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bb) Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Richt- und Leitlinienersteller

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Wenn Richt- und Leitlinien auch keine Vorgreiflichkeit bei der Bestimmung sorgfaltswidrigen ärztlichen Verhaltens zukommt, so bleibt doch die Frage zu klären, inwieweit diejenigen, die an der Erstellung von vornherein unzutreffender Vorgaben beteiligt waren, strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sind, wenn es bei Anwendung ihrer Vorgaben zu einer Schädigung des Patienten kommt. Der Umstand, dass ggf. auch der behandelnde Arzt (auch subjektiv) fahrlässig gegen die einzuhaltende Sorgfalt verstößt, vermag diesen Personenkreis keineswegs von vornherein zu entlasten: Der deutschen Fahrlässigkeitsdogmatik ist eine Vorgabe, dass bei fahrlässigem Mitwirken an einem fremden Fahrlässigkeitsdelikt nur „den Letzten die Hunde beißen“, fremd.[136] Das Austarieren der Verantwortungsbereiche von Richt- und Leitlinien-Aufstellern und dem ihre Vorgaben anwendenden Arzt ist an einer Überlegung auszurichten, die auch sonst im Bereich sog. Sondernormen Geltung beansprucht: Zwar muss jeder sein Verhalten grundsätzlich nur darauf einrichten, nicht selbst fremde Güter zu gefährden, nicht aber darauf, dass andere dies nicht tun (Verantwortungsprinzip).[137] Ungeachtet dieser Zurechnungsbegrenzung kommt jedoch fahrlässiges Handeln der „Norm“-Aufsteller dann in Betracht, sofern sie infolge fachlicher Autorität und geordneten Verfahrensgangs erkennbar die Gewähr für die inhaltliche Richtigkeit und gefahrlose Anwendbarkeit der Norm zu übernehmen haben (wie dies etwa bei DIN- und VDE-„Normen“ der Fall ist).[138] Eine derartige „Gewährübernahme“ dürfte auch bei medizin-intern verfassten Richt- und Leitlinien (auch der Stufe S1) gegeben sein, da es sich bei ihnen um eine auf Qualitätssicherung zielende und mit der Autorität fachlicher Expertise publizierte Behandlungsempfehlung handelt. Auch insoweit gilt der von Lenckner bereits 1969 postulierte Grundsatz,[139] dass „(der eine Anleitung oder Empfehlung Erteilende dann) eine zusätzliche Verantwortung hat …, wenn er kraft überlegener Sachkunde eine besondere Vertrauensposition einnimmt und andere sich deshalb auf ihn zu verlassen pflegen und im allgemeinen auch verlassen dürfen … Dem besonderen Vertrauen, das dem Normgeber … entgegengebracht wird, (entspricht) eine gesteigerte Verantwortung.“ Diese strafrechtliche Zuschreibungsmöglichkeit von Patientenschädigungen gilt auch für den Fall, dass eine fachlich überholte Leit- oder Richtlinie nicht schnell genug überarbeitet oder zumindest für überholt erklärt wird.[140] Die insoweit dann aufgeworfenen dogmatischen Fragen der Strafbarkeit von Kollegialentscheidungen sind von der strafrechtlichen Produkthaftung her bekannt,[141] deren Grundsätze mutatis mutandis heranzuziehen sind.

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