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Feuer und Wasser

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Und als nun Adam allein auf dem schattigen Waldweg stand und er sich vergebens nach allen Seiten hin umsah nach dem Mann aus der Wüste und er sich fragte, ob sich der Herr, der sich ElIblis nannte, in Luft aufgelöst hatte oder ob er vielleicht im nächsten Moment wieder leibhaftig vor ihm stünde, da wurde ihm noch ungemütlicher zumute als zuvor am Baum der Erkenntnis.

Er fragte sich, ob der Fremdling mit ihm vielleicht ein bisschen Verstecken spielen wollte. Ob er, Adam, anfangen sollte, ihn zu suchen. Aber aus dem Alter harmloser Kinderspiele schien ihm der Alte eigentlich heraus zu sein.

Adam fielen wieder die Worte ein, die jener gesprochen hatte: Gott ist allmächtig. Gott sieht alles, Gott hört alles, Gott weiß alles. Und vor allem: Gott vermag alles! Warum also nicht auch ein bisschen Zauberei? Oder war es nur Schabernack? – Aber da waren noch die anderen Worte gewesen, von den himmlischen Heerscharen, die angeblich auf der Erde ständig unterwegs waren, die man aber mit bloßem Auge gewöhnlich nicht sehen konnte. – Vielleicht war ja das Erscheinen des Herrn aus der Wüste einer jener außergewöhnlichen Augenblicke, in denen die Unsichtbaren für kurze Zeit sichtbar wurden.

Adam wusste nicht, was er glauben sollte. Schlimmer noch, er wusste nicht, was er tun sollte. Einfach heimkehren zur Hütte? Aber was sollte er dort erzählen von dem spurlosen Verschwinden des Fremdlings? Wie würde sich das anhören, spurloses Verschwinden!

Adam beschloss, noch ein wenig zu warten.

Aber nichts geschah.

Fast wünschte er sich, er hätte die Begegnung mit dem Mann aus dem Land Nod nur geträumt. Aber er wusste, er hatte sie nicht geträumt. Er war bei Abel gewesen auf der Weidewiese, beide hatten sie ihn kommen sehen, den Mann mit dem Stecken in der Hand, mit dem Beutel über der Schulter, und beide hatten sie mit ihm gesprochen, Abel hatte neugierige Fragen gestellt, und er, der Vater, hatte Abel zu Kain geschickt, um dem Bruder Bescheid zu sagen... Wenn Abel nicht dabei gewesen wäre, dachte Adam, dann bräuchte ich jetzt überhaupt nichts zu erzählen, dann könnte ich die Sache für mich behalten. Es würde ihm zwar nicht gefallen, vor Eva ein Geheimnis zu haben, aber immer noch besser, als sie in wer weiß was für Grübeleien zu stürzen.

Allmählich wurde ihm klar, in welche Lage der Fremdling ihn gebracht hatte – und womöglich die ganze Familie.

Eva sah ihrem Mann, kaum dass er zur Tür herein war, sofort an, dass irgendetwas nicht stimmte. Er wich ihrem Blick aus. Er sagte nichts. Nichts über Kain, nichts über Abel, die er doch hatte aufsuchen wollen.

Bitja, die aus dem Nebenraum kam, um dem Vater zu zeigen, was sie am Nachmittag gemacht hatte – eine kleine Lehmfigur mit zwei Flügeln – , strich er, wie halb abwesend, über den Kopf, ohne die Figur richtig anzusehen.

„Das ist ein Menschenvogel!“ erklärte Bitja mit Nachdruck.

„Sehr schön“, sagte der Vater.

Und Zippora, die nun ebenfalls aus Nebenraum kam, lachte.

„Wie lustig. Ein Menschenvogel! Wann wirst du endlich erwachsen, Bitja?“

Und Lebuda, die mit dem Früchtekorb fürs Abendessen aus dem Vorratsraum trat, sagte zu Zippora: „Lass sie! Sie hat eben die Phantasie.“

„Phantasie!“ Zippora verzog verächtlich den Mund. „Die habe ich auch.“

Eva wollte die beiden Mädchen, die sich neuerdings allzu oft stritten, zurechtweisen, in dem Moment traten die Söhne in die Hütte.

Kain kam als erster herein. Er sah sich kurz um, und dann, nach einem drohenden Blick auf Abel, rannte er wie wild durch die Hütte, durch alle Räume. So hatte Eva ihn noch nicht erlebt. Schließlich kehrte er zurück und trat vor seinen Bruder hin.

„Wo ist er denn nun, dein Wüstenmann?“

Und Abel, sichtlich hilflos, stand da und sah den Vater an.

„He, mach das Maul auf! Ich habe dich was gefragt!“ Kain gab Abel einen Stoß vor die Brust. „Wo ist er, dein Wüstenmann? Ist dir beim Schafehüten mal wieder der Verstand durchgegangen?“

„Kain!“ rief Eva.

Aber Kain hörte nicht auf sie. Er begann, mit beiden Fäusten auf seinen Bruder einzuschlagen.

„Wolltest du mich zum Narren halten? Wolltest du dich wieder mal wichtig machen mit deinen Einfällen?“

„Hör auf!“ rief Lebuda und wollte dazwischengehen. Aber Kain stieß sie zurück.

„Warum erzählt er mir so einen Blödsinn? Ein Mann, der aus der Wüste kam!“

Und Abel stand immer noch da und steckte, ohne sich zu wehren, die Schläge ein.

Lebuda konnte es nicht mehr mit ansehen und lief aus der Hütte.

Und Eva, die immer noch nicht begriff, worum es eigentlich ging, sah Adam an: „Nun tu doch endlich etwas!“

Adam gab sich einen Ruck und sagte:

„Kain, hör auf! Er ist dein Bruder!“

Kain stieß Abel von sich weg.

„Mein Bruder! Warum erzählt er mir dann so einen Blödsinn, von einem Mann, der aus der Wüste kam?“

Eva fand auch, dass es etwas seltsam klang.

„Beruhige dich, Kain“, sagte Adam. „Es ist kein Blödsinn. Wir beide, Abel und ich, wir haben ihn ...“

Weiter kam er nicht. Lebuda kehrte von daußen zurück und rief, wie aufgelöst:

„Der Wald! Der Wald! Er leuchtet! Er macht Wolken!“

Mit einem Schlag war es still in der Hütte. Und alle starrten Lebuda halb ungläubig, halb erschrocken an.

Kain war der erste, die sich wieder fasste.

„Der Wald?“ sagte er.

„Er macht Wolken?“ sagte Zippora, ziemlich spöttisch.

Und Bitja, die noch immer ihren Menschenvogel in der Hand hielt, sagte: „Er leuchtet?“

„Ja doch!“ rief Lebuda. „Ganz hell, gelb und rot! So etwas habe ich noch nicht gesehen.“

Eva sah, dass Lebuda am ganzen Leib zitterte.

„Kommt doch raus und seht selber!“ rief Lebuda.

Und nun liefen alle hinaus, Kain als erster, und dann standen sie auf der Wiese und sahen es mit weit aufgerissenen Augen, das Flackern weit hinter den hohen Bäumen.

„Du liebe Güte“, murmelte Eva.

„Was ist das?“ sagte Zippora.

Und Abel sagte: „Ich glaube, das ist ein Feuer.“

Einen Moment lang schien es, als würde das Wort, das keiner bisher je gehört hatte, alle, außer Abel, mehr erschrecken als das Leuchten, das sie sahen, das Flackern und die dicken Wolken, die in den dämmrigen Himmel aufstiegen.

„Du hast recht“, sagte Kain schließlich zu Abel. „Es muss ein Feuer sein.“

Und Adam, der Vater, sagte: „Es brennt...“

Eva legte unwillkürlich ihre Arme um Bitja und Zippora.

„Es muss auf dem Stoppelacker sein“, sagte Kain. „Wir müssen hin!“

„Ja“, sagte Adam, „wir müssen hin. Sonst brennt ganz Eden ab.“

Er beschied Eva, mit den Mädchen bei der Hütte zu bleiben, und lief mit den Jungen los.

Später sollte Eva stolz sein auf ihre Söhne und auf ihre Töchter, sie hatten nicht nur Eden, sie hatten auch das Feuer gerettet.

„Feuer und Wasser“, sagte Adam am nächsten Abend, nachdem die Gefahr überstanden und die dringendsten Arbeiten abgeschlossen waren und sie auf ganz neue Weise vor der Hütte saßen, dicht am Ufer, im Schein des sacht flackernden kleinen Feuers, das sie in einem schützenden Ring aus Felssteinen mit Reisigstöcken am Brennen hielten. „Feuer und Wasser“, sagte Adam. „Man könnte sagen, es sind zwei Elemente. So jedenfalls hat es Abel ausgedrückt. Er ist wirklich ein heller Bursche. Feuer brennt, und Wasser löscht. Und doch – auch die Elemente haben, wie wir jetzt wissen, ihre zwei Seiten...“

Eva musste schmunzeln. Kaum waren die Aufregungen und Anstrengungen vorüber, schon kam bei Adam wieder der Denker zum Vorschein. Dabei musste er ihr das Ganze gar nicht so umständlich noch mal zu erklären versuchen. Schließlich war sie die meiste Zeit bei allem dabei gewesen. Zunächst hatte sie mit den Mädchen auf der Wiese gestanden, und mit bangen Blicken hatten sie das hinter den Bäumen lodernde Feuerlicht beobachtet, das nach einer Weile langsam kleiner wurde. Die Männer, wie Adam später berichtete, hatten inzwischen, weil ihnen nichts Besseres einfiel, begonnen, mit bloßen Händen Sand ins Feuer zu werfen, was aber nicht allzu viel half. Und dann, so Adam, war ihnen das Himmelswasser zu Hilfe gekommen. Ein feiner Regen aus einer einzelnen dunklen Wolke. Das war, so Adam, der Moment einer großen Erkenntnis gewesen: Wasser löscht Feuer! Aber davon wusste die Frauen auf der Wiese noch nichts. Und Bitja, als das Feuerlicht nun immer schwächer wurde, sagte: „Wie schade. Es sah so schön aus.“ Zippora lachte, Lebuda aber dachte einen Moment nach. Dann sagte sie: „Du hast recht Bitja, es sah schön aus. Und so hell“, und dann rannte sie los. Als sie auf dem Stoppelacker ankam, war das Feuer schon halb heruntergebrannt. Die Männer, mit vom Regen nassglänzender Haut, standen da und sahen erleichtert in die kleiner werdenden Flammen. Lebuda aber trat zu ihnen und sagte: „Wir sollten das Licht vielleicht retten.“ Abel sah sie verblüfft an: „Du hast recht, Lebuda. Wenn wir das Feuer haben, dann haben wir immer Licht, nicht nur am Tag, auch am Abend.“ „Und wir haben immer Wärme“, sagte Kain. „Und wer weiß, was man noch alles damit machen kann.“ Adam staunte über seine gescheiten Kinder. Und Lebuda sagte zu ihren Brüdern: „Hütet das Feuer! Ich laufe los und hole eine von unseren Lehmschalen.“ Und so geschah es. So gelangte das Feuer, so gelangten das neue Licht und die Wärme zur Hütte, auf die Wiese, ans Flussufer. Den ganzen Tag über hatten sich die Geschwister abgemüht, hatten Steine herbeigeschleppt, Reisig gesammelt, hatten sich am Feuer abgewechselt, um aufzupassen und dafür zu sorgen, dass es nicht erlosch. Und nun, nach all den Aufregungen und Mühen, saßen sie, Eva und Adam, und hielten Wache bei den kleinen züngelnden Flammen. Und Adam sagte, mehr zu sich selbst: „Es muss etwas zu bedeuten haben. Feuer und Wasser. Zwei sich streitende Elemente. Es ist doch sonderbar, dass wir das gerade gestern erfahren haben...“

„Gestern“, sagte Eva. „Du meinst, weil es nach so langer Zeit endlich wieder einmal geregnet hat.“

„Ja, aber nicht so stark wie sonst“, sagte Adam. „Und nicht sehr lange. Und genau im richtigen Augenblick.“

„Das kommt eben vor“, sagte Eva.

„Ja“, sagte Adam, „das kommt vor.“

„Und was machen wir“, sagte Eva, „wenn es wieder anfängt zu regnen und viel kräftiger und länger als gestern abend?“

Adam blickte zum Himmel. Der Mond schien, die Sterne funkelten, kein Wölkchen weit und breit.

„In die Hütte holen können wir das Feuer nicht.“

„Das weiß ich auch“, sagte Eva und legte ein Stück Reisig nach. „Wir müssen eben ein Dach errichten über dem Feuer.“

„Ein Dach?“

„Natürlich eins, das nicht brennt.“

„Ach, was habe ich doch für eine kluge Frau.“

„Spotte nicht“, sagte Eva. „Gib mir lieber einen Kuss.“

„Darüber muss ich erst nachdenken.“

„Was?“

Adam nahm seine kluge Frau in den Arm. „Ich meine“, sagte er, als er sich von ihren Lippen wieder getrennt hatte, „über das Dach. Wie wir das hinkriegen, dass es nicht anbrennt.“

„Ach, ihr werdet das schon schaffen.“ Eva schmunzelte. „Notfalls machst du mal wieder einen deiner Denkerspaziergänge.“

Eva gab ihrem Mann noch einen zärtlichen Kuss auf die Wange, dann stand sie auf.

„Ich leg mich jetzt hin. Weck mich, wenn du nicht mehr kannst. Ich löse dich dann ab.“

„Ach was“, sagte Adam, „schlaf nur. Und träum` was Schönes!“

Eva lächelte, ging zur Hütte, drehte sich aber noch einmal um und sagte:

„Und morgen, Adam, morgen abend erzählst du mir endlich, wie das nun mit dem Mann aus der Wüste war!“

Adam und Eva

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