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cc) Compliance-Vorgaben
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Krankenhausinternen Verhaltensanweisungen (Compliance-Regelungen[142]) als solchen kommt weder eine strafbarkeitseinschränkende noch strafbarkeitserweiternde Funktion zu: Unterschreiten diese Vorgaben dasjenige, was vom Facharztstandard gefordert wird, so vermögen sie nichts an der möglichen Strafbarkeit des behandelnden Arztes zu ändern.[143] Weder werden durch sie die objektiven Sorgfaltsanforderungen abgesenkt noch wird der persönliche Fahrlässigkeitsvorwurf für den behandelnden Arzt entfallen, da von ihm erwartet werden muss, die für ihn handlungsleitenden Vorgaben (Facharztstandard) zu kennen.
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Stellen diese unternehmensinternen Verhaltensvorgaben hingegen umgekehrt Anforderungen auf, die über den Facharztstandard hinausreichen, so zieht ein Verstoß hiergegen keine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit[144] nach sich, solange der behandelnde Arzt sich im vom maßgeblichen Facharztstandard gewährten Behandlungskorridor bewegt. Dies gründet darauf, dass über die Anforderungen der Primärrechtsordnung hinausgreifende Unternehmensregeln keine unmittelbare Relevanz zu entfalten vermögen, weil strafrechtliche Sanktionierung keine Angelegenheit unternehmensinterner Selbstregulierung, sondern alleinige Angelegenheit des Staates ist. Materiell ist ohnehin die sich deutlich vom Bezugspunkt des Facharztstandards unterscheidende Zielrichtung von Compliance-Regelungen als unternehmensinterner Selbstbindung zu beachten. Während der Facharztstandard die Wahrung des gesundheitlichen Wohls des Patienten fokussiert, verfolgen Compliance-Regelungen das Ziel, von vornherein jegliche Haftung des Unternehmens zu vermeiden und hierdurch das Gewinninteresse des Unternehmens zu befördern; hierzu zählt auch der mit Einhaltung über den Facharztstandard hinausreichender Sorgfaltsanforderungen („best practice“[145]) verbundene Reputationsgewinn.[146] Das Wohl des Patienten hingegen wird durch diese Vorgaben (nur) mittelbar befördert. Es sollte auch zukünftig unter dem Blickwinkel des Ultima-ratio-Grundsatzes darauf geachtet werden, dass ökonomisch bedingte „best practice“-Handlungsgebote und strafrechtlicher Sorgfaltsstandard nicht in eins gesetzt werden.[147] Andernfalls würde gerade auch im Bereich der Krankenbehandlung die Befürchtung von Rotsch[148] Realität, der davor warnt, dass „(im) Hinblick auf eine mögliche Fahrlässigkeitsstrafbarkeit … die Besonderheit (besteht), dass Unternehmen etwa mit Richtlinien in einem häufig gesetzlich nicht durchnormierten Bereich die im konkreten Fall einzuhaltenden Sorgfaltsstandards selbst (mit)definieren. Je höher aber dieser Sorgfaltsmaßstab angesetzt wird, desto schwieriger wird es für die Unternehmensmitarbeiter, diese einzuhalten. Damit besteht dann die Gefahr, dass die Unternehmen sich selbst [Ergänzung: und ihre Mitarbeiter] in die Strafbarkeit hineinreglementieren.“ Diese Folge ist allerdings dann unvermeidlich, wenn die zunächst unternehmensintern adressierten Vorgaben infolge allgemeiner Praktizierung den Sorgfaltsmaßstab verkehrsgerechten Verhaltens – sozusagen als „Normsetzung durch die Praxis“[149] – mitbestimmten.[150]