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SEHR WAAGE ANGABEN

Die Blickdiagnostik ist gut genug. Man sieht, ob jemand dick ist oder nicht – zumindest bei den anderen. Zur Selbstdiagnose stellen Sie sich unverbindlich vor einen großen Spiegel. Wenn das nicht ausreicht, ziehen Sie sich nackt aus. Wenn das nicht ausreicht, bewegen Sie sich und hüpfen herum.

Was Sie im Spiegel nicht sehen, ist, ob Sie von Ihrem Übergewicht einen Herzinfarkt bekommen oder nicht. Dazu brauchen Sie eine Zusatzinformation: Wie man das Fett am besten verteilt, damit es richtig ungesund ist.

Bauchfett – der hormonelle Sprengstoffgürtel

Fast ein ganzes Leben haben wir mit der Leibesmitte zu kämpfen. In diesem Fall mit dem Leib über der Mitte. Also dem Bauch. Ein interessanter Körperteil, der sich im Laufe eines Erwachsenenlebens immer wieder bildet, zurückbildet, wieder bildet und schließlich unabänderlich weiterbildet. Und obwohl wir wissen, dass ein Mann ohne Bauch wie ein Himmel ohne Sterne ist, sind viele damit nicht zufrieden und hätten lieber ein Sixpack an dieser Stelle.


Zum Trost sei gesagt, dass jeder Mensch ein Sixpack besitzt. Nur eben darunter.

Ronny Tekal

Das sagenumwobene Sixpack ist nichts anderes als der Musculus rectus abdominis. Das ist kein Ostersegen des Papstes, sondern der gerade Bauchmuskel, der mit seinen Muskelbäuchen diese »Coca-Cola-light-oben-ohne-Mann«-Figur formt. Auch wenn wir wissen, dass Light-Produkte paradoxerweise eher dafür sorgen, dass man den Muskel nicht mehr sieht.


Von Äpfeln und Birnen

Nun sagt man Männern, dass dieser wunderbare Himmel mit Sternen ungesund sei. Dass vor allem der ballonartige Zustand um den Nabel ein Risiko darstellt, also die sogenannte Apfelform, quasi der Onepack. Dabei sollte doch »An apple a day keeps the doctor away« gelten.

Die Frauen haben mit ihrer Birnenform zumeist die gesündere Fettverteilung um die Hüften, sind damit aber weitaus unglücklicher als die Männer, die ihre Bierbäuche wie eine Trophäe stolz am Kühlergrill ihres Körpers tragen.

Die Erkenntnisse der Genderforschung sind für die Damen aber kein Freibrief: Denn auch bei der Frau könnte ein Bauchfett in männlicher Apfelmanier auf einen Hormonmangel hindeuten. Dies fällt vielen Damen in der Menopause auf den Kopf oder besser gesagt auf den Bauch. Denn die Kombination aus vielleicht nicht mehr ganz so viel Bewegung, Östrogenmangel und dem kleinen Verdauungsschnaps dreimal täglich kann sich fatal auswirken. Ungesund ist dabei nicht nur das Übergewicht durch die zusätzlichen Kilos, sondern eine perfide Eigenschaft dieses Bauchfetts: Es produziert Hormone. Und nicht die gesündesten, so viel sei gesagt.

Insofern sollten die Weight Watchers ihr Augenmerk vielleicht weniger auf das Gewicht, sondern mehr auf den Leibesumfang richten (Waist Watchers).


Apfelmännchen und Birnenweibchen

Die Fettverteilung ist also bei den Geschlechtern unterschiedlich: Frauen haben meist ein Birnenverteilungsmuster – da sitzt das Fett meistens an den Hüften. Rufen Sie Ihren Hormonen ein herzliches »Vergelt’s Gott!« zu. Denn das ist die bessere Variante.

Typisch für die Männer und ideal für den frühen Herzinfarkt: Der Bauchumfang ist größer als der Hüftumfang. Apfelförmige Fettsucht heißt das. Das ist das männertypische Verteilungsmuster und fällt auf der Waage gar nicht dramatisch auf: Ist der Bauch kombiniert mit dünnen Ärmchen und dünnen Beinchen, wo man ein wenig aussieht wie ein Käfer, dann gleicht sich das auf der Waage aus.

Das einzige Problem, das Apfelmänner haben: Es ist gar nicht so leicht, einem Apfel eine Hose anzuziehen! Um dieses Problem zu lösen, haben in früheren Zeiten unsere Väter und Großväter noch die klassische Opa-Variante bevorzugt, also den Bund über der Wölbung. Heute wählen die meisten die Abiturmethode: Sie bleiben bei der Hosengröße, die sie mit 18 Jahren gehabt haben, und gehen mit dem Bund Jahr für Jahr einen Zentimeter runter. Da merken sie 15 Kilo lang nicht, dass sie eine neue Hose bräuchten.


Ärzte, Apotheker und die Pharmaindustrie hätten natürlich lieber die Gürtelmethode. Man nimmt einen stabilen Gürtel und teilt damit den Bauch. Da kommt unten ein kleiner Bauch raus und oben ein größerer. Das ist besonders lukrativ für die Pharmaindustrie, denn wenn man so jemandem den Gürtel vorsichtig aufmacht, sinkt der Blutdruck systolisch um 15 mmHg. So müssen die eingequetschten übergewichtigen Hochdruckpatienten jeden Tag eine Blutdrucktablette mehr einwerfen und werden ein klein wenig impotenter, nur damit sie wie eine Knackwurst herumrennen können.


Die Waage austricksen

Waagen sind einfältige Dinger und denken, man sagt ihnen die Wahrheit, nur weil man auf sie steht. Tatsächlich sind Personen überaus erfinderisch, wenn es darum geht, sich ein wenig leichter zu machen.

Zwar hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass es nur wenig Sinn hat, auf einem Bein zu balancieren. Doch es ist klar, dass man erst dann zur Abwaage schreitet, wenn der Körper auch optimal darauf vorbereitet ist: nach erledigtem Toilettengang, möglichst auch im Anschluss an einen Saunabesuch und nach dem Geschlechtsverkehr (zwei Löffel Körperflüssigkeit, aber man probiert’s). Ohne Ohrenschmuck und Kontaktlinsen, mit frisch gestutztem Haar, rasierten Beinen und geschnittenen Zehennägeln. Ausatmen hat wenig Sinn, das Inhalieren von Helium könnte jedoch ein paar Milligramm weniger auf die Waage bringen. Vor drakonischen Maßnahmen wie Abführmittel, Entwässerungstabletten oder der Amputation einer Gliedmaße sei hier ausdrücklich gewarnt. Wer viel Kleingeld auf der Seite hat, kann mit seiner Lieblingswaage im Gepäck eine Reise zum Mond buchen. Dort wird man feststellen, dass man plötzlich nur mehr 15 Kilo wiegt. Dieser Anblick muss einem die Reise wert sein und es ist zu vermuten, dass die überwältigenden Gefühle der Astronauten auf dem Mond weniger dem Blick auf die Erde als vielmehr dem Blick auf die Waage zu verdanken waren.

DIÄTWAHNSINN-TIPP

Erarbeiten Sie Strategien, sich selbst zu beschummeln. Vergessen Sie dabei aber nicht Ihr schlechtes Gewissen!


Maßband statt Waage

In den Ordinationen hat das Maßband die Waage als gefürchtetes diagnostisches Instrument abgelöst: Das Band um die Körpermitte gelegt und dabei nicht durch Baucheinziehen gemogelt, lässt dem Arzt ein sorgenvolles »Na ja!« über die Lippen kommen. »Na ja« soll bitte was heißen? Dass der Doktor weder mit dem abgelesenen Wert zufrieden ist noch mit diesem völlig unspektakulären, ja geradezu lächerlich anmutenden Instrument, das eines Mediziners nicht würdig ist, sondern eher bei Schneidern um den Hals baumelt? Wenn er etwas auf sich hält, wird er Sie zu einer Dual-Photonen-Absorptionsmessung schicken. Das schaut nach was aus und auch an den Kosten sieht man, dass sich Ihr Arzt nicht mit Kinderkram zufriedengibt.

Und dennoch gibt es eine Renaissance dieses einfachen Messapparates. Das auf diese Weise gemessene »viszerale Fett«, das sich im Bauchraum auch zwischen den Gedärmen findet, ist eine Energiereserve, die Ihnen bei Bedarf rasch zur Verfügung steht. Vorteil: Es ist zumeist das erste Fett, das weggeht. Nachteil: Es ist das erste Fett, das sich anlegt.

Unterm Strich: Übergewichtige gehören zu den bestgewogenen Menschen mit der meisten Diäterfahrung. Was sagt uns das? Waagen und Diäten scheinen unsere besten Verbündeten im Streben um den Diätwahnsinn zu sein.

DIÄTWAHNSINN-TIPP

Machen Sie vermehrt Gebrauch von Ihrer Waage und messen Sie im Minutentakt!


Unterschiedliche Figurtypen

Die innere Waage

Jeder von uns hat auch ein eingebautes Tool zur Überprüfung des Gewichts, quasi eine innere Waage. Ähnlich wie das Freud’sche Über-Ich repräsentiert sie die verinnerlichten gesellschaftlichen Ideale als Maß aller Dinge – und damit auch als eigenen Maßstab.

Die typische mitteleuropäische innere Waage zeigt meist nur ein Gewicht an: »Ich bin zu dick.« Natürlich gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. Während die Männer den Ball flach halten, da es ihnen genügt, wenn sie an ihrem Bauch vorbei auf die Anzeige einer Badezimmerwaage blicken können, überschätzen Frauen ihr Gewicht und die Wirkung von ein paar zusätzlichen Pfunden. Jedes fünfte Mädchen im Teenageralter fühlt sich zu dick. Und solange die Topmodels bei jedem Gramm Fett am Leib von der Jury gescholten werden, wird das wohl so bleiben. Die Herren haben weniger Probleme mit ihrem Gewicht. Im Gegenteil. Wo fast jeder zweite Mann nach objektiven Kriterien etwas zu dick ist, fühlt sich nur jeder vierte auch so. Eine entspannte Sicht der Realität.

Ein paar nüchterne Zahlen: Ab ihrem 40. Lebensjahr sind rund 50 Prozent aller Deutschen – laut BMI-Statistik – übergewichtig. Mehr als 80 Prozent sind nicht zufrieden mit ihrem Körper. Lassen Sie das mal sacken. Was bedeutet das? Geht man nämlich davon aus, dass es ein paar Verwegene gibt, die selbst mit ein paar Pfunden zu viel an Hüften und Bauch vor Selbstbewusstsein strotzen und sich in puncto Aussehen als nicht mehr zu toppen einstufen, so gibt es scheinbar eine große Gruppe, die normalgewichtig und überaus unzufrieden mit sich selbst ist.

Kritischer Blick auf den eigenen Körper

Tatsächlich hat ein positives Körperbewusstsein für viele auch mit einem zufriedenstellenden Gewicht zu tun, aber offensichtlich nicht nur! Denn während der Body-Mass-Index in den Normalbereich rutscht, beginnen plötzlich andere Dinge hervorzustechen: die Nase etwa, die leider auch mit der Crashdiät nicht kleiner geworden ist, der zu gering dimensionierte Busen, der nun noch kleiner geworden ist, der von der Natur vernachlässigte Penis. Bei all diesen Dingen wird es wohl nichts mit der Partnerwahl, denn Männer wissen: Ich kann noch so charmant und gebildet sein und auch ganz passabel aussehen, doch spätestens, wenn die Partnerin mit dem Zollstab anrückt, ist Schluss mit der Beziehung.

Menschen neigen dazu, auf vermeintliche körperliche Makel mit schweren Depressionen zu reagieren. Vor allem wenn diese Makel von Partnern, Familienmitgliedern oder Arbeitskollegen nicht auf den ersten Blick erkannt werden. Dann fühlen sie sich besonders unverstanden.


Selbsttest für Selbstzweifler

Und jetzt sind Sie an der Reihe. Nehmen Sie sich etwas Zeit für die folgenden zwei Aufgaben.

1. Überlegen Sie sich fünf Dinge, die Sie an Ihrem Körper sofort verändern würden, wenn eine gute Fee oder ein guter plastischer Chirurg Ihnen das anbieten würde. Jetzt, bitte!

Sie können diese fünf Dinge visualisieren, geheim auf einen Zettel schreiben oder auch hier aufschreiben. Wenn Sie das Buch verleihen oder weiterschenken, dann kann eine weitere Person, im Sinne einer interaktiven Gruppentherapie, von Ihren Inputs profitieren. Seien Sie also ehrlich!

Und? Die einfachste Übung der Welt! Vermutlich hätten Sie die Fee noch um ein paar andere Kleinigkeiten gebeten.

2. Und nun überlegen Sie sich fünf Dinge, die Sie an Ihrem Köper lieben und gerne an Ihre Nachkommen weitergeben würden.

Die meisten, die diese Übung machen, benötigen für die zweite Aufgabenstellung deutlich länger.

DIÄTWAHNSINN-TIPP

Erstellen Sie eine Bucket-List: »10 Dinge, die ich an meinem Körper ändern möchte, bevor ich sterbe!«

Anleitung zum Diätwahnsinn

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