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dd) Fernbehandlung und Digitalisierung
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Eine – berufsrechtlich seit 2018 ausnahmsweise[191] zulässige[192] – ausschließliche ärztliche Fernbehandlung (Telemedizin)[193], bei der Beratung und Behandlung des Patienten mittels Kommunikationsmedien ohne unmittelbaren persönlichen Kontakt erfolgt, ist gegenwärtig dadurch gekennzeichnet, dass insoweit kein spezifischer Behandlungsstandard[194] existiert.[195] Geht die Fernbehandlung über die bloße Unterstützung einer vom unmittelbaren persönlichen Kontakt geprägten ärztlichen Tätigkeit hinaus, so ist – ebenso wie bei der Anwendung sog. Außenseitermethoden (Rn. 31) – der Sorgfaltsmaßstab eines vorsichtigen Arztes einzuhalten.[196] Der Einsatz neuer Medien darf nicht mit Abstrichen beim rechtlichen Schutz des Patienten erkauft werden.[197] Deshalb behält die ältere Rechtsprechung[198] zur Fernbehandlung weiterhin ihre Gültigkeit, die insbesondere im Zusammenhang mit der Befunderhebung als Basis der Therapiewahl (Entsprechendes hat auch für eine gebotene Therapie-Änderung oder die Überweisung des Patienten an einen für das Krankheitsgeschehen besser gerüsteten Facharzt zu gelten) einen unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt verlangt.[199] Gegenwärtig ist eine hinreichende körperliche Überprüfung von Symptomen per Telemedien nicht möglich;[200] auch wird ein reduzierter Bildschirm-Blick auf den Patienten seine ganzkörperliche Wahrnehmbarkeit durch den Arzt nicht wirklich ersetzen können.[201] Dieser Mangel bei der Befunderhebung stellt im Regelfall[202] auch strafrechtlich eine Verletzung der den Arzt treffenden Sorgfaltspflicht dar. – Wird ein mittels Telemedizin hinzugezogener Arzt mangels einer das Behandlungsgeschehen beherrschenden Stellung nicht zum Mitbehandler, so gelten für sein Verhältnis zum ihn beiziehenden Arzt die allgemeinen Grundsätze der Arbeitsteilung von behandelndem Arzt und Konsiliar-Arzt,[203] so dass eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für Fehler des jeweils anderen angesichts des Vertrauensgrundsatzes (Rn. 84 ff.) nur dann in Betracht kommt, wenn ein Fehler des jeweils anderen hätte erkannt werden müssen; dies wird nur bei einer offensichtlichen Fehlleistung der Fall sein.[204]
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Nur angedeutet kann hier die Problematik werden, welchen Einfluss die auch im Bereich der Heilbehandlung zunehmende Digitalisierung zukünftig auf die ärztliche[205] Fahrlässigkeitsverantwortlichkeit haben wird.[206] Die Zuschreibung von Gesundheitsschäden, die bei einem Heileingriff durch Verwendung digital unterstützter Technik bewirkt werden, stellt grundsätzlich kein Novum dar und lässt sich in die ärztliche Verantwortlichkeit für eine fehlerhafte Behandlungstechnik einordnen. Insoweit sei an den sog. Robodoc-Fall (Verwendung eines computerunterstützten Fräsverfahren zwecks optimaler Passgenauigkeit zementfreier Hüftgelenksendoprothesen)[207] aus dem Jahr 2006 erinnert. Schwieriger dürfte die sachgerechte Erfassung des zunehmenden Einsatzes hochentwickelter Informationstechnologie sein, die insbesondere in Gestalt selbstständig lernender und entscheidender Software (Künstliche Intelligenz [KI]) in der Lage ist, große Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren und mit den Krankheitsdaten eines Patienten zu vergleichen.[208] Dies ist auch strafrechtlich vom Ansatz her unbedenklich, solange Algorithmen den Arzt insbesondere bei seiner Anamnese nur unterstützen,[209] aber nicht ersetzen.[210] Für den behandelnden Arzt, für den die Funktionsweise von KI und das Zustandekommen der dort vorgelegten Diagnosen bzw. Behandlungshinweise einer Blackbox gleicht,[211] auf deren Resultate er sich verlassen muss, wird man hier die für menschliche Arbeitsteilung entwickelten Grundsätze des Vertrauensgrundsatzes (Rn. 84 ff.) sinnentsprechend heranziehen können.[212] Hierbei bleibt aber die Frage offen, wann (also unter welchen risiko-einhegenden Vorkehrungen[213]) der entsprechend zu anderen technischen Errungenschaften im Einzelfall auch schadensträchtige Einsatz von KI als sorgfaltsgemäß anzusehen ist. Insoweit ist eine gesetzgeberische Grundentscheidung, unter welchen Rahmenbedingungen für Entwicklung und Anwendung ein derartiger KI-Einsatz verantwortet werden kann, geboten, geht es doch um die richtige Justierung von Innovationsoffenheit und Innovationsverantwortung.[214] Auf diese Weise wäre auch die für die Annahme erlaubten Risikos als ein Element erforderliche gesellschaftliche Akzeptanz[215] sinnfällig dokumentiert. Die strafbarkeitslimitierende Funktion des Vertrauensgrundsatzes entfällt (Rn. 87), wenn dem ärztlichen Vertrauen auf fehlerfreies Funktionieren der KI infolge konkreter Umstände die Grundlage entzogen ist.[216] Umgekehrt wird zukünftig (also nach Herausbildung eines entsprechenden Behandlungsstandards[217]) ein Verzicht auf den Einsatz verfügbarer KI bei der Diagnostik[218] einen Behandlungsfehler darstellen,[219] wobei eine Strafbarkeit aus §§ 229, 222 StGB in der Regel an fehlender Erfolgszurechnung scheitern dürfte.