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1. Entstehung von Staaten

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Als ein erstes Anwendungsbeispiel des Effektivitätsprinzips im Völkerrecht sind die Voraussetzungen für die Begründung von Staatlichkeit zu nennen. Nach der auf Georg Jellinek zurückgehenden Drei-Elemente-Lehre ist ein → Staat durch das Vorliegen von → Staatsgebiet, → Staatsvolk und → Staatsgewalt gekennzeichnet. Allerding ist nicht jegliche Form von Staatsgewalt ausreichend, vielmehr muss die Staatsgewalt von anderen Staaten unabhängig sein und sich mit Aussicht auf Dauer etabliert haben. Da die → Anerkennung eines Staates nach der heute ganz herrschenden deklaratorischen Theorie nicht als viertes Tatbestandsmerkmal hinzutritt, kommt dem Faktischen – dem Vorliegen effektiver Staatsgewalt – hier augenscheinlich rechtsbegründende Wirkung zu.

Dem ist indes nicht so: Wie bereits vorstehend angedeutet, hat das Effektivitätsprinzip in diesem Fall vor allem Publizitätsfunktion. Da in der dezentral organisierten Völkerrechtsordnung keine Instanz existiert, die autoritativ über das Vorliegen von Staatlichkeit entschiede, ist Zurückhaltung bei einer vorschnellen Bejahung von Staatlichkeit geboten. Bedeutung kommt dem vor allem bei Sezessionsprozessen zu, indem der sezedierende Staatsteil nur und erst dann als eigenständiger Staat anerkannt wird (werden darf), wenn er sich von dem Mutterstaat effektiv und mit Aussicht auf Dauer losgelöst hat. Auch wenn es sich bei dieser Frage um eine wertungsmäßige Prognoseentscheidung handelt, die von den Staaten naturgemäß unterschiedlich beurteilt werden kann, verhindert doch das Abstellen auf die Effektivität der Staatsgewalt, dass Staaten in interne Konflikte hineingezogen werden. In diesem Sinne hat das Effektivitätsprinzip auch eine friedenswahrende Funktion. Darüber hinaus wird durch das Erfordernis der Effektivität der Staatsgewalt verhindert, dass Entitäten als Staaten anerkannt werden, die nicht in der Lage sind, ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen auf dem eigenen Territorium durchzusetzen. Insofern mag von einer Rechtsgewährleistungsfunktion gesprochen werden.

Die Bedeutung der hier als vorrangig angesehenen Publizitätsfunktion lässt sich deutlich im Falle des Untergangs von Staaten belegen. Bekanntlich ist das Völkerrecht bei der Annahme eines Untergangs von Staaten sehr zurückhaltend. Nur und erst, wenn die Staatsgewalt endgültig und dauerhaft entfallen ist, geht ein Staat unter. Das führt dazu, dass bisweilen der Fortbestand eines Staates trotz eigentlichen Entfallens der Staatsgewalt fingiert wird. Mit dem Effektivitätsprinzip steht das nicht notwendigerweise in Widerspruch: Da dem Publizitätserfordernis bereits bei der Entstehung des Staates genügt worden ist, tritt dieser Aspekt beim Entfallen effektiver Staatsgewalt in den Hintergrund. Vorrangig ist aus Sicht des Völkerrechts nun vielmehr das Bestreben, die Entstehung staatsfreier Räume zu vermeiden, indirekt somit wiederum das Ziel der Friedenssicherung.

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