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 Der Berater

Endlich kam der Zwerg zu Urs – und zum ersten mal in seinem Leben hatte er das Gefühl, ernst genommen zu werden. – Obzwar selbst riesig von Gestalt sowie mit übermäßigen Geistesgaben ausgestattet, schien der König die Fähigkeiten des Zwerges nicht nur erkannt zu haben, sondern diese auch anzuerkennen.

Freilich wollte auch er unterhalten sein, doch beschränkte sich dies überwiegend auf Erzählungen lustiger und außergewöhnlicher Geschehnisse aus aller Welt.

Saß man mit des Königs engerem Gefolge an der Tafel, so

führte der Zwerg nichtsdestotrotz seine Kunststücke vor und versuchte, die Gäste durch Grimassen und allerlei Blödsinn bei guter Laune zu halten. – War er jedoch alleine mit dem König, wollten Beide ernsthafte Gespräche führen und Fragen der Politik erörtern.

Urs zeigte sich interessiert an Allem, was der belesene Zwerg ihm nahe zu bringen vermochte; sei es Mathematik oder die zauberhafte Kunst des Lesens und Schreibens – und mit der Zeit wurde Ulf vom bloßen Hofnarren zum Geheimen Berater des Königs.

Ulf bewohnte seine eigenen Gemächer und hatte gar einen Diener, welcher ihm aufzuwarten hatte.

Im Geheimen hatte der König Befehl erlassen, nach einer ebensolchen Zwergin Ausschau zu halten und eventuell herbeizuschaffen, auf dass Ulf eine Gefährtin bekäme...

Die Festlichkeiten In Ursens Schloss hatten ihr Ende gefunden; die Besucher waren abgereist – und der Alltag kehrte wieder ein.

Zwei Monate später kam Kunde zum König, dass eine Zwergin gefunden sei. – Diese zähle etwa fünfundzwanzig Sommer und sei trotz ihrer Kleinwüchsigkeit als überaus hübsch, ja geradezu reizvoll anzusehen. Sie befände sich im Hause eines Kaufmannes, der die Zwergin kürzlich erst von Fahrensleuten erstanden habe.

Jener Kaufmann sei um keinen Preis gewillt, sich von seinem Schatz, welchen er eifersüchtig hüte, zu trennen. Er habe verlauten lassen, dass selbst der König nicht die Mittel besäße, dieses Kleinod von ihm zu erstehen.

Urs lachte gutmütig ob dieser Frechheit des reichen Kaufmannes, ließ Erkundigungen über den von Jenem gezahlten Preis einziehen und legte dann die doppelte Summe jenes Preises in Gold in einen großen Sack. – Zuoberst in jenen Sack aber kam der große Hammer seines Schmiedes.

„Bestellt dem Kaufmann“, sprach Urs, „dass sich zuunterst in diesem Sack der Kaufpreis für die Zwergin befindet. – Das Obere aber sei mein Argument für den Unwilligen, sich dennoch von seinem Spielzeug zu trennen.“

Gemeinsam mit den Boten wurde auch der kräftige Schmied geschickt, welcher Auftrag hatte, im Falle einer neuerlichen Weigerung sein 'Argument ́ eindrücklich zu gebrauchen.

- Bald schon kehrten die Abgesandten zurück und erstatteten ihrem König lachend Bericht.

Der Kaufmann hatte – angesichts des Hammer schwingenden Schmiedes – darauf verzichtet, weitere Argumente zu fordern und ihnen die tatsächlich äußerst hübsche Zwergin überlassen.

Urs ließ die junge Frau zu sich bringen und musste eingestehen, dass dieses zierliche, elfenartige Wesen fast zu schade war, um es dem eher plump wirkenden und um Vieles älteren Urs zu überlassen.

"Doch was sollte ich riesiger Kerl wohl mit solch einem Püppchen beginnen ? Ich würde es zweifellos zerdrücken oder zerbrechen; abgesehen davon, dass meine Frau Gemahlin mir wohl ein wenig angenehmes Lied singen würde, sollte ich es wagen, mich damit selbst zu beschenken.“

Urs ließ seinen Schneider rufen, um Order zu erteilen, für die 'Elfe ́ mehrere kleidsame Gewänder anzufertigen, welche ihrer Schönheit würdig wären. –

Danach wurde der ahnungslose Ulf gerufen, um seine zukünftige Gefährtin kennenzulernen.

Der König schickte alle Anwesenden – bis auf die Neuangekommene sowie Ulf – davon, um mit den beiden Zwergen alleine sich unterhalten zu können.

„Nun Ulf, was sagst du; wäre dies eine rechte Ehefrau für dich ?“

Zweifelnd blickte der schwärzliche Zwerg auf die zarte, weißhäutige Gestalt der Elfe.

„Ihr treibt gewiss Euren Scherz mit mir, Herr. Womit hätte ich ein solches Geschenk wohl verdient ?“

„Sei nicht zu bescheiden“, entgegnete Urs ungehalten, „sag’ mir nur, ob sie dir gefällt oder nicht !“

„Sie ist wunderschön“, schwärmte der Zwerg, „zu gerne würde ich sie behalten, falls dies wirklich Euer Ernst und Wille ist.“

„Es ist mein Wille“, versicherte der König, „in einer Woche werdet ihr Hochzeit halten – und ich werde unverzüglich Befehl erlassen, alles dafür vorzubereiten.“

Dies wurde getan – und die schweigsame Zwergin wurde einstweilen in einem der Gemächer des Königs untergebracht, denn Ulf sollte sie erst am Tage der Hochzeit wieder zu Gesicht bekommen.

Die notwendigen Vorbereitungen wurden getroffen; Spielleute und Gaukler waren bestellt, die Gäste zu unterhalten. Der Leibkoch des Königs selbst war bestimmt, das Beste aus Küche und Vorratsräumen zuzubereiten und servieren zu lassen.

Ulf stolzierte umher wie der König in eigener Person. Unbeschreiblich seine Erregung. Er würde heiraten ! Er konnte es selbst noch kaum fassen; er würde wahrhaftig heiraten !

Zu verdanken hatte er alles seinem König selbst. Dieser hatte ihn emporgehoben und zu seinem Vertrauten gemacht; nun hatte er ihm zu allem Überfluss auch noch eine Frau verschafft ....und welch eine Frau !

Ulf konnte kaum erwarten, sie endlich in seine Arme zu schließen. Er kannte bisher noch nicht einmal ihren Namen; so beschloss er in seiner Ungeduld, seinen Herrn danach zu fragen.

Dieser beschäftigte sich gerade, wie so oft, mit dem Schmieden eines Schwertes.

Auf die Frage des Zwerges legte er den Hammer beiseite, runzelte die Stirn, um endlich zuzugeben:

„Nach ihrem Namen habe ich bisher nicht gefragt, doch will ich ihr nun den Namen geben, welcher zu ihr passt – Sie soll 'Elfi ́ heißen.“

Damit nahm der König sein Werkzeug wieder auf, um in seiner Beschäftigung fortzufahren.

Endlich war der ersehnte Tag gekommen; obgleich es sich lediglich um eine Woche Wartezeit gehandelt, erschien diese Zeit dem kleinen Manne gleichwohl wie eine Ewigkeit, welche nimmermehr enden zu wollen schien.

Mit großem Pomp wurde auch diese Feierlichkeit begangen und der Landesherr hatte keinerlei Kosten oder Mühen gescheut, damit alles zu seiner Zufriedenheit hergerichtet sei.

Große Tafeln waren aufgestellt, welche einer Unzahl Gästen Platz bieten wollten, die an den folgenden drei Tagen zu bewirten waren.

Der König selbst hielt die Einführungsrede und kündigte an, dass er in eigener Person das zu vermählende Paar trauen würde.

Am dritten und letzten Tag des Festes wurden die Beiden endlich Mann und Frau. Ulf verschlug es die Sprache, als er Elfi in ihrem neuen, prächtigen Gewand erblickte. Willig reichte sie ihm die Hand, um sich von ihm vor den König führen zu lassen.

Eindringlich forderte Dieser Elfi auf, ihrem Gemahl treu zu dienen; Ulf sei zwar, wie auch sie selbst, nur von geringer Statur, doch das Königreich betreffend, sei er ein wahrhaft großer Mann. Von Ulf forderte der Landesherr, seine Elfi stets zu beschützen und ihr ein treusorgender Ehemann zu sein.

Alle Anwesenden erhoben sich, als der König die Trauungsformel vorsprach, welche von den Beiden wiederholt wurde. – Nun waren der Zwerg und die Elfe ein Paar; stürmischer Beifall ertönte und die Musikanten begannen aufzuspielen.

Der erste Tanz gebührte dem frisch getrauten Paar; danach tanzten der König und Dessen Gemahlin. Anschließend gratulierten die Gäste in Reihe dem auf den Ehrenplätzen sitzenden Paar.

Elfi verspürte Herzklopfen. Wie im Traum hatte sie alles Bisherige stumm und gehorsam über sich ergehen lassen. Sie kannte nichts Anderes; man hatte ihr zeitlebens Befehle gegeben, ihr gesagt, was sie tun oder lassen solle. Nun hatte sie den Befehl erhalten, jenen hässlichen, alten Mann zu ehelichen. – Sie hatte auch dies getan....

Was würde nun folgen ? Würde Ulf sie schlagen – oder würde er sie so behandeln, wie der König von ihm gefordert hatte ?

Man hatte ihr neue Kleidung aus feinem Tuch geschenkt; man hatte sie gebadet und mit Ölen eingerieben und Niemand hatte über sie gelacht.

Vielleicht würde ja wirklich ihr Leben nuneinen anderen, besseren Verlauf nehmen. Vielleicht könnte sie hier wirklich die erwünschte Ruhe finden...

Sogar einen neuen Namen hatte sie erhalten. 'Elfi. ́ Dieser Name gefiel ihr; er klang so geheimnisvoll und liebenswert.

Ängstlich blickte sie auf den neben ihr sitzenden Gemahl.

Aus Dessen verschlossener Miene ließ sich nicht erahnen, was er wohl denken mochte – oder gar, wie er sie behandeln würde. – Genutzt hätte ihr dieses Wissen ohnehin nicht, denn sie wäre ihm in jedem Falle hilflos ausgeliefert...

Ulf saß und wälzte schwere Gedanken. Wie sollte er seine Braut behandeln ? Wie mit ihr umgehen ? Er bemerkte ihren Blick und verkrampfte. 'Sie schätzt mich ab, ́ dachte er, 'ich bin für sie nur ein hässlicher, alter Mann. ́

Die kommende Nacht ängstigte ihn. – Könnte er den Beischlaf vollziehen ? Würde sie ihn, im Falle seines Versagens, verlachen ?

'Ich werde streng mit ihr sein, ́ beschloss er. Sie durfte ihn keinesfalls der Lächerlichkeit preisgeben ! Noch nie zuvor hatte Ulf eine Frau erkannt. Man hatte seine Späße mit ihm getrieben; grobe Weiber der Fahrensleute hatten sich über seine Winzigkeit lustig gemacht und ihn wohl mit rauen Händen malträtiert, doch hatte ihm dies alles Andere als Freude bereitet....

Wie würde es sein mit einer Frau Seinesgleichen ? Er sehnte den Abend herbei – fürchtete sich aber gleichzeitig davor. Immer wieder blickte er verstohlen zu

Elfi und bewunderte Deren Schönheit. Der Pluspunkt des Zwerges war seine Größe; er war der Einzige von Elfis Art. Nicht seiner Schönheit oder Jugend wegen konnte sie ihn gern gewinnen, sondern nur dieser Artverwandtschaft wegen. Doch würde das genügen ? Ulf raffte sich halbherzig auf.

'Ich bin ihr Herr; ihr Herr und Gebieter und sie hat mir zu gehorchen ! ́

Doch im Innersten spürte er, dass er sich selbst belog....

Der letzte Festtag neigte sich seinem Ende zu und die Stunde der Wahrheit rückte näher.

Nacheinander verabschiedeten sich die Gäste und am Ende saßen die beiden Zwerge mit dem König alleine.

Dieser schickte Elfi in die Gemächer, welche sie nun gemeinsam mit Ulf bewohnen sollte und wandte sich an den Zwerg:

„Du erscheinst mir nicht so fröhlich, wie man es erwarten sollte. Sprich, machst du dir Sorgen ob ihrer Jugend und deiner Manneskraft ?“

Ulf nickte still. – Seinem König konnte er nichts vormachen; Dieser kannte ihn nur zu gut und verstand ihn, wie kein Anderer.

„Lass’ die Dinge auf dich zukommen; man kann dies nicht vorab planen. Entweder klappt es, oder es klappt eben nicht. – Hast du heute keinen Erfolg, so wirst du ihn eben morgen haben; was soll’s ? Sie kann dir nicht davonlaufen, mein Freund !“

Warm legte der König seinem Berater die Hand auf die dünne Schulter. – Warm wurde auch Ulf ums Herz. - 'Mein Freund ́ hatte der König ihn genannt. Dankbar lächelte er. Der König sprach weiter:

„Mit solchem Problem hast nicht nur du zu kämpfen. Auch wir Großen sind davor nicht gefeit. Doch mit ängstlichen Gedanken wirst du dieses Problem nicht lösen, sondern es eher vergrößern und noch weißt du ja gar nicht, ob es dieses Problem überhaupt geben wird. Geh’ und versuche es ! Wenn es dir in einigen Tagen wider Erwarten nicht gelingen sollte, deinen Ängsten Herr zu werden, so sage mir Bescheid. Ich werde dir dann ein Mittel geben, welches dir helfen wird, ans Ziel deiner Wünsche zu gelangen.“

Drei Könige

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