Читать книгу Die Römische Republik von den Gracchen bis Sulla - Bernhard Linke - Страница 16
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ОглавлениеProvincia bezeichnet im Lateinischen eigentlich den speziellen Aufgabenbereich eines Magistrats während seines Amtsjahres, wie zum Beispiel die Übernahme eines Kriegsschauplatzes oder die Bekämpfung von Räuberbanden in einer Region. 227 v. Chr. hatte man beschlossen, Sardinien und große Teile Siziliens nicht als autonome Regionen in das Bundesgenossensystem zu integrieren, sondern sie durch Beamte verwalten zu lassen und die Bevölkerung zur Zahlung von Steuern zu verpflichten. So richtete man zwei neue Stellen von Oberbeamten (Prätoren) ein, deren provincia die Sicherung der römischen Herrschaft in diesen Territorien war. 197 v. Chr. kamen dann die spanischen Gebiete hinzu, die man von den Karthagern nach dem Zweiten Punischen Krieg übernommen hatte, und 146 v. Chr. das Gebiet des nun zerstörten Karthago in Nordafrika und Gebiete in Griechenland, die man nach Aufständen der direkten römischen Verwaltung unterstellte.
Provinzen
Diese Dynamisierung der politischen Sphäre wurde durch die Folgen einer grundlegenden Entscheidung aus dem dritten Jahrhundert wesentlich unterstützt: die Einrichtung von Provinzen, die die Römer direkt beherrschten und deren Bewohner steuerpflichtig waren. Das Steueraufkommen zogen aber nicht die römischen Beamten und ihr Stab ein, sondern man überließ dies Privatpersonen, die dem Staat die veranschlagten Steuereinnahmen vorschossen und dafür das Recht erhielten, eigenständig Abgaben in den jeweiligen Gebieten einzutreiben. Diese Pächter öffentlicher Einnahmen, die publicani (von publicus = ‚öffentlich‘), gaben sich natürlich nicht mit der Eintreibung einer gleich hohen Summe zufrieden, sondern waren bestrebt, möglichst höhere Einnahmen und somit einen beachtlichen Profit zu erzielen. Aus diesem Interesse gingen sie zumeist äußerst rigoros bei der Eintreibung der Steuern vor. Bei den daraus entstehenden Konflikten zwischen publicani und Provinzbevölkerung kam dem jeweiligen Statthalter die entscheidende Position zu. War er bereit, sich für die Belange der publicani einzusetzen und ihnen auch den notwendigen militärischen Schutz bei der Durchsetzung ihrer Interessen zu gewähren, konnte er auf einen nicht unerheblichen Anteil an dem gesammelten Steueraufkommen rechnen. Darüber hinaus gab die fast absolute Machtstellung der Statthalter den Inhabern dieser Funktionen noch andere vielfältige Möglichkeiten, sich auf Kosten der Provinzbevölkerung zu bereichern. Die Grenzen dabei wurden eher durch die eigenen Skrupel als durch äußere Normen gesetzt. Erst 149 v. Chr. etablierten die Römer im politischen Zentrum einen ständigen Gerichtshof zur Aburteilung von Missbräuchen. Dabei ging es allerdings vor allem um die Belange von römischen Bürgern in den Provinzen, und zudem blieben die Strafen zunächst sehr moderat. Die Statthalter mussten lediglich die zu Unrecht eingezogenen Gelder wieder erstatten. Da auf der Geschworenenbank nur Senatoren, also Standesgenossen, saßen, hielt sich das Risiko, verurteilt zu werden, zudem in engen Grenzen.
Von dieser Konstellation der Amtsausübung in den Provinzen und der Kontrolle im politischen Zentrum des Staates profitierten vor allem die Statthalter, die eng mit den Steuerpächtern zusammenarbeiteten. Auf Kosten der Provinzbevölkerung, die einer zunehmend rigiden Ausbeutung unterlag, verlor die magistratische Tätigkeit außerhalb Roms faktisch den Charakter der Ehrenamtlichkeit. Die Bereicherung durch eine Amtstätigkeit in den Randzonen des Reiches bekam eine steigende Bedeutung, zumal der Aufwand für eine politische Karriere im Zentrum parallel dazu immer stärker anwuchs.
Größer und verlockender als die Einnahmen aus der Tätigkeit eines Statthalters blieben jedoch die Bereicherungschancen als Kommandeur im Rahmen eines Feldzuges. Dazu kam, dass die militärischen Aktionen nicht nur materielle Vorteile versprachen, sondern auch das Prestige des Feldherrn vergrößern konnten. Insbesondere für die Beamten, die an den Randgebieten des römischen Herrschaftsbereiches eingesetzt waren, hatte die Sorge, aus dem Blickfeld der öffentlichen Wahrnehmung zu geraten, ein erhebliches Gewicht. Wenn man weit entfernt vom Zentrum agierte und im Winter oft über Monate von der Kommunikation mit der Heimat abgeschnitten war, war es wichtig, dass sich die Rückkehr nicht unauffällig und unbeachtet vollzog. Ein größerer militärischer Erfolg, für den von Senat und Volk das Recht auf einen Triumphzug verliehen wurde, stellte die beste Lösung für dieses Problem dar. Der triumphale Einzug in die Stadt war die ideale Präsentation der Leistungen, die man in der Ferne für das römische Gemeinwesen erbracht hatte.
Je größer das römische Herrschaftsgebiet wurde, um so intensiver wurde die Tätigkeit der hohen Beamten in den Provinzen durch die Aspekte des militärischen Erfolges, des materiellen Gewinns und einer möglichst pompösen Inszenierung der eigenen Rückkehr in den politischen Raum geprägt. Da alle drei Faktoren sich vor allem durch einen siegreichen Krieg bündeln ließen, kam es zu einer entsprechenden Politik insbesondere an den Randgebieten. Der Ausbruch militärischer Konflikte war den Kommandeuren vor Ort oft willkommen. Vielfältige Fälle von Dissonanzen zwischen den Befehlshabern und dem Senat zeigen die großen Schwierigkeiten, die das erlauchte Gremium im fernen Rom angesichts der schwierigen Kommunikationsverbindungen hatte, die eigenen Feldherren zu kontrollieren und die Lage vor Ort richtig einzuschätzen. Zum größeren Teil beruhte die römische Expansion so auf den persönlichen Interessen der einzelnen Befehlshaber und weniger auf einer umfassenden Strategie der führenden politischen Gremien.
Grenzen der Expansion
Nicht immer war die expansive Außenpolitik der Römer aber erfolgreich. Schon in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts wurde dies deutlich. Nachdem sich die Euphorie über die atemberaubenden Siege gegen die hellenistischen Mächte etwas gelegt hatte, rückten die großen Probleme der Römer insbesondere auf den spanischen Kriegsschauplätzen ins Blickfeld. Dort kämpften über Jahrzehnte römische Truppenverbände unter großen Verlusten gegen den hartnäckigen Widerstand der lusitanischen und keltiberischen Bevölkerung im westlichen und nördlichen Spanien, die eine Eingliederung in das römische Reich unter keinen Umständen akzeptieren wollte. Dass sich die Römer in Spanien nicht mit den von Karthago übernommenen östlichen Regionen an der Mittelmeerküste zufrieden gaben, war auch dem Profilierungsdrang und dem Gewinnstreben der Feldherren zuzuschreiben.
Diejenigen, die den eigentlichen Preis für diese expansive Politik zu zahlen hatten, waren die einfachen römischen Bürger und die Bundesgenossen, die in den Heeren Dienst taten. Die hohen Verluste, die lange Dienstdauer, die sich aus der weiten Entfernung zum Kriegsschauplatz ergab, und die relativ geringe Aussicht auf Beute führten zu Belastungen, die selbst für die geduldigen Römer zu viel waren. So kam es im Jahre 151 v. Chr. zum ersten Mal zu Kriegsdienstverweigerungen, als neue Truppen für Spanien ausgehoben werden sollten. Auch wenn diese Verweigerungshaltung nicht dauerhaft wurde, zeigt sie doch, dass es eine wachsende Unzufriedenheit darüber gab, dass der Wehrdienst auf ‚unattraktiven Kriegsschauplätzen‘ für breitere Schichten zu einer überproportionalen Belastung geworden war. Die Zielsetzung der Angehörigen der Oberschicht, die als Kommandeure die militärische Profilierung suchten, und der Motivationshorizont der breiten Mittelschicht, die die Soldaten stellte, drohten auseinander zu driften.