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7.

Dr. Volker Bieder


Dr. Bieder saß am Schreibtisch und überlegte, wo er sich heute Abend volllaufen lassen würde. Als Alkoholiker war man immer am Planen. Und wie beim Einkaufen für ein Festtagsessen fehlte immer das eine oder andere. Er überlegte noch kurz, auf der Heimfahrt beim Feinkostladen zu halten, um eine Flasche Wild Turkey für einen Fear und Lothing in Las-Vegas-Themenabend mitgehen zu lassen. Durch den Diebstahl schmeckte der Schnaps nur noch süßer. Äther hatte er schon zur Genüge in der Anstalt geklaut. Mescalin war auch da und Adrenalin ließ er sich eigens vom Schweinebauer liefern. Er wollte gerade den Rest seines Biers leer trinken (von Wasser hielt er nicht viel, er schwamm gerne darin, es zu trinken wäre ihm im Leben nicht in den Sinn gekommen), als das Telefon läutete.

„Isch hab“, setzte er an und räusperte sich, „ich habe gesagt heute keine Anrufe mehr.“

„Aber es ist Ihr Bruder“, sagte die Sekretärin vor seinem Büro. Er hatte sie erst vor Kurzem eingestellt und genoss es, sie Briefe von Hand an einer Schreibmaschine vervielfältigen zu lassen. Auch ihr Outfit hatte er selbst entworfen und vorgeschrieben. Die Vorschrift lautete: Ein Rock, der mindestens bis über die Knie ging, Strumpfhose, biedere schwarze Schuhe und dazu eine bis oben hin zugeknöpfte hässliche Blümchenbluse. Die Haare waren im Dutt zu tragen, wozu sich die Frau Anfang zwanzig extra Verlängerungen hatte einflechten lassen müssen.

Er hatte schon immer ein Faible für Frauen gehabt, die wussten, wie man versteckte, wonach es sich zu frohlocken lohnte.

„Ich wusste gar nicht, dass ich einen Bruder habe?“, fragte er.

„Jetzt ruft es Sie auf jeden Fall an.“

„Na geben Sie mal her, Peggy.“

Es knackte in der Leitung.

„Wer spricht da?“, forderte Dr. Bieder.

„Hier ist Phill Jerkoff“, sagte die Stimme.

Ach du Kacke, dachte er sich. Der Vater eines der Kinder, die meine Patientin Mariam Karkuffian ermordet hat.

„Willkommen bei Dr. Bieder, Psycho- und Anal-yse“, gluckste er lachend. „Ihre Bestellung bitte.“

„Ich muss Sie etwas fragen.“

Dr. Bieder fiel auf, dass die Stimme des Mannes merkwürdig blechern klang.

„Haben Sie Ihr Telefon auf Lautsprecher gestellt?“

„Ja. Ich wollte dieses Gespräch aufzeichnen, falls Sie etwas Belastendes von sich geben, und hab es zuerst mit einer App probiert. Hat nicht funktioniert. Habs mit einem Anruf bei der Auskunft getestet. Na ja, also viele Versuche später läuft jetzt der alte Kassettenrekorder meines Sohnes mit. Darum der Lautsprecher.“

„Ich verstehe. Wir alle erreichen unsere Ziele auf unterschiedlichstem Wege. Aber sagen Sie, Herr Jerkoff, haben Sie auch eine Kassette eingelegt?“

„Ja und das war gar nicht so einfach. Wo gibt’s heute schon noch so was? Mir ist da die alte Tanke eingefallen, am Stadtrand. Musste ’ne Stunde hin und zurück fahren, der hat noch Kassetten zum Aufzeichnen verkauft. So ein Murks sag ich Ihnen.“

„Warum haben Sie kein zweites Smartphone als Diktiergerät verwendet? Dann wäre alles gleich digital aufgezeichnet.“

Stille am anderen Ende der Leitung.

„Das sagen Sie mir jetzt …“

„Sicher. Einfach kurz den Nachbar gefragt oder einen Freund oder Verwandten, der vor Kurzem erst bei Ihnen war.“

„Das war wirklich hilfreich.“

„Natürlich, ich bin Arzt. Die Leute kommen mit ihren Problemen zu mir. Das ist mein Beruf. Also, was kann ich für Sie tun?“

„Der Fernseher hat gesagt, dass Mariam Karkuffian mit einer Pinkelpfanne gehauen wurde.“

„Korrekt. Wir werden sie deswegen gleich operieren.“

„War die Verletzung schlimm?“

„Es ist eine Kopfverletzung, Herr Jerkoff, und ich fürchte, dabei sind die Batterien des Geräts äh … ich meine, ist es zu einem internen Schaden gekommen, den wir uns genauer ansehen müssen. Sind ja aus Edelstahl diese Bettpfannen. Da rummst es schon ordentlich im Oberstübchen.“

„Und deswegen wird gleich operiert, ja?“

„Natürlich. Ich bin Chirurg. Wenn Sie nur was gegen die Kopfschmerzen hätte haben wollen, wäre sie mal besser in eine Apotheke eingewiesen worden anstatt in meine Anstalt. Ist heute Abend endlich angeliefert worden die gute Frau. Sehr interessantes Objekt.“

„Na, dann strengen Sie sich mal an.“

„Ach, das ist nur eine kleine Knopfzelle, die gewechselt werden muss. Keine Sorge. Aber woher überhaupt die Sorge?“

„Sie muss unbedingt überleben.“

„Hätte nicht gedacht, dass wir da einer Meinung sind.“

Das Freizeichen ertönte.

Phill Jerkoff hatte aufgelegt.

„Komisch“, sagte Dr. Bieder und legte auch auf. „Wie unhöflich.“

Er nahm seine Porsche-Schlüssel aus der Schublade, gönnte sich noch eine halbe Flasche Whiskey, und enthielt sich beim Rausgehen jeglichen Blick auf seine Sekretärin.

Sein Mentor hatte einst gesagt: „Bier und Wein sind für Piloten. Schnaps ist das Öl für das Getriebe eines Mediziners.“

Und diesem Rat wollte Dr. Bieder auch treu bleiben.

Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie

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