Читать книгу Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie - Bastian Litsek - Страница 14

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6.


„Ach komm, Horst“, sagte Phill und gestikulierte seinem Exschwager, es bleiben zu lassen. „Lass ma gut sein“, wehrte Phill ab. „Ich beleidige dich nur ungern, aber deine Inkompetenz scheint geradezu grenzenlos zu sein. Dein Karrierelebenslauf sieht noch schlimmer aus als meiner. Schau dich doch an in deinem Trenchcoat und Hut mit Krempe. Wie oft musst du Columbo gucken, damit du am nächsten Tag weißt, was du zu tun hast?“

„Ich verbitte mir diese Anschuldigungen“, fuhr ihn Horst Seenot streng an. „Ich will dir helfen. Und außerdem musste ich mir die Columbo-DVDs kaufen, seitdem ZDF Info die Folgen nicht mehr wiederholt.“

„Hast du keinen Blu-Ray-Player?“

„Einen was?“

„Egal“, sagte Phil.

Es war bereits Nachmittag und Phill steckte noch immer in seinem besten Anzug. Das Einzige, was noch sauber war. In der Ecke lag ein riesiger Haufen an ungewaschener Wäsche. Er war inzwischen zwar arbeitslos und etwas verbittert, wie ein Schwein stinkend im eigenen Saft sitzen wollte er dennoch nicht. Das hielt er für ein Klischee. Trotzdem versuchte er, nicht allzu fröhlich zu wirken, was, wie er wusste, gesellschaftlich nicht gebilligt wurde. Denn wenn man ein Kind verlor und auf die Nachfrage nach dem werten Befinden mit „besser als je zuvor“ reagierte, hielten einen die Leute schnell für verrückt. Und wer wusste, wo Phill dann landete. Er hatte keine Lust, dass ein Fremder mit der Macht, seinen Geisteszustand zu beurteilen, ihn für immer irgendwo einsperren konnte. Deshalb hatte er sich eine Krücke geschaffen. Ein DIN-A0-Poster. Groß drüber die Aufschrift „Das ist Klax“. Ein Pfeil zeigte auf ein Bild darunter. Die Bildunterschrift lautete: „Vermisst seit UNBEKANNT.“ Phill war schon immer schlecht mit Details wie Tagen und Uhrzeiten. Darunter stand noch: „Du liebst ihn und vermisst ihn.“

Manchmal stand er vor dem Poster und las den Text nach, um sich zu erinnern. Dann konnte er auch wahrheitsgetreu zu allen sagen, die fragten: „Ich schaue mir jeden Tag sein Bild an. Ich liebe und vermisse ihn.“

Und da soll mal noch jemand behaupten, er wäre ein Trottel.

„Wenn du nicht willst, dass ich dir bei der Suche helfe“, sagte Horst Seenot, „dann halt nicht.“ Trotzig verschränkte er die Arme und schaute in eine andere Richtung.

„Alte Schmollbacke“, sagte Phill und pikte ihn in die Rippen. „Was ich aber wirklich dringend brauche, ist die Leiche des Kleinen.“

„Du willst ihn begraben, trauern. Ich verstehe schon, die fünf Phasen durchlaufen.“

„Quatsch. Für die Versicherung. Ohne Todesurkunde keine Prämie und die wird erst ausgestellt, wenn seine Leiche gefunden wurde.“

„Wie bitte?“, fragte Horst entsetzt.

„Olga und ich haben eine Lebensversicherung für Kinder abgeschlossen. Ist der neuste Schrei. Kostet nur 100 € im Jahr und wenn jemand dein Kind ermordet oder psychisch derart vergacklemmert, dass es nur noch sabbernd in der Ecke hockt und mit den Bauklötzen das Wort ‚töten‘ bildet, gibt’s Geld.“

„Ich verstehe, für die Beerdigung und Therapie. Vielleicht um das Kinderzimmer für ein Adoptivkind neu einzurichten. Eine makabere Idee, aber ein hilfreicher Schritt auf dem Weg zurück ins Normale.“

„Auch alles Quatsch. Will mir von dem Geld eine Korvette kaufen. Wollte schon in meinen Jugendjahren so ein Ding, aber dann wurde deine Schwester schwanger und meine Träume sind bei der Geburt mit der Soße, die daneben dem Baby aus ihr rausgeschwappt ist, weggespült worden.“

„Du willst dir ein Kriegsschiff kaufen?“

„Warum sollte nur ein Staat mit einem eigenen Militär so etwas besitzen? Ich habe schon immer eins haben wollen, seitdem ich Waterworld gesehen habe.“

„Es ist mir ein Rätsel, wieso meine Schwester dich verlassen hat“, sagte Horst in sarkastischem Ton.

„Mir nicht. Sie wollte schon seit einer Weile zurück nach Russland und versuchen, die UDSSR wieder aufzubauen. Ich will gar nicht wissen, wie oft sie Lenins Biografie gelesen hat. Am Ende landet sie bestimmt in irgendeinem Arbeitslager. Wenigstens ist sie dann unter Gleichgesinnten.“

„Hast du eigentlich die Zeitungen mal durchgeblättert?“

„Schon. Hab aber irgendwann aufgehört. Mir ist schleierhaft, wer diesen Papiermüll kauft, nur um den Cartoon zu lesen. Ich hol mir immer alte Comics aus den eBay Kleinanzeigen.“

„Dann kennst du gar nicht die Geschichte von Herbig, dem Mörder, den die potenzielle Mörderin deines Sohnes getötet hat.“

„Ne? Und was heißt hier potenziell. Die hat Klax auf dem Gewissen, ist doch logisch. Die Puzzleteile passen ineinander wie bei äh …einem Puzzle.“

„Scheinbar war Mariam besessen vom Töten. Sie hat Flugblätter nach Eheberatungen verteilt. ‚Wie man ihn kalt macht und damit wegkommt‘. Sogar einen eigenen YouTube-Kanal hat sie gehabt, in dem sie verschiedene Methoden des Tötens und der Leichenbeseitigung vorgestellt und an einer Beispielperson demonstriert hat.“

Phill nahm sein Smartphone zur Hand und suchte unter den Kanälen, dem das LKA Berlin folgte, den YouTube Channel von Mariam Karkuffian. Im ersten Video stach sie einen Fahrkartenkontrolleur mit einem Messer nieder, zerteilte ihn mit einer elektrischen Säge in der Badewanne und wies darauf hin, dass man beim Morden auch auf das Budget achten müsse. So ein Mehrfachmord könne ins Geld gehen. Immerhin müssten Messer scharf sein und die Leiche müsse man effektiv verschwinden lassen. Natürlich sei auch die Inflationsrate zu beachten, wenn man um die Jahreswende herum morde, dann sei da der Strom und die Kosten für große Gefrierschränke im Sommer. Phill hätte sich nie träumen lassen, dass es derart aufwendig war, jemanden umzubringen.

„Nett“, sagte Phill und klickte auf die Videoempfehlung, welche ihm nach der Anleitung zu Mord vorgeschlagen wurde. Eine Lesung von Sebastian Fitzek.1

„Das ist doch total verrückt, oder?“, fragte Horst Seenot.

„Aber ich kann dir noch was viel Verrückteres zeigen“, sagte Phill. „Warte hier.“

Phill verließ den Raum. Nebenan zog er sich nackt aus und schlüpfte in einen Slip mit Spitze, Stiefel, eine Jeans und setzte sich einen ausgestopften BH auf. Drüber kamen eine Jeansbluse und auf seine Nase eine Brille mit großen runden Gläsern. Fehlte nur noch die Perücke mit schulterlangen grauen, geriffelten Haaren. Mit einer Winchester dazu trat er ins Wohnzimmer. In voller Travestie.

„Was um alles in der Welt“, sagte Horst und sprang vom Sofa auf.

„Ich bin Jamie Lee Curtis aus dem neuen Halloween-Film von 2018.“

„Und warum?“, fragte Horst entgeistert.

„Klax und ich wollten ins Kino. Weil ich aber nicht zum dritten Mal Incredibles 2 anschauen wollte, haben wir uns Halloween reingezogen.“

„Verdammt, Phill, was denkst du dir bei so was? Der Kleine hat nächtelang nicht schlafen können.“

„Korrekt. Die Michael-Meyers-Puppe mit Maske, die ich in seinen beleuchteten Kleiderschrank gestellt habe, tat ihr Übriges. Bis ich mich verkleidet habe und durch die Tür den bösen Boogeyman erschossen habe.“

„Irgendwie glaube ich“, sagte Horst und betatschte seinen

Kropf am Hals, „dass die Liebe zum Kommunismus nicht

der einzige Grund ist, warum dich meine Schwester verlas-sen hat. Ich muss dir noch was zeigen.“

„Was für ein eindrucksvoller Tag“, sagte Phill und stützte sich auf die Winchester.

„Die ist doch nicht geladen?“, fragte Horst.

„Keine Ahnung, hab ich am Hauptbahnhof bei einem Kerl gekauft, der Waffen aus dem Kofferraum vercheckt hat.“

„Auf jeden Fall“, sagte Horst und griff in seinen Trenchcoat, „hat man das hier letztens in Mariams Zahnputzbecher im Gefängnis gefunden.“ Er hob die Figur eines Borgs hoch.

„Verdammte Scheiße“, schrie Phill, ließ die Winchester fallen und ging auf die Figur los. Ein Schuss löste sich und Glas splitterte.

„Die verdammten Sammelfiguren waren im Borgschiff. Natürlich“, sagte er und drehte die Figur in seiner Hand umher. „Es hat ihr nicht gereicht, meinen geliebten Faxe zu töten.“

„Klax“, korrigierte ihn Horst mit kalter Stimme, „Faxe ist ein Bier. Dein Sohn heißt Klax.“

„Hat dieses Scheusal von einem Mensch auch noch die Figuren mitgehen lassen. Damit war das Raumschiff so gut wie nichts mehr wert. Schlappe 200 Euro, aber auch erst, nachdem ich es ‚Mörder Raumschiff‘ genannt habe. Vielleicht kann ich den Deal noch geradebiegen. Wo sind die anderen drei Figuren?“

„Man hat nur die eine gefunden.“

„In ihrem Zahnputzbecher?“

„Richtig.“

„Dann schaut in ihren Nachttisch und in ihr Klo. Klemmt ihr die Pobacken auseinander und lasst Dr. Bieder seinem Hobby nachgehen. Mir egal, findet die Dinger.“

„Ich glaube nicht, dass das irgendwen außer dir interessiert“, sagte Horst, „verstehst du denn nicht, was das bedeutet?“, bangte er, gehört zu werden, „Mariam ist tatsächlich der Mörder deines Sohnes. Na ja, oder es war Herbig, den sie wiederum getötet hat. Auf jeden Fall hat sie danach die Leichen verschwinden lassen, in ihrer Gründlichkeit.“

„Dass sie ihn umgebracht hat oder der andere Kerl, ist doch schon ein alter Hut“, sagte Phill, winkte ab und lud die Winchester durch. Eine Patrone flog ins Zimmer. „So was. Deswegen hat der Kerl also gesagt, die Munition gibt’s pour rien.“

„Das ist Französisch für umsonst.“

„Und so was am Berliner Hauptbahnhof.“ Phill kratzte sich mit dem Lauf der Winchester an der Nase. „Horst?“

„Ja?“

„Was würdest du mit dem Mörder deines Kindes machen?“

„Zu Tode foltern“, sagte der wie aus der Winchester geschossen.

„Nett. Aber ich glaube, ich würde Mariam lieber dazu bringen, mir die anderen Sammelfiguren zu geben und mir zu verraten, wo Brax’ Leiche liegt.“

Horst kniff die Augen zusammen und senkte den Kopf, genervt seufzend.

„Ups. Das war schon wieder der falsche Name, oder?“, sagte Phill. „Bitte entschuldige, ich hab das Poster mit seinem Bild heute noch nicht so oft gesehen. Ich wills immer vors Klo hängen oder besser noch hinter die Tür vom Klo, aber du weißt ja, gute Vorsätze sind keine handfesten Taten. Wenn ich die Leiche habe, kann ich mir die Korvette kaufen, und wenn der Sammler, dem ich das Raumschiff vertickt habe, die Figuren noch will, gleich noch das schöne Kriegsschiff volltanken.“

„Laut dem größtenteils sinnentleerten Geschwafel in der Klinik“, setzte Horst Seenot an.

„Klinik?“, fragte Phill.

„Der gegenwärtige Aufenthaltsort der Mörderin deines Sohnes.“

Phill hob einen Finger. „Potenziellen Mörderin.“

„Sie soll weiterhin Videos aufnehmen, die noch nicht veröffentlicht worden sind. Mit dem Smartphone, das sie einem Wärter abgenommen hat und unter ihrer linken Brust versteckt.“

„Bäh“, machte Phill und streckte die Zunge raus, „weniger Details bitte. Wenn du mir jetzt sagst, wo sie das Ladekabel versteckt, schmeiß ich dich raus.“

„In einem der Videos soll ein Kind in einem Schlafanzug mit Monden darauf im Hintergrund auftauchen. Hat Klax nicht so einen getragen, als er verschwunden ist?“

„Ah, und du bist hier, um mir das alles zu sagen? Wirkt eher wie ein Vorwand, um mich zu motivieren. Warum greift ihr der Guten nicht unter die linke Titte und schaut euch das Video an?“

„Mach du doch!“

„Ich?“

„Ja du.“

„Na gut“, sagte Phill in vollem Jamie-Lee-Curtis-Kostüm. „Mal sehen, ob sie mich in die Anstalt lassen, in die Mariam bald verlegt wird.“

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Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie

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