu Besuch kam.
Und da stand sie in der Tür. Hannah. Enge Jeans und weiße Sneakersocken. Als Oberteil einen warmen Pullover, den ihr vielleicht ihre Oma gestrickt hatte. Sie lächelte und zeigte dabei ihre Zahnspange.
„Guten Abend“, sagte Klax noch mal und kam zum Stehen.
Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Der ein oder andere Fruchtzwerg war in letzter Zeit definitiv zu viel gewesen. „Schau mal, was ich hab“, sagte er und hob das Raumschiff an.
„Wow, was ist das denn?“
„Es ist das Raumschiff der Borg.“
„Aus Star Trek?“
„Genau. Kennst du die Serie?“
„Klar. Wir haben auch Netflix.“
„Wollen wir vielleicht eine Folge zusammen anschauen? Es ist zwar schon längst über meine Bettzeit hinaus, aber ich bin aufgewacht und konnte nicht mehr schlafen. Star Trek hilft mir immer beim Einschlafen.“
„Tut mir leid, Klax, aber es ist schon recht spät. Bist du etwa alleine hier rübergekommen?“
„Ja, meine Eltern macht das nix aus. Mama ist zu betrunken und Papa googelt gerade, wieso Fingernägel nur in eine Richtung wachsen oder irgend so einen Piepes.“
„Piepes“, wiederholte Hannah und kicherte. „Selbst wenn es deinen Eltern egal wäre, Klaxi, meine sind gerade nicht zu Hause.“
Klax ließ das Raumschiff fallen und lehnte sich mit einer Hand cool gegen den Türrahmen. „Umso besser“, sagte er und wackelte mit den Augenbrauen, „dann schauen wir gleich zwei Folgen. Wenn die Mäuse aus dem Haus sind, tanzen die … äh … wie ging das noch mal?“, er versuchte, sich an das Sprichwort zu erinnern.
„Leider ist mein Freund heute da.“
„HANNAH, VERDAMMT, WAS MACHST DU DA SO LANGE“, schrie einer aus der Wohnung.
„Du solltest besser gehen“, sagte Hannah.
Doch schon war es zu spät.
Ein Teenager in einer Badehose, der das Oberteil einer Postbotenuniform trug und dazu noch die stinkenden Handschuhe eines Müllmanns kam hinter Hannah zum Vorschein. Seine Haare waren lang, wild und ungewaschen.
„Na, wen haben wir denn da?“, fragte der Kerl.
„Das ist Mike“, stellte Hannah ihren Freund vor.
„Der Gartenzwerg kommt wie gerufen“, sagte Mike und griff nach Klax.
„Wie lautet das Passwoooooo…“
Weiter kam er nicht. Mike hatte ihn in die Wohnung gerissen. Denn, was Klax nicht wusste, war, dass seine angehende Freundin einen bösen Fetisch für ungezogene Jungs hatte, und Mike war einer von der besonders schlimmen Sorte.
Und Klax war nur ein weiterer Name in einem noch nicht geschriebenen Wikipedia-Artikel über die Opfer des PostbotenBademeisterMüllmannMeuchelMörders vom Wannsee.
Hannah rollte mit den Augen und knallte die Tür zu.
Armer kleiner Klax.
Er würde weder Trixie noch seine Mutter je wiedersehen.