Читать книгу Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie - Bastian Litsek - Страница 16

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8.


Verfolgungsjagd ohne Verfolger


Nachdem sein Exschwager die Wohnung verlassen hatte, erreichte Phill der Anruf, dass alles noch heute Abend stattfinden würde.

Horst hatte tatsächlich einen Weg gefunden, ihn in die Psychiatrie zu schleusen. Er hatte die Anweisung erhalten, in einer Stunde vor seinem Haus zu stehen. Nur er, kein Gepäck. Man würde ihn vor Ort eh neu einkleiden und entlausen. Entsprechende Stellen könnten potenziell aus Sicherheitsgründen auch enthaart und gebleicht werden.

Da war er also, Phill, und stand vor seiner Haustür. Er hatte ein Taxi erwartet oder gar Horst, der in seinem rostigen alten VW Jetta vorfuhr. Nichts dergleichen.

Ein Polizeiwagen donnerte mit gut hundert Sachen aus der Fünfzigerzone neben seinem Haus, rutschte um die Kurve, zwang den Gegenverkehr zum Abbremsen und wendete mit quietschenden Reifen. Die Mercedes E-Klasse kam vor ihm zum Stehen.

Die Tür wurde aufgeworfen.

Er erkannte Horst auf der Rückbank.

„Steig ein, wenn du bescheuert genug bist, dich hierauf einzulassen“, rief er.

Phill stieg samt Winchester zu Horst auf die Rückbank. Er trug noch immer das verquere Outfit aus dem letzten Kapitel.

„Los geht’s“, sagte Horst und klopfte dem Fahrer auf die Schulter. Der trat das Gaspedal durch und donnerte davon. Das Blaulicht wurde zwischen den Häuserwänden umhergeworfen.

Horst hielt sich fest.

Phill tat es ihm gleich. Sie schossen mit 150 Sachen durch Berlin-Kreuzberg, immer am Abbremsen und Gas geben. Neben dem Fahrer saß seine Kollegin mit einer Google-Maps-Karte, immer mal wieder sagte sie Dinge wie: „115 Meter scharf rechts. Dreihundert Meter dann links.“

Der Fahrer knallte die Bremse rein, kurbelte das Lenkrad herum und trat das Gaspedal wieder durch. Man hätte meinen können, sie wären im Auftrag von Leben und Tod unterwegs.

„Wir wissen, dass Dr. Bieder demnächst Mariam Karkuffian operieren muss“, fing Horst an und wurde von links nach rechts geworfen, das Einzige, was ihn davon abhielt, wie wild durch die Gegend zu fliegen, war der Haltegriff über dem Fenster.

„Sind wir deswegen so schnell unterwegs?“, fragte Phill.

Der Fahrer bremste von 120 auf fünfzig ab.

Ein nicht angeschnallter Polizeiteddybär flog vom Rücksitz gegen die Windschutzscheibe. Die Beifahrerin öffnete das Fenster und warf den Bär auf die Straße.

Der Fahrer lenkte ein und erteilte dem Verbrennungsmotor sofort wieder den Befehl, auf hundert zu beschleunigen. Phill und Horst wurden in die Sitze gepresst.

„Nein“, sagte Horst, „die Geschwindigkeit dieser Fahrt dient lediglich der Dramaturgie der Situation. Theoretisch hätten wir auch mit der Stadtbahn zur Anstalt fahren können. Das hier macht aber mehr her.“

„VORSICHT“, schrie die Beifahrerin und zeigte auf ein Kind vor ihnen.

Der Polizist bremste. Trat sogar mit einem zweiten Fuß die Bremse nach. Mit quietschenden Reifen kam der Wagen zum Stehen. Der Rotzbengel zeigte ihnen den Mittelfinger und nuckelte weiter an seinem Tetra Pak Kakao.

„Puh“, machte Phill. „Das war knapp“, sagte er und beobachtete den Jungen, der um die zwölf sein musste.

Ein schwarzer Van kam ebenso rasant wie ihr Fahrzeug angeschossen, hielt neben dem Jungen, öffnete die Schiebetür. Ein Mann mit Skimaske packte den Jungen, zog ihn ins Innere und setzte an seiner statt einen verwirrt dreinblickenden Hund auf die Straße. Mit durchdrehenden Reifen raste der schwarze Van davon.

„Es hat mich schon immer gewundert, wieso man in Berlin mehr Straßenhunde als Kinder sieht“, sagte Phill. „So was.“

„Dafür haben wir jetzt keine Zeit“, sagte Horst und klopfte dem Kutscher wieder auf die Schulter.

Der Motor röhrte. Die Tachonadel zuckte wie unter Stromstößen. Der Mercedes preschte weiter, als würde hinter ihm Roland Emmerich die Zerstörung der zivilisierten Welt per CGI einläuten.

„Pass auf, Phill. Du bist ein ehemaliger Soldat, solltest den Stress, der auf dich zukommt, daher gewöhnt sein. Wir hatten ursprünglich vor, dich unter der Identität eines Toten einzuschleusen, doch das wäre etwas riskant. Zu viele Stellen, an denen etwas hätte durchsickern können, und da du Torfkopf eh schon mit Dr. Bieder telefoniert hast, gehst du als du selbst.“

Phill nickte.

„Du wirst drinnen eine Kontaktperson haben.“

„Ihr habt noch mehr Leute in der Anstalt?“

„Na ja, nicht wirklich. Wir haben mal das Münztelefon dort angerufen und dem Erstbesten, der ran ging, einen Vorschlag gemacht.“

„Es gibt dort noch ein Münztelefon?“

„Erzähl ich gerade oder du?“, fuhr ihn Horst energisch an, während sie von links nach rechts geschüttelt wurden.

„Tschuldige“, sagte Klax’ Vater kleinlaut.

„Ihr Name ist Freda und sie ist unberechenbar. Eine Konifere Koryphäe auf dem Gebiet der Verrückten.“

„Und die soll wofür gut sein?“

„Sie ist deine Kontaktperson.“

„Zu dir?“

„Nein, dafür haben wir in einem Buch in der Bibliothek, in Enid Blytons Unter dem Roten Dach, ein Smartphone versteckt. Mit Powerbank, eine große, also mach dir keine Gedanken, wenn du damit das Internet besuchst, wenn dir langweilig wird.“

„Sehr gut. Aber wozu brauche ich dann Freda?“

„Du wirst es erkennen, wenn es so weit ist.“

„Aha“, machte Phill skeptisch.

„Denk dran, dich da rauszuholen, ist recht einfach. Dich wieder reinzubringen, weil du zu früh Hilfe geschrien hast, nicht. Das ist eine Psychiatrie, kein Bahnhof. Du kannst nicht kommen und gehen, wie es dir beliebt, also äh in diesem Beispiel bist du der Fahrgast, verstanden? Die Züge kommen und gehen wirklich, wie sie wollen.“

„Verstanden.“

Der Mercedes wurde langsamer.

„Sind wir da?“, fragte Phill. Er konnte durch die verdunkelten Scheiben kaum etwas sehen.

„Nein, wir gehen etwas essen.“

Ein gelbes „M“ leuchtet plötzlich durch die schwarze Scheibe.

„Wie?“, fragte Phill, „McDonalds?“

„Was hat denn sonst abends um die Uhrzeit noch offen? Es geht schon auf Mitternacht zu. Du wirst froh drum sein. Dein größtes Problem da drin wird nicht die mentale und körperliche Folter, die schlechten hygienischen Umstände, die anderen Patienten oder der Dauer besoffene Chirurg, welcher die Anstalt leitet, sondern das furchtbare Kantinenessen. Glaub mir, nach einer Woche wird dein Verstand Land unter anmelden. Ich weiß nichts Genaueres, oder ich habs wieder vergessen, Quintessenz ist, das Essen da drin könnte unter Umständen nicht sooo toll sein.“

„Da hätte ich wirklich andere Sorgen.“

Tüten wurden ins Auto gereicht. Niemand hatte Phill gefragt, was er wollte. Die Polizistin vor ihm reichte ihm wortlos ein Happymeal. Er öffnete es und fing an zu essen. Horst biss in einen Royal mit Käse.

„Ich habe etwas aus meinem persönlichen Drogenkoffer dabei“, sagte Horst, „damit du schön zugedröhnt wirkst, wenn du bei der Anstalt ankommst.“

Phill winkte mit einer Hand ab und schleuderte dabei ein paar Pommes in den Fußraum.

„Oh“, machte er.

„Egal“, brummelte der Fahrer mit einem Cheeseburger in der Gosche. Die abenteuerliche Fahrt ging schon weiter. Sie schossen dahin wie eine Rakete, die versuchte, die Schallmauer zu durchbrechen.

„Die Tabletten werde ich nicht brauchen“, sagte Phill. „Da habe ich eine bessere Idee“, er lehnte sich vor zum Fahrer.

„Bringen Sie mich zum nächstbesten Gestüt. Diese Situation erfordert vier Hufe und einen Sattel!“

Der Polizist nickte, wendete mit einer Vollbremsung mitten auf der Straße und heizte den Wagen unter Verlust von Reifengummi in die andere Richtung.

Am Ende ihrer halsbrecherischen Fahrt war der Tank leer, die Reifen abgefahren und die Bremsen glühten wie Eisen im Feuer.

Doch Phill bekam, was er wollte.

Einen Gaul.

Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie

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