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(6) Erkenntnisverschaffungspflicht
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Auch in Bezug auf Richt- und Leitlinien gilt – wie auch sonst bei der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit infolge eines Verstoßes gegen Sondernormen – der Grundsatz, dass die korrekte und gewissenhafte Erfüllung der auf den Inhalt rechtlicher Sorgfaltsanforderungen bezogenen Erkenntnisverschaffungspflicht (nur) für den Schuldbereich von Bedeutung ist: Insoweit ist zunächst auf Rn. 139 ff. zur fahrlässigen Tätigkeitsübernahme zu verweisen. – Bei unzureichenden Leitlinien wird dem Täter ein Schuldvorwurf (subjektive Fahrlässigkeit) nur dann zu machen sein, wenn sich ihm die Unzulänglichkeit dieser in Richt- und Leitlinien enthaltenen Vorgaben bei Berücksichtigung seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten auch ohne besondere Nachprüfung hätte aufdrängen müssen.[128] Insoweit kommt den von der medizinischen Profession gesetzten, auf Qualitätssicherung (und damit auch Patientenschutz) zielenden Vorgaben letztlich doch eine gewisse Funktion der „Haftungsimmunisierung“ zu.[129] Da aber Richt- und Leitlinien Ergebnisse des jeweiligen Standes der wissenschaftlichen Erkenntnis und praktischen Erfahrung zum Zeitpunkt ihres „Erlasses“ darstellen, werden sie durch neuere Erkenntnisse relativiert und können somit in einen Gegensatz zum einzuhaltenden Standard geraten: Sie sind relativ im Hinblick auf den Fortschritt der Erkenntnisse.[130] Dies hat für den behandelnden Arzt, der seine Behandlung am ärztlichen Standard auszurichten hat, zur Folge, dass er nicht nur diese Wegweisungen der ärztlichen Institutionen für die Festlegung sorgfaltsgemäßen Vorgehens zu beachten hat, sondern stets prüfen muss, ob in der veröffentlichten medizinischen Literatur Weiterentwicklungen des Erkenntnisstandes in dem fraglichen Feld erkennbar sind, die zu einer Relativierung oder gar Überholung dieser Richt- und Leitlinien führen.[131]