Читать книгу Die Römische Republik von den Gracchen bis Sulla - Bernhard Linke - Страница 13
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ОглавлениеDie römischen Bundesgenossen In der ersten Phase ihrer Expansion (bis 227 v. Chr.) verzichteten die Römer auf eine direkte Beherrschung der besiegten Gegner. Stattdessen wurden die Gemeinwesen Süd- und Mittelitaliens – zumeist nach Abtretung von Land – durch vertragliche Bindungen zu Bundesgenossen (socii) der Römer. Dabei behielten sie eine weitgehende politische Autonomie. Ihre inneren Angelegenheiten konnten sie eigenständig regeln und auch ihre kulturellen Traditionen, wie Sprache, Rechtssystem und politische Institutionen, wurden nicht angetastet. Nur in der Außenpolitik verloren sie ihre Selbständigkeit. Die Bundesgenossen durften untereinander keine Bündnisverträge schließen und waren verpflichtet, den Römern im Kriegsfall Truppen zu stellen. Kulturell und politisch bildeten die Bundesgenossen eine äußerst heterogene Gruppe, die bis zum ausgehenden 2. Jahrhundert v. Chr. keine gemeinsamen Interessen besaß. Formal gehörten auch die eigenständigen Wehrsiedlungen, die die Römer selber gegründet hatten (coloniae latinae) zu den Bundesgenossen. Durch die engen Bindungen an Rom nahmen diese Wehrsiedlungen jedoch eine besondere Position unter den socii ein.
Jenseits der eigenen Verluste war für die Römer aber auch schmerzlich gewesen, dass Teile der Bundesgenossen auf die Seite von Hannibal gewechselt hatten. Insbesondere der ‚Verrat‘ der Stadt Capua, eines der ältesten und engsten Bundesgenossen Roms, traf die Römer empfindlich. Mit Capua zusammen liefen viele Gemeinwesen in Süditalien zu den Karthagern über. Hier wurden Risse in dem von Rom aufgebauten Bundesgenossensystem deutlich, die zeigten, dass Italien auch nach der Etablierung der Oberhoheit der Römer keineswegs ein homogener Block geworden war, sondern eine sehr heterogene politische Landschaft blieb, in der die einzelnen Gemeinwesen vielfach ihre eigenen Ziele verfolgten und die Unterordnung unter die römische Herrschaft noch nicht akzeptiert hatten.
Wehrsiedlungen
Die betreffenden Gemeinwesen wurden von den Römern nach dem Ende des Zweiten Punischen Krieges hart bestraft. Vor allem mussten sie große Teile ihres Territoriums an die Römer abtreten, die diese Gebiete als ager publicus, als römisches Staatsland, nutzten. Das Misstrauen der Römer gegenüber den untreu gewordenen Bundesgenossen aber blieb, zumal deren erzwungene Loyalität durch den erheblichen Umfang des Gebietsverlustes nicht gerade gestärkt worden sein dürfte. Aus dieser Konstellation erklärt sich, dass die Römer in diesen Gebieten wieder Wehrsiedlungen, coloniae, gründeten, wie sie es schon früher einmal gemacht hatten. Die Wehrsiedlungen hatten aus römischer Sicht eine doppelte Funktion. Einerseits dienten sie der Überwachung unsicherer Gebiete. Ihre Einwohner waren verpflichtet, im Umfeld ihrer Siedlung die römische Herrschaft sicherzustellen. Bei Problemfällen oder militärischen Konflikten konnten die Römer auf diese Weise in besonders gefährdeten Gebieten auf flexibel agierende Truppenverbände zurückgreifen, die zudem als Bewohner der Region mit dem Terrain bestens vertraut waren. Die Anlage derartiger Wehrsiedlungen hatte keinen geringen Anteil an den militärischen Erfolgen gehabt, die zur Etablierung der römischen Herrschaft über ganz Italien geführt hatten.
Neben der Sicherung des Herrschaftsbereiches hatten die Kolonien aber auch einen nicht unwesentlichen innenpolitischen Entlastungseffekt. Da die Neusiedler bei der Gründung von Kolonien Land erhielten und auch Hilfen für die Überbrückung der schwierigen Anfangsphase, war es für besitzlose römische Bürger nicht unattraktiv, sich in die Listen der Neusiedler eintragen zu lassen. Schon im ausgehenden vierten Jahrhundert v. Chr. hatten die Römer auf diese Weise die Sicherung ihrer Expansion in Italien ausgesprochen vorteilhaft mit der Lösung sozialer Probleme im Inneren verbunden. Diese Koppelung von außenpolitischem Erfolg und Entschärfung innenpolitischen Konfliktpotentials war eine wichtige Komponente für die soziale Stabilität der Republik gewesen.
Folgen des langen Wehrdienstes
Nach dem Zweiten Punischen Krieg gab es zwar keine ausgeprägten innenpolitischen Konflikte, die das römische Volk geteilt hätten, im Gegenteil, der tiefe Eindruck des gemeinsamen Sieges hatte die Geschlossenheit gefördert. Doch der lange Krieg war an großen Teilen der römischen Bevölkerung auch ökonomisch nicht spurlos vorübergegangen. Insbesondere für die kleinen Bauern, die sich keine abhängigen Arbeitskräfte leisten konnten, waren die Folgen des langen Wehrdienstes äußerst hart. Bei den langwierigen Kämpfen in den entfernteren Kriegsgebieten, wie Spanien, war es nicht mehr möglich, jedes Jahr rechtzeitig zur Ernte wieder nach Hause zurückzukehren. Besaß man in diesem Fall keine Kinder, die schon in der Lage waren, auf dem Feld mitzuhelfen, oder Freunde, die für den Abwesenden einsprangen, konnte angesichts der geringen Produktivität in der Landwirtschaft nach relativ kurzer Zeit die soziale Existenz ernsthaft bedroht sein. Diese negativen Effekte wurden durch die lange Kriegsführung in Italien während des Zweiten Punischen Krieges und durch die mit ihr verbundenen negativen Auswirkungen, wie zum Beispiel Verwüstungen und Plünderungen, verstärkt.
So hatten die Römer zwar den Krieg gegen Karthago am Ende glorreich gewonnen, doch ein nicht unerheblicher Teil der römischen Bevölkerung befand sich in einer prekären sozialen Situation. Diesen Problemen konnte durch die Ansiedlung von Bürgern in Kolonien abgeholfen werden. Zunächst wurden vor allem im Süden eine beträchtliche Anzahl von Kolonien neu angelegt beziehungsweise alte Kolonien aufgefüllt, dann aber zunehmend im Norden Italiens, wo sie der Sicherung des römischen Territoriums gegen die in der Poebene siedelnden Gallierstämme dienten, die den Römern in der Regel feindselig gegenüberstanden. Allein die überlieferten Quellen, die jedoch lückenhaft sind, geben uns Auskunft über mehr als 23.000 Siedlerfamilien, die in den Neugründungen Platz fanden. Darüber hinaus erhielten Veteranen unmittelbar nach Kriegsende in erheblicher Zahl als Einzelbauern Landzuweisungen in Samnium und Apulien. Diesen Siedlern dürfte der Anteil an der Beute nicht unwesentlich bei der Bewältigung der ersten schwierigen Jahre nach der Existenzneugründung geholfen haben. So wurden beträchtliche Anstrengungen unternommen, um die Verluste, die im Krieg entstanden waren, auszugleichen und gleichzeitig die Herrschaftsstrukturen Roms in Italien zu festigen. Vor diesem Hintergrund wird von Klaus Bringmann sogar die Auffassung vertreten, die Ansiedlungsvorhaben seien in den siebziger Jahren des zweiten Jahrhunderts v. Chr. nicht aus Landmangel, sondern aus Personalknappheit eingestellt worden. Die zur Ansiedlung bereite Bevölkerung wäre also vollkommen versorgt gewesen.
Ager publicus
Ob Bringmann mit dieser pointierten Einschätzung nicht zu weit geht, ist schwer zu klären. Fest steht jedenfalls, dass im Jahr 177 v. Chr. mit Luna die letzte Kolonie bis zur Zeit der Gracchen gegründet wurde. Die verbleibenden großen Territorien, die nicht zur Ansiedlung von Kolonien genutzt wurden, behielten den Status des ager publicus, öffentlichen Landes, das jeder Römer, der wollte, landwirtschaftlich nutzen konnte, solange vom Staat aus nicht anderweitig darüber verfügt wurde. Als Anerkennung des Eigentumsrechts der gesamten res publica an dem betreffenden Land waren die Nutzer verpflichtet, eine Pacht (vectigal) an die Staatskasse zu zahlen, deren Höhe aber eher symbolischer Natur war. Die Gebiete, die diesen Status besaßen, lagen vor allem im Süden Italiens.
Obwohl die Landokkupation rechtlich jedem Römer freistand, waren es in der Realität primär die Reicheren, die diese Möglichkeit nutzten. Diejenigen, die wenig besaßen und bereit waren, sich außerhalb der alten Heimat eine neue Existenz aufzubauen, wählten zumeist den Weg der Eintragung in die Siedlerlisten von Kolonien. Dort wurde ihnen über die Anfangsschwierigkeiten hinweggeholfen, und sie lebten in der neuen Heimat in der Sicherheit einer sozialen Gemeinschaft. Daher wurde der frei gebliebene ager publicus primär von Römern in Anspruch genommen, die schon an verschiedenen Standorten über landwirtschaftlichen Besitz verfügten und diesen durch die Anlage weiterer Betriebe vergrößern wollten. Die zunehmende Diversifizierung und Spezialisierung in der Landwirtschaft kam dieser Tendenz entgegen. So wurde auf den neuen Böden oft Oliven-, Obst- oder Weinanbau betrieben, der zwar hohe Renditen versprach, aber auch mit beträchtlichen Anfangsinvestitionen verbunden war. Hierbei entstanden zunächst nicht – wie die ältere Forschung oft annahm – riesige Großbesitzungen (latifundia), sondern mittelgroße Betriebe, die die Römer als villae bezeichneten und deren Größe zwischen 20 und 100 Hektar lag. Die Konzentration der Landflächen in Latifundien ist höchstwahrscheinlich erst Resultat der Entwicklung im ersten Jahrhundert v. Chr. Das heißt jedoch nicht, dass auch die Zahl der Eigentümer entsprechend hoch gewesen sein muss. Die Angehörigen der römischen Oberschicht besaßen in der Regel mehrere villae und nutzten darüber hinaus den ager publicus dazu, Viehherden unter der Aufsicht von Sklaven, zumeist in Gruppen von 10 bis 12 Mann, weiden zu lassen; dabei konnte die Weite des Territoriums für einen Wechsel von Winter- und Sommerweiden dienen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich zu Beginn des zweiten Jahrhunderts v. Chr. die Ansiedlung von Kleinbauern in den Koloniegründungen konzentrierte, während die reicheren Römer den verbleibenden ager publicus weitgehend besetzen konnten.
So vorteilhaft die Expansion zweifellos für große Teile der römischen Bevölkerung war, ergaben sich doch aus dem rasanten außenpolitischen Aufstieg langfristige Folgen für das Gemeinwesen, die die Strukturen der res publica allmählich verändern sollten. Diese Entwicklungen trafen insbesondere die Fundamente des politischen Lebens in Rom. Schon im Laufe des zweiten Jahrhunderts v. Chr. wurde deutlich, dass die Verwaltung eines Großreiches nicht unerhebliche Rückwirkungen auf das politische Zentrum hatte. Der Erfolg veränderte die Lebenswelt der Sieger, auch wenn diese den grundlegenden Wandel selbst oft nicht wahrnahmen bzw. seine Auswirkungen auf kurzfristige Ursachen oder individuelles Fehlverhalten einzelner Mitglieder der Gesellschaft zurückführten. Die politischen Bedingungen im Rom des Jahres 140 v. Chr. unterschieden sich nicht unwesentlich von denen am Ende des Zweiten Punischen Krieges (201 v. Chr.).
Geldzufluss
Einen wichtigen Faktor in dieser Entwicklung stellte der Zufluss riesiger Mengen von Vermögenswerten, insbesondere in Form von Edelmetall, dar, die als Beute nach Rom kamen. Schon unter den Zwängen der Kriegswirtschaft hatte Rom im Zweiten Punischen Krieg mit der Einführung des Denar eine grundlegende Münzreform durchgeführt. Durch die ungeheuren Mengen an Edelmetall, die den Römern in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts zur Verfügung standen, stieg dieses Münzgeld nun zur beherrschenden Währungseinheit im ganzen Mittelmeerraum auf.
Der enorme Anstieg der Geldmenge in den Kreisläufen des römischen Wirtschaftslebens dynamisierte die gesamte gesellschaftliche Ordnung. Zum einen waren die Besitzer der neuen Vermögen bestrebt, ihren Wohlstand durch die Investition in Landbesitz dauerhaft abzusichern. Neben der Stetigkeit der zu erwartenden Erträge und der Sicherheit der Anlageform selbst spielte dabei auch das höhere Prestige des Landbesitzes gegenüber rein monetären Vermögensformen eine wesentliche Rolle. Durch den Erwerb von Landgütern erhielt der neue Eigentümer auch eine einflussreiche Stellung im jeweiligen regionalen Umfeld. Zudem konnte er oft neue nachbarschaftliche Kontakte zu anderen Angehörigen der wohlhabenden Schicht knüpfen, die in der Nähe ebenfalls über Besitzungen verfügten. Durch Landbesitz erweiterte sich also das Spektrum der eigenen sozialen Beziehungen beachtlich.
Geldvermögen allein verliehen noch keinen hohen sozialen Status. Dies galt vor allem für die römische Oberschicht, die Nobilität, die sich durch die Ausübung der höchsten Staatsämter definierte und eine gemeinsame Leistungsethik entwickelt hatte, die auf das Wohlergehen des gesamten Gemeinwesens ausgerichtet war. Für die nobiles erhielt das Geld seine hohe Bedeutung primär durch den Einsatz im Rahmen der gesellschaftlichen Ordnung, durch den die Stellung der eigenen Familie in der sozialen Hierarchie gesichert wurde. Daher war für sie nicht die Anhäufung großer monetärer Vermögen das vorrangige Ziel, sondern deren ‚soziale Aktivierung‘ durch den Einsatz im öffentlichen Leben.