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Montag, 20. Juni 08 Uhr 31

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Erich hatte ihr einen mehr als üppigen Geburtstagsstrauß geschenkt. Lilien und zart duftende rot-orange-gelbe Tulpen. ›Feuertulpen‹ hatte Erich sie genannt. Eine traumhafte Kombination. Umso leichter war es ihr gefallen, die lachsfarbenen und gelben Rosen, die ihr der Landeshauptmann am Schiff überreicht hatte, übers Wochenende im Kühlschrank zu lagern, um sie halbwegs frisch zu halten. Heute schmückte sie mit den Rosen den Schreibtisch in ihrem Büro. Allerdings war es im Kühlschrank möglicherweise zu kalt gewesen. Die Rosen neigten bereits sanft die Köpfe. Spätestens am Mittwoch würde es mit ihrer Pracht und Herrlichkeit vorbei sein. Aber sich noch zwei Tage an schönen Rosen erfreuen zu können, war ja auch nicht zu verachten.

Vor ihr lag die Montag-Ausgabe des Niederösterreichischen Tagblatts, das natürlich eine ausführliche Reportage über die Sonnwendfeier des Herrn Landeshauptmanns brachte. Zwei Seiten. Garniert mit vielen Fotos. Davon eines besonders groß, das den Innenminister und den Landeshauptmann zeigte, die gerade dabei waren, ihr zum Geburtstag zu gratulieren. Doris Lenhart hielt sich nicht für besonders fotogen, auch wenn ihr Mann, seitdem sie ihn kannte, sich immer bemühte, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Aber selbst sie hielt dieses Foto für sehr gelungen. Und dann noch der Text! Stern am niederösterreichischen Polizeihimmel. Das hatte ganz sicher nicht ihr Chef dem Landeshauptmann souffliert. Sie stellte sich vor, dass auch Wolfgang Marbolt jetzt an seinem Schreibtisch saß und das Tagblatt las. Ganz sicher deutlich weniger entspannt als sie. Kurz überflog sie die in der Reportage angeführten Namen der Gäste. Fast alle Mitglieder der Landesregierung, mehrere Schauspieler, zwei Opernstars und ein weltbekannter Pianist. Den Namen ›Marbolt‹ fand sie nicht. Obwohl sie das Ehepaar, da war sie sicher, kurz vor dem Ablegen der MS Austria in Krems an Bord gesehen hatte. Diese Nicht-Erwähnung würde der Herr Landespolizeidirektor nur schwer verkraften.

Die Art, wie ihr Stellvertreter die Türklinke drückte, hätte sie unter hundert anderen Klinkendrückern erkannt. Nicht deswegen, weil er niemals anklopfte. Obwohl ihn das auch auszeichnete. Sondern weil er die Klinke nach dem Drücken einfach aus seiner Hand rutschen ließ, was stets ein unverwechselbares metallisches Schnalzen zur Folge hatte. Heute war es nicht anders. Allerdings kam er ihr, als er mit seinem im ganzen Büro berühmten Grinser im Gesicht hereinkam, irgendwie verändert vor.

Er winkte mit dem Niederösterreichischen Tagblatt.

Das entlockte auch ihrem Gesicht ein Grinsen und hinderte sie daran, weiter darüber nachzudenken, was heute an Gerhard Malzacher anders war.

»Ich war fast versucht anzuklopfen. Einem Stern am Himmel der niederösterreichischen Polizei würde das zustehen. Dann habe ich es aber doch bleiben lassen.«

»Und warum, wenn ich fragen darf?« Die Frage sollte streng klingen, aber sie wusste, dass sie ihr Gesicht Lügen strafen würde.

»Weil du dich sonst daran gewöhnen würdest.« Er kam drei Schritte näher – mehr hätte ihr kleines und enges Büro auch gar nicht zugelassen – und fläzte seine 120 Kilo in den vor ihrem Schreibtisch stehenden Sessel, ohne ihre Einladung dazu abzuwarten.

Sie fixierte seinen Bauch, was sie in ähnlichen Situationen schon Hunderte Male getan hatte. Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. »Wie lange bin ich jetzt deine Chefin?«

»Mindestens fünf Jahre.«

»Und in diesen fünf Jahren habe ich noch nie erlebt, dass dein unterster Hemdknopf über dem Bauch zugeknöpft gewesen wäre. Ist heute eine echte Premiere.«

Gerhard Malzacher, den im Büro alle wegen seiner Ähnlichkeit mit der Filmfigur Bud Spencer nur ›Spencer‹ nannten, beugte sich vor, um sein über dem Bauch straff gespanntes Hemd inspizieren zu können.

»Tatsächlich. Wahrscheinlich doch eine Verbeugung vor dem Stern am Polizeihimmel.«

»Wer’s glaubt, wird selig. Aber die Hauptsache ist, dass ich nicht deinen Bauchnabel anstarren muss.«

»Dem ich aber nur wegen dir regelmäßige Pflege angedeihen lasse.«

»Jetzt reicht’s aber, mein Freund. Hat es über das Wochenende etwas gegeben, das ich wissen müsste?«

»Abgesehen von einem Haufen Schlägereien, wie es bei Sonnwendfeiern leider üblich ist, mit insgesamt drei Schwerverletzten, nur einen Mordversuch in der Nähe von Gänserndorf. Messerattacke aus Eifersucht. Der Täter hat bereits gestanden. Und bei Weißenkirchen hat sich ein Kremser Kunsthändler bei einem Sturz über eine Weingarten-Mauer das Genick gebrochen. Steht auch im Tagblatt.« Er blätterte in seiner Ausgabe zur entsprechenden Seite und zeigte ihr die kurze Notiz. »Der Staatsanwalt hat vorsichtshalber eine Obduktion angeordnet, wie ich höre. Wird aber nichts herauskommen.«

Doris streckte sich in ihrem Sessel. »So ruhig wie jetzt ist es schon lang nicht gewesen.«

»Unsere potenziellen Mörder lesen eben alle das Niederösterreichische Tagblatt. Wollen sich nicht mit dem neuen Stern am Polizeihimmel anlegen.«

»Aber du, wie mir scheint. Du gehst mir jetzt besser aus den Augen.«

Spencer stand auf. Ziemlich schwerfällig, wie ihr vorkam. War aber bei seinem Gewicht nichts Neues. »Ich gehe schon. Und ich entsorge auch gleich die Rosen da auf deinem Schreibtisch. Sind ja nicht mehr zum Anschauen.« Er griff mit seiner Rechten nach den Blumen.

Bevor er sie an sich nehmen konnte, gab sie ihm einen Klaps auf die Finger. »Das wirst du schön bleiben lassen. Die halten noch mindestens zwei Tage. Seit wann interessierst du dich überhaupt für meine Blumen?«

Dürnsteiner Himmelfahrt

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