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Freitag, 24. Juni 14 Uhr 04

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Nach seinem Gespräch mit Frau Haberl in Krems, das ihm Doris aufgetragen hatte, war er wieder zurück in St. Pölten und steuerte von roter Ampel zu roter Ampel auf das Präsidium zu. Eilig hatte er es nicht. Heute spielte es keine Rolle, ob er ein paar Minuten früher oder später im Büro seiner Chefin erschien. Heute brauchte er ohnehin Zeit für sich, um sich zu sammeln. Ob sie die Sache mit Walpurga wohl jetzt ansprechen würde? Heute früh war er deswegen schon um halb acht ins Büro gekommen, um vor ihr da zu sein. Er wollte keine Zeit verlieren und ihre Fragen zu Walpurga sofort beantworten. Er hatte sich sogar ans Fenster gestellt, um ihre Ankunft nicht zu übersehen. Keine drei Minuten, nachdem sie ihren Wagen abgestellt hatte, war er wie immer unaufgefordert in ihr Büro gegangen. Er hatte fest damit gerechnet, dass sie entweder direkt oder zumindest indirekt auf seinen gestrigen Besuch beim Heurigen zu sprechen kommen würde, und war dann doch enttäuscht, dass sie es nicht tat. Sie hatte so getan, als sei gar nichts. Ohne sich lange mit Small Talk aufzuhalten, hatte sie ihn über ihr Gespräch mit dem Landeshauptmann informiert, verbunden mit der Bitte, sich noch im Lauf des Vormittags mit Frau Haberl in Verbindung zu setzen und wenn möglich gleich zu ihr nach Krems zu fahren. Zu diesem Gespräch hatte sie ihn genau instruiert und ihn auch gebeten, den Akt samt Obduktionsbericht noch einmal selbst genau zu studieren. Das hatte er selbstverständlich getan. Die Witwe hatte er um halb elf in ihrem Haus besucht und mit ihr ein ebenso langes wie intensives Gespräch geführt. Fast eine ganze Stunde lang. Da war er auch ganz konzentriert gewesen und hatte nicht an Walpurga gedacht. Erst auf der Rückfahrt waren die Gedanken an sie und an das Frühstück, das ihm am morgigen Samstag bevorstand, wiedergekommen. Er würde ausgiebig duschen und frische Semmeln mitbringen, so viel wusste er schon. Aber sonst wusste er nichts. Das machte ihn leicht nervös. Gerne hätte er seiner Nervosität in einem Gespräch mit Doris Luft gemacht. Schließlich hatte er sonst niemanden, mit dem er über solche Dinge reden konnte. Andererseits ging es da um höchst private Angelegenheiten, von denen seine Chefin vielleicht gar nichts wissen wollte. Daher wollte er die Sache mit Walpurga nicht von sich aus ansprechen. Früher oder später würde Doris schon auf den Busch klopfen, da war er sicher.

Bevor er ins Büro seiner Chefin ging, holte er sich noch einen Becher Kaffee. Er wusste überhaupt nicht, warum er ihn eigentlich trank. Ungenießbares Gesöff. Das sagte er sich schon seit Jahren. Vielleicht war es an der Zeit, auch entsprechend zu handeln. Kurzentschlossen ging er mit dem Becher aufs WC und schüttete dessen braunen Inhalt, der die Bezeichnung Kaffee gar nicht verdiente, ins Waschbecken.

Dann ging er zu Doris und erstattete Bericht. »Diese Frau Haberl ist eine ausgesprochen sympathische, aber auch resolute Frau, die sehr um ihren Mann zu trauern scheint. Nebenbei bemerkt muss der Kunsthandel eine Goldgrube sein. Die Dame wohnt in einem der schönsten Häuser, die ich je gesehen habe. Tolle Lage mit einem großartigen Blick über Krems. Mit dem Stift Göttweig genau gegenüber. Erstens einmal hält sie die Behauptung, dass der gestohlene Heilige aus Lindenholz viel mehr als zehntausend Euro wert sein soll, für einen ausgemachten Blödsinn. Gibt aber zu, von Antiquitäten wenig zu verstehen. Ihrer Überzeugung nach muss es einen triftigen Grund dafür gegeben haben, dass ihr Mann nach dem Einbruch wie ausgewechselt gewesen ist. Ihr habe er nichts vormachen können, obwohl er alles getan hat, um seine Nervosität zu verbergen. Deshalb hat er auch seine gewohnte Routine sowohl geschäftlich als auch privat beibehalten. Daher auch die Besichtigung von Weingärten am vergangenen Wochenende. Weil er in seiner Pension Weinhauer sein wollte. Sie hat außerdem gesagt, dass auch ein Mitarbeiter der Kunsthandlung die Veränderung im Wesen ihres Mannes bemerkt hat. Mit dem habe ich allerdings noch nicht gesprochen.«

Doris Lenhart, die einen Pappbecher mit der braunen Flüssigkeit vor sich stehen hatte, unterbrach ihn. »Also ist ein Selbstmord tatsächlich nicht auszuschließen. Die psychische Veränderung muss gar nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem Einbruch stehen. Vielleicht ist das nur ein zeitlicher Zufall und er hat geschäftliche Sorgen oder gesundheitliche Ängste gehabt. Jedenfalls sehe ich weiterhin absolut nichts, das auf einen Mord hindeutet.«

»Außer der Aussage der Ehefrau, dass es bestimmt kein Selbstmord gewesen sein kann«, gab er zu bedenken.

»Die aber gleichzeitig eine deutliche psychische Veränderung und Verunsicherung bei ihrem Mann bemerkt hat«, konterte seine Chefin.

Er nickte. »Ich bin ganz bei dir. Nur sollte ich noch erwähnen, dass unser spezieller Freund und Unglücksrabe Gruppeninspektor Frisch als Erster bei der Leiche im Weingarten gewesen ist. Er hat laut Frau Haberl auch von Selbstmord gefaselt.«

»Das ist ja interessant. Unser hochverehrter Herr Chef wird doch seine Weisheit nicht vom Frisch haben?«

»Zuzutrauen wäre es ihm zwar. Kann ich mir aber trotzdem nicht vorstellen. Der redet doch nicht mit einem kleinen Gruppeninspektor.«

Seine Chefin zog die Stirn in Falten. »Das mit dem Frisch hättest du mir besser nicht gesagt. Bis jetzt ist immer das exakte Gegenteil von dem eingetroffen, was er behauptet hat.«

Dürnsteiner Himmelfahrt

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