Читать книгу Vom Rauschen und Rumoren der Welt - Belinda Cannone - Страница 5

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Heiseres Stöhnen erreicht sie vom Wäldchen, von der anderen Seite des Hauses oder des weiter entfernt liegenden Nachbarhauses. Ihr Ohr kann die Entfernungen nicht gut abschätzen. Verschreckt wirft sie sich in ein Gebüsch, bleibt mit dem Kleid in den Dornen hängen, wo es reißt, und unter ihr wuseln ein paar Insekten davon, sie unterdrückt eine Regung des Abscheus: Da die Anwesenheit der Viecher unmöglich zu ignorieren ist, muss sie sich wohl an sie gewöhnen. Aus dem Stöhnen glaubt sie Angst herauszuhören. Und ein Klagen, voller Schmerz. Fühlt sich da jemand verlassen? Sie kann zu ihm (oder ihr) gehen, um ihn zu trösten, aber wenn sie das tut, begibt sie sich womöglich in dieselbe Situation wie er (oder sie), in die Situation, die das Stöhnen verursacht hat. In Schwierigkeiten. Sie ist klein. Links, unter einem Strauch, wilde Mäuseflucht. Schließlich nimmt sie an, dass die Klage von weiter weg kommt und vorerst keinerlei Bedrohung für sie darstellt. Also nachsehen. Das Kleid durch Hin- und Herzerren befreien (den Riss verschlimmern) und sich der Geräuschquelle auf Zehenspitzen nähern (ihre Schritte dröhnen wie Hammerschläge auf dem Erdboden: An der Leichtigkeit muss noch gearbeitet werden). Vor dieser Alternative stand sie schon früher: den Kopf zwischen die Arme ducken, um nichts zu sehen, oder doch besser auf die Dinge zugehen, sich selbst ein Bild machen. Das Stöhnen, das wieder eingesetzt hat, macht den Weg unheimlich, die Bäume sind größer, die Stämme verbergen Wesen, Ameisenhaufen brummen, Vogelrufe durchbohren die Trommelfelle, ein Zweig, der krachend unter dem Schuh bricht, lässt aufschrecken, Tiere flüchten Richtung Dickicht. Im Nachbarhaus hört sie, wie die Mutter zur Tochter sagt, sie solle ihr Zimmer aufräumen, und wie im Obergeschoss das Radio den Seewetterbericht verkündet. Nach etwa hundert Metern bricht der Klagelaut ab: Ohne Zweifel hat man mitbekommen, dass sie sich nähert.

Mehr denn je wünscht sie sich jetzt, leise zu sein, wie ein Indianer oder eine Katze gehen zu können, nur ein wenig die Luft zu zerknittern und sich wie auf Lederballen fortzubewegen (aber diese groben Schuhe), den anderen zu hören, ohne selbst gehört zu werden, den anderen, der jetzt unaufhörlich stöhnt, sicher vor Angst oder um zu rufen. Jeanne erfasst jede einzelne Modulation und wird von einem Schwindel gepackt, der sie mit einem Satz zu deren Quelle schleudert. Der Anblick der hingemetzelten Fuchswelpen ist so grauenvoll, dass sie sich übergibt.

Sie erinnert sich an die Worte der Bauern, Der Fuchs ist ein Schädling, an den Protest ihres Vaters, Das ist ein Hühnerstandpunkt!, an den weit zurückliegenden Tag, als sie die Bedeutung von Standpunkt gelernt hat, an die Art und Weise, wie der Vater ihr Wörter beibringt – sie mag noch so sehr versuchen, ihre Gedanken von dem Bild abzulenken, es ist einfach da. Noch einmal sieht sie hin und wieder muss sie sich ein bisschen übergeben.

Drei mit kleinen Fuchsschwänzen wedelnde Kinder tauchen lachend aus dem Dickicht auf und machen sich über sie lustig, sie flieht.

Der Lärm ihrer trampelnden Schritte hallt in ihrem Kopf wie in einem Bottich. Sie rennt mit gleichmäßigem Rhythmus, durchquert das Wäldchen, läuft auf den nächsten Weiler zu, von Zeit zu Zeit peitscht ein Zweig ihren Arm, sie spürt nichts, überspringt Büsche und Steine, ihre Waden durchschneiden die Luft. Sie weiß nicht, wie sie es stoppen kann, ihr irres Rennen geradewegs ins Nirgendwo.

Vom Rauschen und Rumoren der Welt

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