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Ulrich Zwingli

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An dieser Stelle ist der Toggenburger, also Schweizer, Ulrich Zwingli zu erwähnen, dessen Einfluss nicht nur südlich des Bodensees, sondern auch nördlich davon im Sinne der Reformation wirkte. Zwingli achtete Erasmus von Rotterdam († 1536) sehr hoch, der durch seine vorbildliche griechische Ausgabe des Neuen Testaments (1516) der Bibelübersetzung Luthers vorgearbeitet hatte. Erasmus hielt die friedliche „Bergpredigt“ (Matthäus, Kap. 5–7) für den Angelpunkt des Christentums und war in seiner humanistischen Geneigtheit dafür, auch diversen berühmten Heiden der klassischen Antike mustergültige Tugendhaftigkeit zuzuerkennen, als ob sie Christen gewesen wären. Zwingli versetzte sie deshalb auch ins Paradies, aber die Untauglichkeit der Bergpredigt für das Regieren in dieser Welt war ihm klar. Nachdem er 1518 vom Rat der Stadt zum „Leutpriester“ am Großmünster in Zürich berufen worden war, betonte er die alleinige Verbindlichkeit der Heiligen Schrift, indem er ab Januar 1519 seine Predigten zu einer Reihe von Interpretationen der Bücher des Neuen Testamentes machte. Darin war er Luthers Lehre verwandt, und auch darin, dass er die Erlösung nicht von „guten Werken“ konditionieren ließ, sondern sie einzig der Gnade Gottes anheimstellte.

Großen Eindruck machte auf ihn Luthers Rede auf der Leipziger Disputation (Juli 1519), dass auch ein Konzil irren könne. Mit der amtlichen Hierarchie brach er. Die Existenz des Fegefeuers lehnte er ab, denn wenn der Sünder sein Heil durch den Glauben erlange, dann würden damit besondere Strafen, auch temporäre, im Jenseits überflüssig. Luther distanzierte sich von der Idee des Fegefeuers erst, nachdem Zwingli 1531 umgekommen war.

Zwingli lehnte auch den Zölibat ab und verheiratete sich. Heiligenverehrung, Prozessionen und Wallfahrten (Letztere als „gute Werke“) waren sinnlos. Mit seinem Bilderverbot, das der Rat der Stadt Zürich 1524 durchsetzte, stand er jedoch in Gegensatz zu Luther: Der war verbunden mit Lucas Cranach dem Älteren, dem langjährigen Hofmaler des Kurfürsten. Cranach hat, neben altgläubigen, mythologischen und allegorischen Sujets, auch das reformationsbewegte Altarbild in der Stadtkirche von Wittenberg geschaffen.

Zwingli unterschied sich weiterhin in zwei wesentlichen Punkten von Luther. Er arbeitete mit den Mitteln obrigkeitlicher Politik dafür, aus seinem Zürich eine vorbildliche christliche Gemeinde zu machen, nur als Ratgeber mitwirkend, aber damit von unvergleichlicher Autorität. Der Kurfürst von Sachsen als maßgeblicher Schutzherr Luthers hätte dies in solcher Direktheit nimmermehr zugelassen. Da auch Zwingli die sakramentale Qualität der Ehe ablehnte, wodurch Scheidungen möglich wurden, installierte der Rat ein besonderes Ehegericht, das bald zu einem allgemeinen Sittengericht wurde – eine Vorahnung zu der juristisch ausgefeilten und theokratisch gemeinten Stadtrepublik von Genf, die der von Luther erweckte Jean Calvin ab 1541 ins Leben rief.

Luther hatte seine Geistkirche und baute im Rahmen seiner Lehre von den zwei Reichen auf die weltliche Institution, die in seinem Kurfürsten verkörpert war, um die Erbsünde der Untertanen in Schranken zu halten. Zwingli forderte eine Identität von Staat und Kirche: „Eine christliche Stadt ist nichts anderes als eine christliche Kirche, ein Christenmensch nichts anderes als ein treuer und guter Bürger.“

Der zweite Punkt des Unterschiedes bestand in der Auffassung über den Charakter des Abendmahles (katholisch Eucharistie bzw. Kommunion). Matthäus 26,26 – 28 lautet: „Nehmet, esset! Das ist mein Leib […] Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Luther folgerte daraus die reale Gegenwart von Leib und Blut Christi im Abendmahl. Zwingli hingegen argumentierte aus Johannes 6,63: „Der Gott ist’s, der da lebendig macht, das Fleisch ist nichts nütze.“ Das Abendmahl war also nur eine symbolische Feier, wodurch das Mysterium verschwand, an dem Luther und auch die Katholiken festhielten. Der sich hier zeigende Rationalismus war Luther ein Gräuel.

Im Oktober 1529 vermittelte Landgraf Philipp von Hessen ein Gespräch der beiden reformatorischen Kontrahenten in Marburg, doch der Dissens blieb, worüber sich die Altgläubigen diebisch freuten. Da zeigte sich einmal mehr, dass Luther in seinem Glaubensfuror aus dem Erfolg der deutschen Reformation einerseits nicht wegzudenken war, andererseits aber keinen entwickelten Sinn für politische Kombinationen hatte. Denn der hessische Landgraf Philipp hatte das Treffen von Marburg angeregt als Voraussetzung für ein umfassendes Bündnis von Hessen, dem Kurfürstentum Sachsen, der reformierten „Orte“ der Eidgenossenschaft (neben Zürich auch Basel, Schaffhausen, St. Gallen, Appenzell etc.) und der süddeutschen Städte, die zu Zwingli neigten, z. B. Konstanz. Der Landgraf dachte auch an die Mitwirkung Frankreichs und der Republik Venedig, die sich aber heraushielten. Immerhin war das eine der ersten konfessionell geprägten Bündnisideen, wie sie der abendländischen Christenheit in den nächsten Generationen noch viel zu schaffen machen sollten und der Arbeit am friedlichen Ausgleich der Glaubensinteressen das Grab schaufelten.

Da Zwingli den gerechten Krieg befürwortete, stand er auch für dessen Führung zugunsten der Durchsetzung seiner wahren Lehre gegen die altgläubigen Kantone Luzern, Zug, Uri, Schwyz und Unterwalden, um deren Angriff zuvorzukommen, nachdem diese mit König Ferdinand, dem Bruder Kaiser Karls V., eine „christliche Vereinigung“ geschlossen hatten. Die Leute vom Vierwaldstätter See waren keine dumpfen Reaktionäre, aber sie bestanden darauf, dass die unbestreitbaren Defekte der Kirche Angelegenheiten des Papstes oder eines Konzils seien. Zwingli als urbaner Zürcher wies darauf hin, dass die „Waldstätte“, die Gründungskantone von 1291, auf der Ebene der gesamt-eidgenössischen Politik einen viel zu großen Einfluss hätten. So kam es im Herbst 1531 zum Krieg, zu dem Zwingli als Vertreter der Einheit von religiösem und staatsbürgerlichem Engagement selbst einrückte, und dabei im Gefecht von Kappel (an der Grenze zwischen den „Orten“ Zürich und Zug, 11. Oktober 1531) den Tod fand.

Das war nicht das Ende seiner Reformation in Zürich, denn die Sieger verstanden sich dazu, im Friedensschluss jedem Ort seinen eigenen Glauben zu konzedieren. Zudem war Zwinglis Gedankengut schon fest eingewurzelt. Die Situation erwies sich insofern als ähnlich der nach dem Sieg Karls V. im „Schmalkaldischen Krieg“ (1546/47) gegen die deutschen Protestanten.

Die Eidgenossenschaft hätte an ihren religiösen Gegensätzen zerbrechen können; das war fürs Erste abgewendet. Aber die reformationsgeneigten oberdeutschen Städte, deren Affinität zu den für Freiheit gegenüber fürstlicher Unterdrückung stehenden Schweizern Tradition hatte und die bis 1531 zwischen Luthertum und Zwinglianismus geschwankt hatten, zumal außer der Abendmahlslehre die religiös und innenpolitisch möglichen Punkte der Kontroverse noch nicht definitiv abgegrenzt waren, zogen es nun doch vor, nach Wittenberg anstatt nach Zürich zu schauen.

Was Luther angerichtet hat

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