Читать книгу Hat sich die Wende überhaupt gelohnt? - Bernd Zeller - Страница 15
ZEITUNGEN
ОглавлениеEine Zeitlang kaufte man sie als Ersatz für nicht erhältliches Toilettenpapier, aber das ist nicht der Punkt, auf den es ankommt. Das Massenmedium Zeitung diente nicht der Information, sondern der Propaganda. Erfolge bei der Planerfüllung und der Besuch Erich Honeckers im Ministerium für Volksbildung bei der Ministerin für Volksbildung Margot Honecker und die Begrüßung der sowjetischen Delegation waren nicht etwa eine ausgiebige Meldung wert, sie geschahen eigens als Stoff für ausgiebige Meldungen der täglichen Zeitungen, wobei man annehmen kann, dass Besuch und Empfang wirklich stattfanden, wogegen die Erfolge in der Produktion keine Vorlage in der Realität hatten. Die DDR-Zeitungen waren demzufolge die Vorwegnahme des heute gängigen Formats der Scripted Reality.
Das Sympathische war, dass sie sich keine Mühe geben mussten, die Verlogenheit auch noch überzeugend zu gestalten. Geglaubt hat den Kram sowieso keiner, man war aber überzeugt und froh, sich die Überzeugung nicht auch noch selbst vorschwindeln zu müssen.
Das ist nun bei den heutigen Zeitungen ganz anders. Hier wird Propaganda betrieben auf perfide, emotional abgesicherte Art. Der Leser soll glauben, was da beschönigt und verharmlost wird. Ein hochbezahlter Experte sagt: Kein Problem. So was hätte es in der DDR nicht gegeben, da gab es keine Probleme, die ein Experte hätte leugnen müssen.
Die Trennung von Meinung und Fakt wird den Journalistenschülern noch als Wert bekanntgegeben, doch schon von den sie unterrichtenden Großjournalisten missachtet, mit bestem Gewissen, weil sich die Fakten der Meinungslage in der Redaktion zu fügen haben.
DDR-Journalismus hatte Klassenstandpunkt zu vertreten, den das Politbüro langwierig ermittelt hat. Die mussten das so machen, das war der Deal. Kein Leser hätte etwas anderes erwartet.
Die heutigen Journalisten müssten ihren Unsinn nicht selbst glauben, wollen aber, und die Leser erst recht.
Den Punkt für Zeitungen hat sich die DDR redlich verdient.