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4.1. Kontexte

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Die Begriffe Paläolithikum (Altsteinzeit) und Neolithikum (Jungsteinzeit) wurden vom britischen Anthropologen John Lubbock geprägt. Lubbock richtete sein Augenmerk auf die Werkzeuge und unterschied das paläolithische Zeitalter der geschlagenen Steinwerkzeuge von jenem der geschliffenen Werkzeuge, die für Lubbock die Jungsteinzeit charakterisierten. Die Begriffe sind in das übliche Vokabular eingeflossen, ihre ursprünglichen Charakterisierungen sind hingegen überholt. Neuere Einzelfunde von geschliffenen Beilen sind allerdings deutlich älter.

Zudem versteht es sich von selbst, dass es sich bei diesem Übergang zur bäuerlichen Wirtschaft und der Anlage fester Siedlungen um einen lange dauernden Prozess handelte, auch wenn der von Childe geprägte Ausdruck »Revolution« einen abrupten Paradigmenwechsel suggeriert.

Die Jäger und Sammler wurden zu nomadisierenden Viehhaltern (eine Lebensform, die es bis heute in vergleichbarer Form der »Transhumanz« immer noch gibt) und schließlich zu sesshaften Ackerbauern und Viehzüchtern. Erstmals nachgewiesen und untersucht wurde diese Transformation am Wadi Natuf, knapp 30 Kilometer nordwestlich von Jerusalem.

Müller-Karpe 1968, 244f

Savolainen et. al. 2002

Im Vordergrund des neolithischen Pflanzenanbaus stand das (vermutlich aus Vorderasien stammende) Getreide (israelische Forscher haben jüngst als erste domestizierte Frucht die vor 11 400 Jahren angebaute Feige identifiziert), erst in zweiter Linie folgten Hülsenfrüchte und andere Nutzpflanzen. Das Getreide wurde mit einer Steinsichel geerntet und im Mörser zerrieben. Gleichzeitig mit der Pflanzendomestikation erfolgte die Zähmung der Tiere. Der Hund dürfte das älteste gezähmte Tier gewesen sein. Um 12.000 fand man in einem Grab in Israel ein Hundeskelett. Neuere aus DNA-Analysen gewonnene Einsichten datieren die Domestikation des Hundes gar auf 15.000 in China. Die Domestizierung von Ziege (Bezoar-Ziege) und Schaf (asiatisches Mufflon), Rind (das europäische Rind stammt aus Anatolien) und Schwein könnte um 8000 erfolgt sein, des Bocks um 7000 (Jericho), des Pferdes um 4000 (Zentralasien). Die Daten zu diesen Domestikationen ändern sich laufend.

Leroi-Gourhan 1988, 211

Um 5000 hatte sich die Levante völlig verändert: »Die Basisökonomie hat sich noch vor der Entwicklung der Töpferei (zwischen 6000 und 5000) durch die Verbindung von Weizen und Gerste mit dem Schaf, der Ziege und dem Schwein herausgebildet, und es erscheinen die ersten ständig bewohnten Dörfer.«

Die neue Kultur der Bauern und Viehzüchter war begleitet von einer Reihe technischer Innovationen und sozialer Umbrüche: Pflug, Wagenrad, Bogen, Fischernetz, Angelhaken, Boot, Töpferscheibe, Bewässerung, Maße, Gewichte waren die wichtigsten technischen Neuerungen. Schließlich beendete um 3500 die Metallverarbeitung die Steinzeit endgültig – zu gleichen Zeit etwa, in der die Schrift entstand. Zu den technischen Neuerungen gehören die entsprechenden sozialen Umwälzungen: Die Zentralisierung des wirtschaftlichen, politischen und religiösen Lebens, Differenzierung des Handels und Gewerbes mit den entsprechenden Innovationen und Erfindungen, Bildungssysteme, bürokratische und politische Institutionen, zentrale religiöse Autoritäten.

Letztlich war das alles eine Folge der intensiven Nutzung begrenzter Räume, welche Organisationsformen verlangte, um Überschussproduktion und die jetzt anhebende Arbeitsteilung, aber auch die sich daraus bildenden verschiedenen sozialen Schichten zu koordinieren.

Die Forschungen um das Neolithikum sind heute äußerst lebendig und nach spektakulären Funden in Zentralanatolien gibt es ständige Revisionen im Gesamtbild. Umstritten ist nach wie vor die Frage, warum und wie es zur Sesshaft werdung kam. Denn die neue Lebensweise in Siedlungen brachte anfangs viele Nachteile. Das durchschnittliche Lebensalter sank signifikant. Es gab große Probleme mit der Hygiene durch das enge Zusammenleben von Tier und Mensch.

Lichardus-Itten/Lichardus 2003, 61

Ähnlich lebhaft wie die Diskussion um die zeitliche Entstehung ist jene nach der Geographie. Zwar gibt es mehrere Entstehungsorte der neolithischen Lebensweise auf der Welt, aber bislang wiesen die ältesten diesbezüglichen Spuren in den Vorderen Orient: »[…] es sieht so aus, als wären die frühesten Prozesse der Neolithisierung am mittleren Euphrat und in Jordanien schon in der Zeit um 9000 BC fassbar.« Der für uns relevante Ursprung des Neolithikums dürfte demnach in dem vom Ägyptologen James Henry Breasted 1916 »fruchtbarer Halbmond« (fertile crescent) genannten Bogen liegen, der vom westlichen Iran über das Zwischenstromland (zwischen Euphrat und Tigris) über Anatolien, Syrien nach Palästina reicht. Dort häufen sich neolithische Fundplätze. Die Ausgrabungen im anatolischen Raum vor allem durch James Mellaart, die türkische Archäologin Halet Çambel und Robert J. Braidwood lassen mit Çatal Hüyük und Çayönü die Neolithisierung auf das 7. Jt. fixieren. Auch ließen sich enge Beziehungen nach Mesopotamien nachweisen. Inzwischen sind zahlreiche weitere Fundstellen (Nevali Çori, Göbekli Tepe, Hallan Çemi, Asikli Hüyük) dazugekommen.

II.1.1.


16 Der fruchtbare Halbmond auf der Karte von Henry Breasted (1916)

Über die Ausbreitung konkurrieren mehrere Th esen, die von lokalen Entwicklungen ausgehen, eine Verbreitung vom Vorderen Orient her thematisieren oder eine lokale Entwicklung mit Anteilen eines Kulturtransfers aus dem fruchtbaren Halbmond annehmen. Die Diskussion ist heute neu befeuert durch einen spektakulären Fund von genetisch aus dem Fruchtbaren Halbmond stammenden Einkorn am Bouldnor Cliff vor der Isle of Wight, das deutlich älter ist, als es die Ausbreitungsthese bislang vorsah.

Kühn 1954, 105

In der Tat kam es von Kleinasien und der Levante aus zu einem regen Kulturtransfer nach Mitteleuropa. Umstritten bleibt das Ausmaß. Die Ausbreitungsströme werden in der Wissenschaft verschieden dokumentiert. Herbert Kühn sah in Europa im 2. Jt. vier Kreise: den Mittelmeerkreis, den bandkeramischen Kreis (beides Ackerbau), den megalithischen Kreis im Norden und den kammkeramischen Kreis in Osteuropa. Die Balkan-Kultur bildete dabei ein Bindeglied von Süd- nach Nordeuropa.

Die nach den bandartigen Verzierungen benannte Keramik (Bandkeramik, manchmal auch Linearband, Spiralmäander) gab der ersten neolithischen Kultur Mitteleuropas ihren Namen. In ihrem Gefolge trat eine spezifische Hausform auf, ein Rechteckbau mit Pfostenreihen und Flechtwerkwänden, der weite Verbreitung fand. Im Jungneolithikum standen verschiedene Hausformen nebeneinander.

Seit der Entdeckung von Schichten eines »keramiklosen Neolithikums« in Jericho bereits um das 11. Jt. (John Garstang, später Kathleen Kenyon) unterscheidet man ein präkeramisches (prepottery Neolithic) von einem ab dem 8. Jt. anhebenden keramischen Neolithikum. Das sind Feinheiten der Frühgeschichte. Für unseren Zweck kann gelten, das Neolithikum mit der Keramik zu verbinden: »Sehr bald aber wird die Töpferkunst zum charakteristischen Merkmal aller jungsteinzeitlichen Kulturen.« Dabei ging es um die Gefäßkeramik. Keramische Idole gab es bereits in präkeramischer Zeit und im Paläolithikum. Das Speichern und Aufb ewahren ist das Kennzeichen einer Bauernkultur. Die andere Seite ist die Beschwörung der Fruchtbarkeit, wie sie die Venus-Figuren möglicherweise zum Ausdruck brachten. Daher setzte sich die Produktion von weiblichen Tonstatuetten im Neolithikum gehäuft fort. Sie sind deutlich vom Vorderen Orient abhängig. Der Vordere Orient sendet »mit der Bandkeramik Ströme durch das Donautal nach Mitteleuropa und auch auf ihnen verbreitet sich die Magna-Mater-Idee, das stilisierte Idol.«


17 Lady of Lempa aus dem Neolithikum (6000a); CMN

Mellink/Filip 1974, 96

Kühn 1954, 83

Gimbutas 1974

Wiederum wird das Donaubecken zum Einfallstor aus dem Nahen Osten nach Europa, diesmal für die Bauernkultur. Marija Gimbutas definierte dieses Gebiet mit den zahlreichen, meist nach den Fundorten benannten neolithischen Kulturen als »Altes Europa«. Es ist das »älteste Europa« in der Geschichte dieser häufig gebrauchten Metapher.

Die kleinformatigen neolithischen anthropo- und zoomorphen Figurinen aus Ton und Stein sind zum großen Teil in primitiver Manier stark schematisch gearbeitet. Aber es befinden sich auch eindrucksvoll ausgearbeitete Exemplare darunter.

Müller-Karpe 1968, 72–85

Eine Besonderheit war ein reiches Reservoir an Verzierung – in der Regel abstrakt-geometrische Formen. Anhand dieser Verzierungen und Bemalungen von Töpferware und Statuetten ließen sich die einzelnen neolithischen Keramikkulturen charakterisieren und unterscheiden.

cf. Überblick in Müller-Karpe 1968

Vor allem auf dem afrikanischen Kontinent traten im Neolithikum immer noch Felsgravierungen und -malereien auf.


18 Cairn von Barnenez. Zwei Anlagen mit insges. 12 Grabkammern (4500–3900); Bretagne

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