Читать книгу Dürnsteiner Himmelfahrt - Bernhard Görg - Страница 20
Donnerstag, 23. Juni 19 Uhr 14
ОглавлениеNach dem Heurigenbesuch hatten Walpurga und er noch einen ausgedehnten Verdauungsspaziergang durch die Weinberge gemacht. Er konnte sich nicht erinnern, sich je mit einer Frau so lange und so gut unterhalten zu haben. Dabei war die Zeit wie im Nu verflogen. Aber je mehr es gegen Abend ging, desto unruhiger wurde er. Denn das hier wurde ernst. Viel schneller, als er erwartet hatte. Auf dem Weg zurück zum Wagen hatte sie sich bei ihm eingehängt. Das war ihm sehr angenehm, aber gleichzeitig war er etwas überrumpelt. Er wusste nicht, wie der Abend noch enden würde. Als sie dann zum Auto kamen, war aus der Unruhe bereits ein mulmiges Gefühl geworden.
Vor der Abfahrt aus St. Pölten hatte er vorsichtshalber das kleine, graue Wollknäuel aus seinem Nabel herausgefischt, das sich dort alle paar Tage bildete. Ohne dass er eine Ahnung hatte, woher es kam. Da war er sich noch wie ein junger Draufgänger vorgekommen. Bereit, seine Flamme im Sturm zu erobern.
Auf der Rückfahrt hingegen war er gar nicht mehr in Draufgänger-Stimmung; im Vergleich zum Nachmittag ziemlich wortkarg. Als sie ihm dann kurz vor St. Pölten ihre Adresse nannte, bekam er einen richtigen Bammel. Fieberhaft dachte er darüber nach, wie er dem offensichtlich Unvermeidlichen doch noch entgehen konnte. Zwar hatte er sich beim Trinken zurückgehalten. Aber fit fühlte er sich keineswegs. Der Abend würde in einer Blamage für ihn enden. Ein Königreich für einen Anruf seiner Chefin, mit dem sie ihn dringend aufforderte, sofort noch einmal ins Büro zu kommen. Leider kam kein Anruf.
Noch fünfhundert Meter bis zu ihrer Wohnung. Spencer verlangsamte die Geschwindigkeit fast bis zum Schritttempo. Hinter ihm hupte jemand. Der Chefinspektor verspürte gute Lust anzuhalten und den Drängler zur Rede zu stellen. Um sich dabei so in Rage zu reden, dass auch die liebestollste Frau Verständnis dafür haben würde, dass heute nichts mehr ging. Er verwarf den Gedanken aber gleich wieder und mahnte sich zur Gelassenheit. Irgendwann würde dieser entscheidende Moment so oder so kommen. Noch vierhundert Meter. Noch dreihundert. Noch zweihundert. Er tat so, als ob er die Parklücke hundertfünfzig Meter vor dem Ziel übersehen hätte. Er hätte sich aber lächerlich gemacht, wenn er die nächste, zweihundert Meter dahinter, wieder nicht bemerkt hätte. Jetzt musste er wenigstens ein perfektes Einpark-Manöver hinkriegen. Aber auch das misslang.
Da spürte er ihre Hand auf seinem Oberschenkel. »Du brauchst gar nicht einzuparken. Ich kann gleich hier rausspringen. Es war ein großartiger Nachmittag. Danke.« Sie küsste ihn auf die Wange. »Wenn du willst, kannst du übermorgen zum Frühstück vorbeikommen. Morgen geht es leider nicht.«
Spencer hoffte inständig, dass sie seine Erleichterung nicht mitbekam. Stattdessen mimte er verständnisvolle Enttäuschung. »Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Zum Frühstück komm ich gern. Wann ist es dir denn recht?«